Schlüsselrolle

Hybridbildgebung: mehr als die Summe ihrer Teile

„Die Kombination von Nuklearmedizin und modernen bildgebenden Verfahren wie CT und MR wird in der Diagnose, der Behandlungsplanung und der Nachbehandlung onkologischer Erkrankungen immer wichtiger“, erklärt Prof. Dr. Katrine Åhlström Riklund, Präsidentin der neu ins Leben gerufenen Fachgesellschaft für Hybridbildgebung (European Society for Hybrid Medical Imaging, ESHI).

Report: Michael Krassnitzer

Die kombinierte Bildgebung machts möglich: Aufnahmen mit dem PET/MR-Gerät...
Die kombinierte Bildgebung macht's möglich: Aufnahmen mit dem PET/MR-Gerät zeigen nicht nur hoch aufgelöste Strukturen im Millimeterbereich, sondern liefern auch biologische Informationen.
Quelle: Peggy Rudolph, Medienzentrum, Universitätsklinikum Heidelberg.
PET/MR-Aufnahme des Ganzkörpers.
PET/MR-Aufnahme des Ganzkörpers.
Quelle: Siemens AG

Die Hybridbildgebung war eines der Hauptthemen am diesjährigen Europäischen Radiologiekongress (ECR 2016). Die schwedische Kongresspräsidentin Prof. Riklund betont: „Die molekulare, biochemische und strukturelle Information, die uns die Hybridbildgebung liefert, ist höher als die Information aus den jeweils einzelnen Verfahren.“ Oder wie es Aristoteles zum Ausdruck brachte: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
 
PET/CT, die Kombination von Positronen-Emissions-Tomographie und Computertomographie, und SPECT/CT, die Kombination aus Single-Photon-Emissionscomputertomographie und Computertomographie, sind bereits fixe Bestandteile der radiologischen und nuklearmedizinischen Diagnostik geworden. Dennoch gibt es auch hier nach wie vor Neues.

So berichteten Forscher der Statistical Imaging Group am University College Cork (Irland) sowie des Departments für Radiologie und der PET/CT-Unit am Universitätsspital Cork über die von ihnen entwickelten statistischen Methoden zur Analyse von 18FFDG-PET/CT-Untersuchungen. Mit Hilfe des Tracers 18FFluordesoxyglucose lassen sich deutlich mehr Informationen bei sehr heterogenen Tumoren gewinnen als mit herkömmlichem PET/CT. Lungenkrebs zum Beispiel zeichnet sich durch eine besonders große Tumorheterogenität aus, das heißt sie enthalten eine Reihe genetisch unterschiedlicher Krebszellen mit unterschiedlichen biologischen Eigenschaften – ein Faktum, das in der Therapie berücksichtigt werden muss.

Weit mehr tut sich freilich auf dem Feld PET/MR, also der Kombination aus der Positronen-Emissions-Tomographie und Magnetresonanztomographie. „PET und MR sind noch in den Flitterwochen“, formuliert Prof. Dr. Vicky Goh, Chair of Clinical Cancer Imaging am King’s College in London, sieht aber dennoch einen “Paradigmenwechsel”: „Die Zeiten sind vorbei, wo man nur gemessen hat, ob ein Tumor gewachsen oder geschrumpft ist. Wir haben nun Zugang zur Biologie des Tumors.“

Weniger euphorisch ist ihr Kollege Prof. Dr. Gary Cook, Chair in Clinical PET Imaging am King’s College in London: “Wie wichtig PET/MR als diagnostisches Werkzeug tatsächlich wird, ist noch unklar.“ Doch auch er sieht die Zukunft von PET/MR im Grunde rosig: „Es häufen sich die Belege, dass PET/MR bei manchen Tumoren, etwa im Gehirn oder in der Prostata, eine größere Diagnosegenauigkeit liefert als PET/CT oder MR alleine.“ Auch die Verwendung neuer Tracer wie etwa Gallium 68 (68Ga) könnte PET/MR Auftrieb verleihen.

Seit der multiparametrischen MRT immer mehr eine Schlüsselrolle in der Diagnose von Prostatakrebs zukommt, ist auch PET/MR ein Thema auf diesem Gebiet. „Vor allem bei Rückfällen hat sich PET als nützliches Werkzeug erwiesen, um potenziell heilbare lokale Rezidiva von Metastasen zu unterscheiden“, erläutert Dr. Egesta Lopci vom Department für Nuklearmedizin am Istituto Clinico Humanitas in Mailand (Italien). In diesem Zusammenhang kommen Cholin-Tracer (11C-Cholin und 18F-Cholin) zum Einsatz. Prostatakrebszellen haben nämlich einen hohen Bedarf an Cholin, so dass sich das entsprechende Radionuklid dort besonders konzentriert.

