Bildquelle: Inka Rodigast/UKJ
News • Klinikum zieht Bilanz
3 Jahre Covid-19-Pandemie: Fokus verschiebt sich auf Langzeitfolgen
Es war der 3. März 2020, als in Thüringen die erste Infektion mit dem Coronavirus vom Robert-Koch-Institut gemeldet wurde. Eine Woche später, am 11. März, kam der erste Corona-Patient ans Universitätsklinikum Jena (UKJ). Mit einem Schlag drehte sich auch an Thüringens einzigem Universitätsklinikum alles um dieses neuartige Virus – um die Erkrankung Covid-19, die es auslöste, um die Behandlung der zahlreichen Patienten und um den Schutz vor dem Virus.
Schnell war das UKJ, das schwerpunktmäßig an der besseren Diagnose und Behandlung von Sepsis und Infektion forscht, als wissenschaftlicher Ratgeber und medizinische Leiteinrichtung bei der Bewältigung der Pandemie in Thüringen gefragt. Im Zentrum für Sepsis und Infektionsforschung konnten die Mediziner am UKJ auch auf Forschungserfahrungen mit den Langzeitfolgen von schweren Infektionen zurückgreifen. "Die Pandemie hat gezeigt, dass oftmals schnelle und pragmatische Entscheidungen getroffen werden müssen, auch wenn die medizinische Evidenz zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vorliegt. Ein Beispiel dafür ist die erfolgreiche Ersteinführung der Maskenpflicht in Jena, die zum damaligen Zeitpunkt die Neuinfektionen enorm reduzierte“, betont Professor Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene.
Die Bilanz:
- In drei Jahren Corona behandelt das UKJ als Level-1-Klinikum über 3.500 Patienten stationär, davon annähernd 500 auf den Intensivstationen mit teils schwersten Krankheitsverläufen und künstlicher Beatmung.
- Expertenrat: Ärzte und Wissenschaftler des UKJ gehören zum Wissenschaftlichen Beirat der Landesregierung Thüringen und beraten zudem als Teil des Krisenstabs die Stadt Jena. Jena war die erste Stadt bundesweit, die ab April 2020 auf die Maskenpflicht zur Eindämmung des Coronavirus setzte – auf Grundlage der Expertenmeinung des UKJ.
- Intensivmedizinische Herausforderungen: Das UKJ koordiniert federführend für Thüringen im ostdeutschen Raum im bundesweiten Kleeblatt-System die Verlegung von intensivpflichtigen Covid-19-Patienten. Für die bestmögliche intensivmedizinische Behandlung etabliert das UKJ das telemedizinische Netzwerk SAT4COV in Thüringen, das die Zusammenarbeit Thüringer Kliniken stärkt.
- Mit der Einführung der Impfung Ende 2021 nimmt die Zahl der schweren, intensivpflichtigen Covid-19-Fälle deutlich ab.
- Als erste Uniklinik bundesweit etabliert das UKJ im August 2020 eine Post- bzw. Long-Covid-Ambulanz für Erwachsene und im März 2021 eine entsprechende Ambulanz für Kinder und Jugendliche. Seit Oktober 2021 gibt es am UKJ ein Post-Covid-Zentrum, das unterschiedliche Fachbereiche unter einem Dach vereint.
- Zwei Experten aus dem UKJ sind im Vorstand des bundesweiten Ärzte- und Ärztinnenverbandes Long-Covid, Klinikdirektor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. Martin Walter (Präsident), und Direktor der Klinik für Innere Medizin IV und Leiter des Post-Covid-Zentrums, Prof. Andreas Stallmach (Vorstand).
Die gute Nachricht nach drei Jahren Pandemie: Die Situation um die akuten Coronainfektionen hat sich mittlerweile deutlich entspannt. Heute kommen kaum noch Patienten wegen Covid-19 ins Klinikum, sondern mit Corona als Begleitinfektion. „Wenn man bedenkt, dass Covid-19 immer noch ein sehr neues Krankheitsbild ist, haben wir sehr schnell Behandlungs- und Managementstrategien, einschließlich des Einsatzes neuer Medikamente und Therapiemöglichkeiten bei Covid-19 entwickelt. Nicht zuletzt durch die Impfung wurden viele schwere Verläufe verhindert“, bilanziert Professor Michael Bauer, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin.
Die weniger erfreuliche Nachricht: Corona wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen. „Etwa fünf bis zehn Prozent aller Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, entwickeln Long-Covid. Das macht allein in Thüringen etwa 80.000 Menschen“, weiß Professor Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV und Leiter des Long-Covid-Zentrums am UKJ. Denn insgesamt hat annähernd jeder zweite Thüringer in den vergangenen drei Jahren eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht, rund 880.000 Menschen. Der Fokus hat sich damit von der akuten Infektion hin zu den Langzeitfolgen verschoben. Die Versorgung von Patienten mit Long-Covidbleibt weiterhin eine große Herausforderung.
Und das, obwohl Thüringens einziges Universitätsklinikum früh den Behandlungsbedarf für Post- und Long-Covid-Patienten erkannt – und entsprechend gehandelt hat. Im Post-Covid-Zentrum des UKJ sind nach aktuellem Stand 1.800 Erwachsene in Behandlung. Dazu kommt noch eine große Anzahl an Kindern und Jugendlichen, die aus ganz Deutschland nach Jena kommen. Die Warteliste ist lang. Mehr als 300 Patienten müssen sich derzeit in Geduld üben, denn die Termine sind bereits bis Ende des Jahres ausgebucht.
Wir haben eine Vielzahl an Studien, unterfüttert mit Forschungsgeldern. Das, was wir noch nicht ausreichend hatten, ist Zeit
Andreas Stallmach
Schon länger ist das Krankheitsbild Long-Covid auch in den Fokus der Forschung gerückt, zahlreiche Studien dazu laufen – auch am UKJ. Der erste Internationale Long-Covid-Kongress fand im vergangenen Jahr in Jena statt, bei dem sich über 2.000 Experten und Betroffene ausgetauscht haben. Für diesen November ist bereits der zweite Kongress geplant. „Wir haben eine Vielzahl an Studien, unterfüttert mit Forschungsgeldern. Das, was wir noch nicht ausreichend hatten, ist Zeit. Die braucht es aber für valide und seriöse Ergebnisse und letztlich auch für eine erfolgreiche Strategie zur Behandlung von Long-Covid-Patienten“, resümiert Stallmach.
Was es ebenfalls laut Stallmach braucht: Räume, Infrastruktur und Kapazitäten. Derzeit wird überlegt, inwieweit das Post-Covid-Zentrum am UKJ in Zukunft erweitert werden kann. „Wenn man etwa 3.000 Patientenkontakte im Jahr hat, braucht man eine gewisse Infrastruktur, um eine Therapie für die Patienten angemessen umsetzen zu können“, sagt er.
Quelle: Universitätsklinikum Jena
10.03.2023