Auf neuen Feldern experimentieren
Seit ihrer Geburtsstunde begleitet und fördert in Deutschland Prof. Dr. Dr. Wolfhard Semmler, Leiter der Abteilung Medizinische Physik in der Radiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, die Entwicklung der Magnetresonanztomografie. Auch dank seiner Hilfe hat sie alle Kinderkrankheiten und hat die Pubertät gemeistert.
Selbst nach ca. 30 Jahren sieht Prof. Semmler noch vielversprechende Weiterentwicklungen beim MRT auch jenseits der Hybridbildgebung. Gleiches gilt für die Computertomografie. In RöKo Heute schildert er einige neue mögliche Ansätze, die derzeit in der Forschung und Experimentellen Radiologie verfolgt werden.
CT – Warum eigentlich nur eine oder zwei Röhren?
Eine ganz offensichtlich wichtiger Schritt in der Computertomografie ist für Prof. Semmler, die Weiterentwicklung des Dual Energy CT, der heute sowohl in der klinischen Forschung sowie teilweise bereits in der Praxis angewendet wird. So zeichnet sich derzeit auch ein Quantensprung bei den Röntgenröhren ab. Denn durch den Einsatz von Karbon-Nanoröhren, die vor allem kleiner sein werden, ist künftig eine ganz andere Konfiguration der Geräte möglich. Zwar wird der Patient dabei weiterhin in einer CT-Röhre liegen, aber es können eben mehr als nur zwei Röhren und ein entsprechender Detektorring platziert werden, bewegte Teile entfallen dann weitgehend. Die Nanotubes haben zudem den großen Vorteil, dass sie wesentlich billiger in der Produktion seien werden als konventionelle Röntgenröhren und mit ihnen massiv Energie eingespart werden kann.
Und natürlich ist die Dosisreduktion ein Gesichtspunkt, der ganz sicher weiter verfolgt wird. „Es gibt heute bereits den Ansatz, Detektoren mit Photonenzählung zu entwickeln. Auch Detektoren mit spektraler Auflösung werden in Zukunft möglich sein“, erklärt Semmler. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Hardwareentwicklung sind die Flachdetektoren, die bereits bei den C-Bögen in der Projektionsradiografie zum Einsatz kommen. Die Zukunft wird zeigen, ob die Entwicklung weiter vorangetrieben werden kann, so dass sie auch im CT einsetzbar sind.
Auch das würde eine weitere Dosisreduzierung im CT bedeuten. Auch 4-D Bildgebung ist immer noch ein Thema, denn hier spielt die Dosis beim CT im Gegensatz zum MR eine wichtige Rolle, da serielle Aufnahmen gemacht werden müssen. Eine schnelle Rekonstruktion zeitlich veränderlicher Prozesse mit hoher Auflösung zu erstellen, stellt nach wie vor ein großes Problem dar. Iterative Rekonstruktionsverfahren, compressed sensing-Verfahren mit Vorwissen können hier hilfreich sein. Dennoch hat sich die Vorstellung, dass eine neue erfolgreiche Technik, eine ältere verdrängen würde, in der Vergangenheit nicht bewahrheitet und wird das auch in Zukunft nicht tun: „In den 80er und 90er Jahren dachte man, dass die MR die CT ersetzen würde. Aber die CT ist dank ihrer rasanten Entwicklungen bei vielen Indikationen der MR überlegen. Die Verfahren ergänzen sich heute, es gibt kein „entweder oder“, sondern viele komplementäre Informationen “, konstatiert Semmler.