Auch in Sachen Demenz könnte PET/MR künftig eine größere Rolle spielen. Mit MRT lassen sich zwar die typischen Muster in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten und von Patienten mit vaskulärer Demenz gut unterscheiden – aber nur in den klassischen Ausprägungen. „Individuelle Muster sehen oft nicht sie aus wie im Lehrbuch und es gibt auch Patienten, die sowohl an Alzheimer-Demenz als auch an vaskulärer Demenz leiden“, erklärt DDr. Sven Haller, Neuroradiologe am Universitätsspital Genf (Schweiz). Außerdem habe MRT einen „blinden Fleck“ bei der Erkennung einer Lewy-Körper-Demenz: „Bei dieser Form der Demenz ist MRT unspezifisch.“

Hier kommt nun PET ins Spiel: Mit diesem Verfahren kann die bei der Lewy-Körper-Demenz verminderte Dopamin-Transporter-Aufnahme im Striatum festgestellt werden. Und auch die Alzheimer-Demenz kann mittels PET eindeutig von vaskulärer Demenz abgegrenzt werden: „Der entscheidende Punkt ist hier die Erkennung von Beta-Amyloid in vivo“, unterstreicht Dr. Valentina Garibotto, Nuklearmedizinerin am Universitätsspital Genf. Es gibt nicht weniger als vier Tracer, mit denen die typischen Plaques von Beta-Amyloid, die sich in den Nervenzellen und Blutgefäßen des Gehirns von Alzheimer-Erkrankten ansammeln, aufgespürt werden können.
 
„Die Verfügbarkeit von PET/MR eröffnet auch neue Möglichkeiten in der onkologischen Strahlentherapie“, weiß Prof. Dr. Ursula Nestle vom Department für Radiologische Diagnostik und Therapie am Universitätsklinikum Freiburg (Deutschland): „Das Hybridverfahren ermöglicht eine hochpräzise Therapieplanung.“ Dies gilt speziell für Tumoren, die mit CT nur schlecht, mittels MR hingegen sehr dargestellt werden können und die zugleich auch mit PET gut untersucht werden können, wie etwa im oberen Abdomen, in der Prostata und im Gehirn. In Zukunft erwartet sich Nestle vor allem von der Kombination von molekularer PET und molekularer MRT viel.

In Sachen Brustkrebs ist ein Zukunftsprojekt soeben angestoßen worden. Das EU-Projekt “Digital Hybrid Breast PET/MRI for Enhanced Diagnosis of Breast Cancer” (HYPMED), bei dem das European Institute for Biomedical Imaging Research (EIBIR) als Projektkoordinator und das Universitätsklinikum Aachen (Deutschland) als wissenschaftlicher Koordinator fungiert. Im Rahmen des Forschungsprojektes soll ein PET-Detektor in eine MRT-Oberflächenspule integriert werden, so dass synchron hochaufgelöste PET- und hochaufgelöste MRT-Bildgebung bei Brustkrebs durchgeführt werden können – inklusive die Möglichkeit minimal-invasiver MR- und PET-geführter Biopsie. „Dieser Ansatz läuft darauf hinaus, dass man letztlich jeden gewöhnlichen MR-Scanner zu einem hochauflösenden PET/MR-System ausbauen kann“, bekräftigt Univ.-Prof. Dr.-Ing. Volkmar Schulz vom Institut für Experimentelle Molekulare Bildgebung des Universitätsklinikums Aachen.

Die wachsende Bedeutung der Hybridbildgebung hat auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Radiologen und Nuklearmedizinern. „Die Kombination nuklearmedizinischer und radiologischer Verfahren erfordert spezielle Kenntnisse in beiden Disziplinen und auch eine entsprechende Ausbildung“, betont Prof. Dr. Osman Ratib, Vorstand der Abteilung für Nuklearmedizin und Molecular Imaging am Universitätsspital Genf.

Das jedoch ist nicht so einfach. „Während sich die Hybridbildgebung rasant entwickelt, gibt es bei der Zusammenarbeit zwischen den beiden Disziplinen, die daran beteiligt sind, noch Luft nach oben“, meint Univ.-Prof. Dr. Gerald Antoch, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Die Nuklearmediziner dürften CT oder MRT nicht nur als Werkzeug für die genaue anatomische Verortung ihrer PET-Bilder betrachten, Radiologen wiederum dürften PET und CT nicht bloß als eine Art zusätzliches Kontrastmittel betrachten, analysiert Antoch und fordert: „Wir brauchen Ausbildungsprogramme, die beide Seiten der Hybridbildgebung enthalten.“ ESHI-Präsidentin Riklund bringt es auf den Punkt: „In Zukunft sollten Hybridbilder von einem einzigen Spezialisten interpretiert werden.“

03.05.2016

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