Artikel • Der Nase nach
Die Tiefe des Eisberges - MR-Bildgebung des Naso- und Oropharynx
Karzinome im Bereich des Nasopharynx (Nasenrachen) und Oropharynx (Mundrachen) sind keine Seltenheit. Zu den Hauptrisikofaktoren zählen Alkohol und Rauchen, insbesondere in Kombination miteinander.
Meist suchen die Betroffenen erst dann einen Arzt auf, wenn der Tumor bereits spürbare Beschwerden verursacht, sich also in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Dann ist neben der Differenzialdiagnostik vor allem wichtig zu wissen, wie ausgedehnt der Tumor in der Tiefe ist. Nicht umsonst spricht man in diesem Zusammenhang von Eisbergtumoren, deren wahres Ausmaß unter der Oberfläche verborgen liegt.
„Im Kopf-Hals-Bereich liegen die Strukturen auf engstem Raum zusammen. Eine adäquate radiologische Befundung setzt genaue Kenntnisse der Anatomie dieser komplexen Region voraus“, sagt Prof. Dr. Gabriele Krombach, Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Gießen. „Die anatomische Einteilung des Rachen erfolgt nach drei Etagen: Hypopharynx, Nasopharynx und Oropharynx. Faszien unterteilen den Hals suprahyoidal in Kompartimente. Je nachdem welche dieser Faszienräume betroffen sind, lassen sich Rückschlüsse auf die vorliegende Erkrankung ziehen.“
Die MRT ist zum Staging und der Tumorklassifikation unverzichtbar
Prof. Dr. Gabriele Krombach
Die MRT ist wegen ihres hohen Weichteilkontrasts besonders gut für diagnostische Fragestellungen oberhalb des Zungenbeins geeignet. Unterhalb des Zungenbeins ist die Bildgebungsmethode dagegen besonders störanfällig, weil durch Schluckbewegungen während der Untersuchung Bewegungsartefakte entstehen. „Sofern die Krankheitsprozesse oberflächlich und klein sind, sieht man ein Plattenepithelkarzinom bei der klinischen Untersuchung unter Umständen sogar besser als in der Schnittbildgebung“, räumt Frau Prof. Krombach ein. „Eine Gewebeentnahme für die histologische Abklärung ist dann für den behandelnden HNO-Arzt einfach durchzuführen. Die MRT ist zum Staging und der Tumorklassifikation jedoch unverzichtbar. Es gibt allerdings auch Bildcharakteristika, die pathognomonisch sind. Ein typisches Merkmal für die Metastasen eines Plattenepithelkarzinoms sind beispielsweise zentral hypodense Lymphknoten. Das heißt, Lymphknotenmetastasen des Plattenepithelkarzinoms nehmen oft nur im Randbereich Kontrastmittel auf. Dadurch lässt sich auch bei nur sehr gering vergrößerten Lymphknoten eine sichere Diagnose stellen. Außerdem ist es ein hilfreiches Kennzeichen, um ein Plattenepithelkarzinom von einer Entzündung und hierbei reaktiv vergrößerten Lymphknoten zu unterscheiden.“
In vielen Fällen empfiehlt es sich außerdem, neben dem Standardprotokoll auch noch eine zusätzliche Diffusionsbildgebung durchzuführen, um z. B. zwischen einem Tumorrezidiv und Narbengewebe differenzieren zu können. Den weitaus höheren Stellenwert nimmt die Bildgebung jedoch bei der Therapieplanung ein: „Der Kliniker muss wissen wie ausgedehnt das Karzinom ist, welche Strukturen in der Tiefe betroffen sind und ob sich bereits Metastasen gebildet haben. Dabei geht es nicht nur darum, die passende Therapieform zu wählen, sondern im Falle einer Operation auch die notwendigen Fachärzte anderer Disziplinen einzubinden. Wenn der Tumor beispielsweise schon in die Schädelbasis hineingewachsen ist und möglicherweise sogar schon die Dura infiltriert oder überschritten hat, dann erfolgt die Operation oft durch ein Team aus Hals-Nasen-Ohrenarzt und Neurochirurg.“ Eine Besonderheit bei Tumoren des Kopf-Hals-Bereichs stellen das perineurale Wachstum, d. h. die Ausbreitung entlang der Nervenbahnen dar. Diese Ausbreitung kann kontinuierlich oder auch diskontuierlich erfolgen. Diese sorgen nicht nur für eine schlechtere Prognose des Patienten, sondern sind für den Chirurgen auch besonders schwierig zu operieren, weil die betreffenden Nerven dann oft nicht erhalten werden können. Kann der Tumor jedoch vollständig entfernt werden, sehen die Heilungschancen bei Rachenkrebs deutlich besser aus.
Profil:
Prof. Dr. Gabriele Krombach ist seit 2010 Direktorin der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Gießen. Zuvor war sie sechs Jahre lang Oberärztin in der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum RWTH Aachen, davon vier Jahre in leitender Position. Im Jahr 2012 machte die Fachärztin für Radiologie ihren Masterabschluss im Fach „Health Business Administration“ an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie ist Vorsitzende der Konferenz der Lehrstuhlinhaber in der Radiologie, welche die Interessen der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie in Forschung, Lehre und Krankenversorgung an den Universitätskliniken vertritt.
Veranstaltungshinweis
Samstag, 04.02.2017, 11:30-11:50 Uhr
MRT des Naso- und Oropharynx
G. Krombach, Gießen
Session: HNO
04.02.2017