MR – Warum bei 7-Tesla aufhören? Bei höheren Feldern kann uns Neues und Unerwartetes begegnen
Auch beim MRT ist die Entwicklung aus Semmlers Sicht vorgezeichnet. Der Trend zu größeren Feldstärken halte unvermindert an, und das nicht nur wegen der höheren räumlichen Auflösung sondern auch wegen der besseren und wegen anderer Kontraste. „Die Frage, ob wir 4-Tesla, 7-Tesla oder noch mehr können, stand im Grunde bereits 1985 im Raum, nachdem die ersten Geräte mit 0,35 Tesla (!) klinisch erfolgreich waren. Technische Lösungen sind eigentlich immer gefunden worden, ob das klinisch sinnvoll ist, ist eine andere Frage.“ Je größer die Feldstärke wird, desto schwieriger und komplexer werden die technischen Anforderungen. Allerdings steigen auch die Vorkenntnisse und die Erfahrung der Forscher, so dass die bei höheren Feldstärken auftretenden Probleme am Ende lösbar sein werden. Wichtig ist dazu die Durchführung von Experimenten, auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt der klinische Nutzen noch nicht erkennbar ist. „Wenn sie den wissenschaftlichen Fortschritt weiter verfolgen wollen, dann müssen an einem Punkt der Erde, besser noch an mehreren, entsprechende Experimente gefahren werden und zeigen, dass sie reproduzierbaren Ergebnisse erhalten“, erklärt der Heidelberger Forscher.
Die Experimente mit 7 Tesla MRT zeigten - wie erwartet – eine hohe anatomische Auflösung, überrascht hat die Forscher dagegen die Bilder mit Suszeptibilitätswichtung. Bei Gehirntumoren kamen dabei ganz neue Informationen zu Tage, die noch gar nicht richtig interpretiert werden können. Die diffusionsgewichtete Bildgebung und die Traktografie werden bei 7 Tesla einen deutlichen Entwicklungsschub erhalten. „Wir haben Angiografieaufnahmen beim Glioblastom gemacht und dabei Tumorvaskularisationen gesehen, die mit Kontrastmittel so nicht sichtbar sind, weil sofort die Extravasation des Kontrastmittels erfolgt der Tumor ein Gesamt-Enhancement zeigt und die Gefäße überdeckt werden. Dank dieser Ergebnisse beim 7-Tesla können wir jetzt auch beim 3-Tesla gucken, welche Verbesserungen gebraucht werden um auch bei dieser Feldstärke solche Aufnahmen machen zu können.“
Neben der verbesserten anatomischen Darstellung und anderer Kontraste wird auch der BOLD-Kontrast bei höherer Feldstärke besser, beides ist für die funktionelle Bildgebung im MRT wichtig. Beim Signal-Rausch-Verhältnis darf man bei 7-Tesla Geräten einen um etwa den Faktor 2 höheren Effekt erwarten, so dass die Aussagen deutlich sicherer werden. Ganz intensiv beschäftigt sich das Team von Prof. Semmler gerade mit X-Kernen. Semmler ist da ganz optimistisch, die Natrium- und Kaliumverteilung in Zukunft im gesunden und im pathologisch veränderten Gewebe auch quantitativ beurteilen zu können. Auch Sauerstoff und Chlorbildgebung ist inzwischen möglich und erste Untersuchungen werden bei uns durchgeführt. Bei der Protonen-, der Phosphor- und der Kohlenstoffspektroskopie muss in Pilotstudien experimentell geklärt werden, ob dieses Verfahren bei 7-Tesla bessere und vor allem klinisch verwertbare Ergebnisse zeigt.
Entwarnung kann er auch hinsichtlich der baulichen Anforderungen bei MRTs mit höheren Feldstärken geben. Dank selbstabgeschirmter Magneten - erste Geräte werden zurzeit zur Produktreife entwickelt - werden die großen Eisenabschirmungen für die Reduzierung des Streufeldes in Zukunft nicht mehr benötigt. Die Installation eines 7-Tesla Systems wird dann wie beim 3-Tesla aussehen.
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Im Profil
Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Wolfhard Hermann Semmler leitet seit 1999 die Abteilung Medizinische Physik in der Radiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Der Arzt und Physiker studierte und promovierte an der Freien Universität Berlin. 1991 habilitierte sich Prof. Semmler in Heidelberg in der experimentellen Radiologie.
Am Uniklinikum Berlin-Charlottenburg war er bei der Einführung der MRT in die Klinik und den experimentellen Untersuchungen des ersten MR-Kontrastmittels beteiligt. Weitere Stationen seines wissenschaftlichen Wirkens waren das Hahn-Meitner-Institut und das Institut für Diagnostikforschung an der FU Berlin, dem er von 1992-99 als wissenschaftlicher Direktor vorstand. Prof. Semmler war und ist Vorstandsmitglied und Koordinator verschiedener binationaler Forschungsprojekte und Vereinigungen.
11.05.2012