Artikel • Kardiologie

Herz-MRT 2.0: quantitativ zum Ziel

Die Herz-MRT wandelt sich: Während derzeit nur ca. 10 Prozent der bildgebend gewonnenen Gesamtdaten zur quantitativen Auswertung genutzt werden, verbessert sich dieser Wert mit moderner Technik zunehmend.

Bericht: Marcel Rasch

Auf dem Vormarsch sind vor allem Mapping-Sequenzen, die zum ersten Mal die quantitative Erfassung von Daten ermöglichen und zukünftig sogar Vergleichseinheiten bieten könnten, ähnlich wie die Hounsfield-Einheiten beim CT. Dies hofft zumindest Prof. Meinrad Beer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, der auf dem Bayrischen Röntgenkongress den Vorsitz der entsprechenden Session innehat.

Viel Interaktion – wenig Effizienz

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Prof. Meinrad Beer ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie in Ulm.

Die kardiale Bildgebung mit MRT erfordert viel Interaktion. „Wichtige Faktoren, die das Ergebnis eines MRT beeinträchtigen, sind die Atmung des Patienten und Bewegungen, die oft ungewollt passieren, wie bei Parkinsonpatienten oder bei Menschen, die unter starken Schmerzen leiden“, erläutert Beer. Unter Zuhilfenahme eines EKG lassen sich diese Ergebnisse zwar verbessern, jedoch verlängert sich der Zeitfaktor des MRT erheblich, da das EKG sehr exakt angelegt werden muss. „Dies setzt bislang viel Expertise und Geduld voraus“, so Beer. „Während das eigentliche MRT des Herzens etwa 20-30 Minuten in Anspruch nimmt, sorgt das EKG schnell dafür, dass aus dieser Untersuchungszeit eine Stunde wird“.

Dies bringt das Thema Datenerhebung auf den Plan. Neben dem Herzschlag selbst beeinflusst die Bewegung des Brustkorbs bei der Atmung die Herzbildgebung. Zumeist muss derzeit die Patientin oder der Patient die Luft für einige Sekunden anhalten, um exakte Bilder des Herzens aufzunehmen. Dies ist gerade für schwer kranke PatientInnen sehr belastend. „Besser ist es, die Bilder in freier Atmung aufzunehmen. Dazu werden große Datenmengen über einen längeren Zeitraum gesammelt, um dann anschließend die passenden Einzelbilder, die in gleicher Atemposition aufgenommen wurden, zu kombinieren“, erläutert Beer und weiter: „Kurz gesagt: derzeit nutzen wir reell vielleicht 10 Prozent der erhobenen Daten. Der Rest des erhobenen Materials ist unsauber und nicht brauchbar. Dies wird sich zukünftig glücklicherweise ändern, denn innovative Technik sorgt für eine stetig wachsende Effizienz. So haben neuere Systeme bereits ein EKG im Rückenpolster der Liege integriert, was eine vollautomatische Messung ermöglichen wird“, wagt Beer einen Blick in die nähere Zukunft. „Der personelle und zeitliche Aufwand für die Diagnose wird dank innovativer Techniken immer geringer. Mit moderner Software lassen sich mittlerweile viele störende Faktoren reduzieren und aus den Ergebnissen herausrechnen“, konstatiert Beer. Zudem ist auf der Habenseite zu vermerken, dass die Geräte sich zunehmend automatisiert auf individuelle Gegebenheiten des Patienten einstellen. „Atemanhaltephasen und -frequenzen während der Aufnahme bemessen manche Geräte inzwischen im Voraus und sogar die Atmung insgesamt kann direkt per Filter herausgerechnet werden“, so Beer. „Dies ist eine große Entlastung.“

Von links: Myokarditis, Herzinfarkt, Herzinfarkt mit Thrombus.
Von links: Myokarditis, Herzinfarkt, Herzinfarkt mit Thrombus.

