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Nicht-kontrastverstärkte Magnetresonanz-Angiografie für die Detektion von Stenosen

Kardiovaskuläre Erkrankungen rangieren weltweit an der Spitze der Mortalitäts- und Morbiditätsstatistiken. Doch während krankhafte Veränderungen der Koronargefäße im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen, bergen Veränderungen der zentralen und peripheren Gefäße des arteriellen Gefäßbaums ein mindestens genauso großes Risiko.

Dr. Harald Kramer
Dr. Harald Kramer

Ein Risiko mit potentiell tödlichen Folgen wie z.B. Schlaganfall, Nierenarterienstenose mit renalem Hypertonus und möglicher Dialysepflichtigkeit oder peripherer Ischämie mit Verlust einer Extremität. Mit der Weiterentwicklung nicht kontrastverstärkter MR-Angiographie-Techniken sorgt Dr. Harald Kramer, Assistenzarzt am Klinikum Großhadern der Ludwigs-Maximilians-Universität München, dafür, dass auch Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion oder einer Kontrastmittelunverträglichkeit von den diagnostischen Vorteilen dieses Verfahrens profitieren.

„Die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ist und bleibt derzeit der Goldstandard in der Gefäßdiagnostik“, daran lässt Dr. Kramer keinen Zweifel. Es gibt jedoch zahlreiche Gründe, die für eine nicht invasive und auch nicht kontrastverstärkte MRA, auch non-CE MRA (non contrast enhanced magnetic resonance angiography) genannt, sprechen. So stellt die non-CE MRA für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion die einzige Möglichkeit dar, das Gefäßsystem im gesamten Körper kontrastmittelfrei abzubilden, weil sich einzelne Bestandteile des Kontrastmittels für die MRA – im Gegensatz zu Kontrastmitteln, die in der Computertomografie Verwendung finden – nicht dialysieren lassen.

Die neuartigen non-CE MRA Techniken sollen aber nicht nur Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion zu Gute kommen, sondern auch Anwendung finden zur primären Abklärung des Gefäßsystems. So zeigen sich etwa vaskuläre Veränderungen aufgrund von Arteriosklerose nicht nur im Bereich der unteren Extremität, weiß Kramer: „Neben der koronaren Herzkrankheit weist ein großer Teil der Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) auch pathologische Veränderungen der Halsgefäße auf, die sich mit der non-CE MRA ebenfalls gut detektieren lassen.“

Insbesondere weil jod- oder gadoliniumbasierte Kontrastmittel nicht von allen Patientengruppen vertragen werden, hat auch die Industrie die Notwendigkeit zur Erforschung von kontrastmittelfreien Untersuchungsmethoden erkannt und unterstützt diese Vorhaben wie etwa im Fall von Dr. Kramer. Seine bisherigen Untersuchungsergebnisse lassen erwarten, dass die nicht kontrastverstärkte MRA schon bald Eingang in die klinische Routine finden wird. „Derzeit befinden wir uns in der Evaluationsphase der neuen Untersuchungsmethode„,erklärt der engagierte Radiologe, doch eine von ihm während eines Forschungsaufenthalts in den USA bereits abgeschlossene Studienreihe „gibt bereits einen Ausblick auf die zu erwartenden Resultate.“ Bei dieser ersten Untersuchung verglich Dr. Kramer früher verwendete nicht kontrastverstärkte MRA-Techniken sowohl mit der CE-MRA als Goldstandard als auch mit neuen nicht kontrastverstärkten Techniken. Diese neuen Methoden belegten dabei nach der CE-MRA einen spektakulären Platz 2 in der Bildqualität.

Die Aufnahmezeiten der Bildsequenzen liegen nur wenig höher über denen der kontrastverstärkten MRA. Während die Bilddatenakquisition einer Kontrastmitteluntersuchung knapp eine Minute dauert, benötigt die nicht kontrastverstärkte MRA etwa fünf Minuten für einen Durchgang. Für die Forschungsarbeiten verwenden die Wissenschaftler in München Standard-MRT-Systeme mit 1,5 und 3 Tesla, wobei das 3-Tesla-System erwartungsgemäß detailliertere Bilddaten liefert.

In den Anfängen der nicht kontrastverstärkten MRA nutzte man noch den Effekt, dass sich Blutgefäße, durch die frisches Blut einströmt, aufgrund einer höheren Magnetisierung signalreicher darstellen lassen. In diesem Zusammenhang spricht man von einer Time-of-Flight MRA. Heutige non-CE MRA-Techniken beruhen dagegen auf der Berechnung der unterschiedlichen Blutflussgeschwindigkeit zwischen der Systole und der Diastole. „Unterschiedlich schnell fließendes Blut ergibt im MRT unterschiedliche Signale. So sind wir in der Lage arterielle Gefäße von venösen zu unterscheiden. Leider verändern sich die Blutflussgeschwindigkeiten in pathologisch veränderten Gefäßen sehr deutlich. Die neuen Techniken stoßen hier teilweise an ihre Grenzen“, erläutert Dr. Harald Kramer.
Wie die Untersuchungsergebnisse zeigen, eignet sich die nicht-kontrastverstärkte MRA jedoch unter bestimmten Voraussetzungen für die Bildgebung des gesamten menschlichen Gefäßsystems. Während sie bei Beinarterien bereits sehr gute Ergebnisse liefert, kämpfen die Radiologen im Bereich von Thorax und Halsgefäßen noch mit Atemartefakten.

„Bei normalen Blutflussgeschwindigkeiten liefern die nicht-kontrastverstärkten Methoden bereits zufrieden stellende Ergebnisse. Das Gefäßsystem eines gesunden Patienten lässt sich damit problemlos darstellen. Bei höhergradigen Stenosen eignen sich diese Techniken zur Zeit nur dann, wenn die Unterschiede der Blutflussgeschwindigkeiten während der Herzphasen erhalten bleiben“, beschreibt Kramer den aktuellen Entwicklungsstand. „An diesem Problem wird jedoch intensiv gearbeitet.“ Das Team in Großhadern rechnet damit, die neue Methode innerhalb von zwei Jahren in die klinische Routine einführen zu können.

 

Im Profil

Dr. Harald Kramer schloss 2002 das Medizinstudium an der Ludwigs-Maximilians-Universität München ab. Seit 2004 ist der Radiologe am Universitätsklinikum München Großhadern in der Abteilung für klinische Radiologie tätig. Bereits im Rahmen seiner Promotion setzte er sich intensiv mit unterschiedlichen Möglichkeiten der kontrastverstärkten MRT-Bildgebung auseinander. 2006 zeichnete ihn der ECR als Gewinner des „Best Scientific Paper Award“ aus. 2007 erhielt er den „Editor´s Recognition Award 2007“ des European Journal of Radiology and European Journal of Radiology Extra. 2008 belegte sein Poster den zweiten Platz des 16th Scientific Meeting der ISMRM. 2009 absolvierte Herr Dr. Kramer einen Forschungsaufenthalt am Scott & White Memorial Hospital in Temple, Texas, USA.

 

18.01.2011

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