Interview • Thorax
Pulmonale und pleurale Infektionen – alle Verfahren kommen zum Einsatz
Die Sonographie wird vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz von Ärzten verschiedenster Fachrichtungen durchgeführt. Bei pulmonalen und pleuralen Infektionen verweisen jedoch viele Internisten an Radiologen, statt selbst eine diagnostische Abklärung per Sonographie vorzunehmen.
Das liegt zum einen daran, dass nur ein kleiner Teil der Ärzte alle Aspekte der Sonographie beherrscht, zum anderen aber hat die Sonographie bei Erkrankungen der Lunge auch ihre Limitationen, wie Prof. Gerhard Mostbeck, Radiologe am Wilhelminenspital und Otto-Wagner-Spital in Wien, weiß.
Warum verweisen so viele Kliniker zur Abklärung einer Infektion der Atemwege an Radiologen, statt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen?
Man braucht nicht nur Kenntnisse, also theoretisches Wissen, sondern auch die Fertigkeiten und viel praktische Erfahrung in der klinischen Sonographie. Der Ultraschall ist eine großartige Methode, die jedoch nichts nützt, wenn man sich damit nicht wirklich gut auskennt. Eigentlich sollte man als Arzt, egal ob Notfallmediziner, Lungenfacharzt oder Internist, Ultraschallkenntnisse haben. In der Praxis beherrscht aber nur ein ganz kleiner Teil der Ärzte alle Aspekte der klinischen Sonographie und das sind meistens solche, die eine besondere Liebe zu dieser Technik entwickelt haben. Ultraschall geht weit über Realtime-Anwendungen hinaus. Inzwischen ermöglichen Kontrastmittelsonographie, Elastographie und andere neue Techniken multiparametrische Untersuchungen. Selbst wenn das alles im Studium unterrichtet wird, kann nicht jeder diese Technik in alle Verästelungen hinein beherrschen.
Und dann ist da noch der Zeitaufwand. Gerade bei Pleura und Lunge muss man sich mit dem Patienten und der Technik auseinandersetzen. Viele Fragestellungen wie Pleuraerguss, Pneumothorax oder die Verlaufskontrolle bei der Lungenentzündung lassen sich gut mit Ultraschall durchführen, insbesondere die Lungenentzündung bei Kindern. Und beim Pleuraerguss ist Ultraschall die Methode der Wahl zur Diagnose und zur US-geleiteten Punktion. Sie ist der blinden Punktion eines Pleuraergusses unbedingt vorzuziehen.
Das heißt natürlich keineswegs, dass konventionelles Röntgen oder die Computertomographie (CT) per se schlecht sind. Sie müssen indiziert und nach der medizinischen Strahlenschutzverordnung gerechtfertigt sein.
Stammt das Lungenröntgen nicht noch aus dem Tuberkulosezeitalter?
Hier muss differenziert werden, denn Entzündung ist nicht gleich Entzündung. Sind Sie gesund, im mittleren Alter, stehen im Berufsleben und bekommen plötzlich Husten, Fieber und Auswurf, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine ambulant erworbene Lungenentzündung (englisch: community-acquired pneumonia – CAP). Sie wird sinnvollerweise mittels konventionellem Röntgen in zwei Ebenen diagnostiziert.
Bei Kindern sieht die Sache anders aus. Zwar ist auch hier das Lungenröntgen – aus Strahlenschutzgründen nur in einer Ebene – etabliert, allerdings sollte man diskutieren, ob man nicht einen solchen Verdacht zunächst mit einer Sonographie abklärt.
Es gibt Lungenentzündungen, die im Thoraxröntgen und in der CT, jedoch nicht im Ultraschall zu erkennen sind; vor allem atypische Lungenveränderungen. Historisch war das Lungenröntgen das erste bildgebende Verfahren zur Tuberkulosediagnose, deshalb werden in Öster-reich auch heute sämtliche Asylbewerber mit Lungenröntgen untersucht. Diese durch Ultraschall zu ersetzen wäre aus meiner Sicht völliger Unsinn, da man viele Tuberkuloseveränderungen im Ultraschall nicht sehen kann. Man muss individuell unterscheiden, welche Entzündung wahrscheinlich vorliegt, welcher Patient davon betroffen ist und wann Ultraschall gut eingesetzt werden kann.
Gibt es eigentlich Guidelines für die Sonographie der Lunge?
Soviel ich weiß, gibt es keine S3-Leitlinien für ambulant erworbene und/oder nosokomial erworbene Pneumonien, die den Ultraschall zur bildgebenden Diagnostik inkludiert. Lungenentzündungen sind eine häufige und gerade beim alten Patienten auch ernste Erkrankung. Würden wir bei allen Erkrankten eine Erstdiagnose mit Ultraschall fordern, wäre das aus meiner Sicht wenig sinnvoll, weil wir viele Pneumonien nicht erkennen könnten, aber auch organisatorisch wäre das im klinischen und ambulanten Umfeld gar nicht machbar.
Geht es darum, eine umfassende Diagnose bei einem schwerkranken Patienten mit Pneumonie zu stellen, muss man schon aus prognostischen Gründen erfahren, wie viele Lungenlappen betroffen sind oder ob eine einschmelzende oder eine abszedierende Pneumonie vorliegt. Das kann im Ultraschall nicht immer eindeutig abgegrenzt werden. Und für Veränderungen an den Bronchien, wie zum Beispiel durch einen Tumor oder Bronchiektasen, die zu einer Pneumonie führen, gilt dasselbe.
Sie sprechen über Röntgen, CT und Ultraschall, aber nicht über MRT?
Die MRT hat keine so gute räumliche Auflösung wie die moderne CT.
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mostbeck
Gerade bei Kindern mit einer angeborenen Erkrankung wie Mukoviszidose (zystische Fibrose) arbeiten mehrere Arbeitsgruppen und auch wir daran, Verlaufskontrollen dieser Erkrankung der Bronchien aus Gründen des Strahlenschutzes mit Magnetresonanztomographie (MRT) durchzuführen. Die MRT hat jedoch keine so gute räumliche Auflösung wie die moderne CT. Zudem wird die Diagnostik der Lunge durch die Bewegung bei der Atmung und die Herzpulsation erschwert. Die Lunge, die ja weitgehend luftgefüllt ist, erscheint in der MRT mehr oder weniger als schwarzes Loch. Dennoch gibt es zurzeit verstärkte Bemühungen, die MRT in der funktionellen Diagnostik der Lunge einzusetzen. Die Arbeitsgruppenergebnisse bleiben abzuwarten.
Profil:
Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mostbeck ist Vorstand des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Wilhelminenspital, und des Instituts für Röntgendiagnostik, Otto-Wagner-Spital, Wien. Ausbildung zum Facharzt für Radiologie an der Medizinischen Universität Wien. Seine Habilitation schrieb er zu 1990 zu einem sonographischen Thema. Von 2006 bis 2008 war er Präsident der Österreichischen Röntgengesellschaft; von 2002 bis 2005 Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (ÖGUM). Zudem war er Tagungspräsident des Ultraschall-Dreiländertreffens 2000 in Wien, des WFUMB-EFSUMB und Ultraschall-Dreiländertreffens 2011 in Wien und des ESGAR-Annual-Meetings 2014 in Salzburg.
Veranstaltung
Raum: A Schwarzhorn
Donnerstag, 24.09.2015, 15:52 Uhr
Pulmonale/Pleurale Infektionen – Röntgen und CT
Gerhard Mostbeck, Österreich
Session: Refresher Thorax: Wertigkeit der Sonographie versus andere Bildgebungen
23.09.2015