Karten fürs Herz

Die gegenwärtigen Schwachstellen des MRT - im Gegensatz zum CT, bei dem qua Hounsfield-Einheiten objektiviert und quantifiziert wird - ist die zumeist rein qualitative Beurteilung der Bilder und Werte. So genannte Mapping-Sequenzen sind hier vielleicht eine Lösung. „Mapping-Sequenzen werden in der Forschung schon seit 5 Jahren diskutiert. Denn durch sie generieren wir absolute Zahlen und erhalten in Millisekunden eine direkte Antwort aus dem Herzmuskel über Wassereinlagerungen, Ödeme oder Verfettungen“, erläutert der Spezialist. „Diese Technik ist inzwischen so gut, dass wir sie in der klinischen Versorgung regelmäßig anwenden, weil sie uns zum ersten Mal quantitative Ergebnisse bringt.“ Jetzt können in nur einem Atemvorgang quantitative Daten erhoben werden. „Ich rechne stark damit, dass wir beim MRT künftig CT-ähnliche Einheiten erheben können, die jederzeit reproduzierbar und damit vergleichbar sind“, zeigt sich Beer hoffnungsvoll.

Auch hinsichtlich der Diagnostik der akuten Myokarditis gibt es Fortschritte bei der MRT. „Wir können schon immer Ödeme oder Kontrastmittelaufnahme im Herzmuskel unter T2-Gewichtung oder unter Kontrastmittel detektieren. Auch die Unterscheidung einer koronaren Herzerkrankung von einer Ischämie stellt für uns kein Problem dar: Während die Ischämie präzise auf der Innenseite des Herzmuskels, also subendokardial mit zunehmender Schwere durch die Wand hindurch transmural zu diagnostizieren ist, beginnt die Myokarditis in den meisten Fällen subepikardial und ist deshalb klar zu differenzieren“, erklärt Beer. Dank Late Enhancement ist die akute Myokarditis mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 95 Prozent klar abzugrenzen. Auch andere angeborene und die erworbenen Herzerkrankungen, die Kardiomyopathien, lassen sich anhand eindeutiger Muster beim Late Enhancement zumeist differenzieren.

Im Umgang mit dem einzelnen Patienten bleibt die Einzelfallentscheidung, die sorgfältig abzuwägen und jedes Mal neu zu bewerten ist

Meinrad Beer

„Was wir bislang im MRT nicht diagnostizieren konnten, war die diffuse Entzündung oder Fibrose des Herzens – eine Krankheit mit besonders ernsten Konsequenzen für die Patienten. Bei einer lokalisierten Veränderung konnten wir dank Late Enhancement oder der Feststellung eines Ödems zwar die Erkrankung feststellen, aber nur die Biopsie (bei der Myokarditis) oder weitere Abklärungen (der Herzkatheter bei der KHK) gab oftmals definitiven Aufschluss darüber, ob eine diffuse Veränderung vorlag“, führt Beer aus und erklärt weiter: „Diffuse Erkrankungen wurden in der Bildgebung häufiger übersehen. Mit dem nun verfügbaren Mapping erhalten wir absolute Zahlen und können zum ersten Mal Werte definieren, die den Bereich zwischen normalem oder erkranktem Muskel abgrenzen. Damit können wir zum ersten Mal die diffusen Herzmuskelerkrankungen genau diagnostizieren.“ Vieles spricht dafür, dass damit in Zukunft auch bei der Ischämie und verschiedenen Typen angeborener und erworbener Kardiomyopathien eine Unterscheidung einfacher werden wird.

Und doch bleibt trotz all der neuen Technik und dem Fortschritt eines festzuhalten: „Im Umgang mit dem einzelnen Patienten bleibt die Einzelfallentscheidung, die sorgfältig abzuwägen und jedes Mal neu zu bewerten ist. Sie ist abhängig von vielen Faktoren. Ein gutes Beispiel ist die KHK. Hier muss in Betracht gezogen werden wie viele Umgehungsstraßen sich bereits gebildet haben, wie das Alter des Patienten ist, welche Begleiterkrankungen er hat und vieles mehr. All dies muss in Erwägung gezogen und sorgfältig abgewogen werden“, macht Beer zum Abschluss deutlich.


Profil:

Prof. Meinrad Beer legte seinen Schwerpunkt schon früh nach seinem Studium der Humanmedizin und seiner Promotion an den Universitäten Regensburg und Würzburg auf den Bereich der Diagnostischen Radiologie. Seit 2013 ist Beer Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie in Ulm. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der kardialen, der onkologischen sowie der muskuloskeletalen Bildgebung.


Veranstaltungshinweis:

Raum: Hörsaal 2

Samstag, 30. September 2017, 09:00 – 10:00

Symposium 6 – Herz MRT

Vorsitz: Meinrad Beer (Ulm), Dietbert Hahn (Würzburg)

30.09.2017

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