Nicole Frankenberg-Dinkel mit einer Kultur von marinen Cyanobakterien der Art...
Nicole Frankenberg-Dinkel mit einer Kultur von marinen Cyanobakterien der Art Synechococcus sp. im Kulturraum der RPTU in Kaiserslautern. Diese Bakterien dienen ihrer Gruppe als Modellorganismen für die Untersuchungen zu metabolischen Hilfsgenen in Bakteriophagen.

Bildquelle: RPTU

News • Bakteriophagen Forschung

Neue Studie: Bakterienophagen als Waffe gegen bakterielle Infektionen

Viren, die Bakterien befallen – bekannt als Bakteriophagen („Bakterienfresser“) – könnten in der Medizin gezielt eingesetzt werden, um bakterielle Krankheiten zu bekämpfen. Zudem spielen sie eine wichtige ökologische Rolle in den globalen Stoffkreisläufen. Jüngste Ergebnisse von Forschenden der RPTU haben ein bislang unbekanntes metabolisches Hilfsgen in aquatischen Phagen identifiziert und damit das bisherige Verständnis dieser „Bakterienfresser“ erheblich erweitert.

Viren, die ausschließlich Bakterien befallen werden Bakteriophagen genannt. Ziel zahlreicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es, mehr über diese 20 bis 300 Nanometer kleinen Winzlinge zu erfahren – denn: „Wenn man die Mechanismen versteht, wie Phagen letztendlich Bakterien befallen und abtöten, dann könnte man in Zukunft vielleicht Phagen gezielt gegen schädliche Bakterien einsetzen“, erklärt Professorin Nicole Frankenberg-Dinkel von der RPTU.

In unserer aktuellen Studie haben wir bei den Phagen ein bisher unbekanntes metabolisches Hilfsgen entdeckt.

Nicole Frankenberg-Dinkel

Gemeinsam mit ihrem Team analysiert die Mikrobiologin verschiedene Strategien, die Phagen anwenden, um Bakterien als „Fabrik“ für die Produktion neuer Phagen zu benutzen. „Besonders interessant sind für uns aquatische Lebensräume wie Meere und Seen, da dort die Anzahl an Phagen sehr hoch ist und sie in diesen Bereichen eine wichtige ökologische Rolle spielen.“

Aufbauend auf den Ergebnissen der aktuellen und noch zukünftigen Grundlagenforschung gehe es langfristig nicht nur darum, irgendwann einmal „böse“ Bakterien, die für Erkrankungen verantwortlich sind, mittels sogenannter Phagentherapie zu bekämpfen. Sondern auch – insbesondere in aquatischen Lebensräumen – die ökologische Rolle der Phagen in den globalen Nährstoffkreisläufen zu untersuchen. Phagen spielen eine entscheidende ökologische Rolle in aquatischen Umgebungen, indem sie Bakterienpopulationen kontrollieren, die mikrobielle Vielfalt aufrechterhalten und den Nährstoffkreislauf durch Prozesse wie den viralen Schub beeinflussen. Sie treiben auch die mikrobielle Evolution voran, indem sie den horizontalen Gentransfer – von Organismus zu Organismus und nicht, wie grundsätzlich, von Generation zu Generation – fördern und selektiven Druck auf Bakterien ausüben.

In Zusammenarbeit mit Forschenden aus Israel, den Niederlanden, Tübingen und Stechlin/Potsdam hat das Team um Frau Frankenberg-Dinkel aus Umweltproben stammendes Erbmaterial von Phagen bioinformatisch genau analysiert. „Normalerweise enthält dieses genetische Material zum größten Teil die Bauplaninformationen, um neue Phagenpartikel herzustellen. Die Phagen nutzen die Bakterien dann als Fabriken.“ Darüber hinaus fanden die Forschenden im Phagen-Erbmaterial aber auch sogenannte Metabolische Hilfsgene („auxiliary metabolic genes“). Diese Hilfsgene stammen ursprünglich aus Bakterien und wurden von den Phagen einst übernommen. Sie werden – so viel ist bereits bekannt – nicht benötigt, um neue Phagenpartikel zu bauen, sondern um den Wirt – also die Bakterien - während einer Phageninfektion „umzuprogrammieren“.

„In unserer aktuellen Studie haben wir bei den Phagen ein bisher unbekanntes metabolisches Hilfsgen entdeckt“, erläutert Frankenberg-Dinkel ihre neuesten Ergebnisse. „Wir konnten zeigen, dass dieses Gen für ein aktives Protein bzw. Enzym codiert, das für die Biosynthese der `Pigmente des Lebens` wichtig ist.“ Als Pigmente des Lebens bezeichnet man sogenannte Tetrapyrrole. Die wichtigsten Vertreter dieser chemischen Verbindungen sind Häm als Bestandteil des Hämoglobins im Blut für den Sauerstofftransport und Chlorophyll, der grüne Blattfarbstoff, der für die Fotosynthese essenziell ist. Nicole Frankenberg-Dinkel: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Tetrapyrrole eine wichtige Rolle während einer Phageninfektion spielen. Sie scheinen so wichtig zu sein, dass sich Phagen diesen zusätzlichen Ballast an genetischem Material aufladen, weil es irgendwie vorteilhaft für sie ist.“

Die Bedeutung von Tetrapyrrolen für eine Phageninfektion war in diesem Ausmaß bislang nicht bekannt. Tetrapyrrole seien wichtig für die Energiegewinnung in Zellen, ordnet es Frankenberg-Dinkel weiter ein. „Wir vermuten, dass es einen erhöhten Energiebedarf gibt, wenn die Bakterien Phagenpartikel produzieren müssen. Deshalb werden möglicherweise auch vermehrt Tetrapyrrole benötigt.“ Die Forschenden konnten zeigen, dass das Hilfsgen bei Phagen sowohl im Salz- als auch im Süßwasser vorkommt.

Laut Frankenberg-Dinkel ergeben die aktuellen Studienergebnisse eine weitere interessante Erkenntnis: Um die erste Vorstufe der Tetrapyrrole herzustellen, gebe es zwei Wege, einer davon sei der sogenannte Shemin-Weg. Und genau diesen – bzw. die dafür notwendige genetische Ausstattung – haben die Forschenden bei den Phagen ausgemacht. „Der Shemin-Weg findet sich bei Bakterien nur in einer Gruppe, ansonsten nur bei Vögeln und Säugern. Das heißt, die Phagen müssten dieses Gen von einer bestimmten Bakteriengruppe aufgesammelt haben. Vielleicht auch, weil der Shemin-Weg im Gegensatz zum Alternativweg (C5-Weg) effizienter ist, indem er nur ein Enzym statt zweien benötigt.“

Die Phagenbiologie ist ein wieder aufstrebendes Forschungsgebiet. So wurden die Arbeiten von Frankenberg-Dinkel durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen eines sogenannten Schwerpunktprogrammes (SPP 2330: New Concepts in Prokaryotic Virus-host Interactions) gefördert. „In diesem Programm arbeiten wir mit vielen anderen Forschenden auf dem Gebiet der mikrobiellen Viren zusammen“, schildert die Professorin. Einige Erkenntnisse aus der Phagenbiologie (z. B auch das CRISPR/Cas System- Nobelpreis) sind heute schon so weit entwickelt, dass sie Anwendung finden.


Quelle: Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau

16.10.2024

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