Interview • Lunge
Mehr Thoraxsonographie, bitte!
Die Zahl an Klinikern, die bei Verdacht auf Lungenembolie auf die bildgebende Abteilung und damit Computertomographie oder Magnetresonanztomographie zurückgreifen, nimmt zu. Das ist insofern bedauerlich, als die Thoraxsonographie gerade die Anschoppungsphase bei Lobär- oder Segmentpneumonien sehr präzise abbildet.
Auch Bronchopneumonien reichen oft bis an die Pleura und lassen sich in diesem Stadium sonographisch gut beurteilen. Prof. Gebhard Mathis, mehrfach ausgezeichneter Internist mit eigener Praxis, Experte und Pionier der Thoraxsonographie, möchte deshalb Kliniker zu häufigeren Nutzung des Ultraschalls ermuntern und nennt dafür ein paar gute Gründe.
In einem Ihrer Papiere stellen Sie die Hypothese auf, dass Kliniker gern Bilder von Radiologen anfordern, um sich abzusichern. Warum das?
Wir verfügen mit dem Ultraschall über ein Instrument, mit dem wir sehr gut diagnostizieren können, also sollten wir es auch einsetzen.
Prof. Gebhard Mathis
Ultraschall ist eine anwenderabhängige Untersuchung, während CT und MRT objektive und auch im Nachhinein zu analysierende Bilder machen. Zudem haben Kliniker damit auch eine andere Fachabteilung im Rücken, mit der sie den Fall besprechen können. Andererseits wird damit das klinische Denken nicht gefördert. Wir verfügen mit dem Ultraschall über ein Instrument, mit dem wir sehr gut diagnostizieren können, also sollten wir es auch einsetzen. Bei einer Lungenuntersuchung in der Notfallmedizin zum Beispiel hat das Stethoskop ein paar fundamentale Nachteile, denn etwa die Hälfte der Lungenentzündungen können wir damit nicht hören. Da lohnt es in jedem Fall, die Thoraxsonographie einzusetzen, um einen Verdacht zu verifizieren und die Stelle zu prüfen, an der der Patient die Schmerzen verspürt. Die ganze Untersuchung dauert etwa zwei, drei Minuten.
Gehört nicht ein geschultes Auge und erhebliches Wissen dazu, um Ultraschall beim Thorax erfolgreich anzuwenden?
Es gibt sehr gute Trainingsmodelle und der Ultraschallunterricht sollte bereits an den Universitäten beginnen. So gibt es großartige Möglichkeiten für Studenten, die Ultraschallmethodik zu erlernen, beispielsweise in den USA, an der Universität Maribor, in Marburg, aber auch in Danzig und Düsseldorf. In Europa gibt es zahlreiche Fortbildungen und Kurse zu diesem Thema. Ich selbst gebe weltweit Vorträge und Seminare zu Lungenultraschall und Thoraxsonographie und bekomme hinterher regelmäßig verwunderte Anrufe mit der Rückmeldung, dass die Technik tatsächlich funktioniert.
Bereits 2012 einigten sich die Fachgesellschaften in einer Konsensus-Konferenz in Italien darauf, dass der Thoraxultraschall bei Notfalluntersuchungen und zur Abklärung von Lungenentzündungen und Lungenembolien bestens zur Diagnose geeignet ist. Gerade die Anschoppungsphase von Lobär- oder Segmentpneumonien bietet gute Bedingungen für eine pathologische Schalltransmission. Auch Bronchopneumonien reichen oft bis an die Pleura und sind dann sonographisch einsehbar.
Insgesamt darf man sagen, dass die Wertigkeit der Thoraxsonographie bei Pneumonie heute in der Sofortdiagnostik beim klinischen Verdacht, Fieber und Dyspnoe, im Abschätzen begleitender pleuraler Flüssigkeit und in der rechtzeitigen Entdeckung von Abszessbildungen und Pleuraempyemen liegt. Zudem ist die Sonographie nicht nur diagnostisch einsetzbar, sondern kann auch therapeutisch zur Verlaufskontrolle insbesondere bei Schwangeren und Kindern genutzt werden. Selbst bei Tuberkulose und Lungengerüsterkrankungen ist die Sonographie in der Darstellung von geringen Pleuraergüssen und subpleuralen Konsolidierungen methodisch optimal.
Ist das in den entsprechenden Guidelines nicht eingeschlossen?
Zum Einsatz des Ultraschalls gibt es noch keine Guidelines, allerdings ist in den neuen Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Lungenembolie der Ultraschall wesentlich aufgewertet worden. Das hängt auch damit zusammen, dass man Strahlenexposition durch Röntgenverfahren vermeiden und generell die Kosten niedrig halten möchte.
Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit Ultraschall zukünftig häufiger Anwendung findet?
Bei meinen Veranstaltungen merke ich, dass sich das Ansehen des Verfahrens nach und nach verbessert – insbesondere in den USA und China. Aber es geht langsam, vor allem in Mitteleuropa. Das liegt an strukturellen oder kulturellen Gepflogenheiten, die hemmend wirken.
Was ist Ihr Anliegen beim Kongress in Davos?
Ich möchte die Ärzte dafür sensibilisieren, im Notfall bei Atemnot vermehrt den Schallkopf zu nutzen. Mit der Sonographie kann man zwischen einem Lungenödem aufgrund von Herzversagen oder einer verstärkten COPD-Exazerbation gut differenzieren. Diese Differenzierung dauert lediglich eine Minute.
Wir haben in der Diagnostik der Lungenembolie sozusagen zwei Silberstandards. Es gibt keinen Goldstandard, weil auch mittels CT nicht alles entdeckt wird. Es ist ein etwas hierarchisches Denken, dass das, was mehr kostet, auch besser ist. Dabei wird zu wenig bedacht, welche Methode welchen Vorgang physikalisch abbildet. Es gibt Diagnosen, bei denen der Ultraschall besser abschneidet als eine CT, und natürlich gibt es Diagnosen, bei denen die CT besser ist als der Ultraschall. Dasselbe gilt für die MRT. Es wäre gut, sich mehr Gedanken über die Physik und die Technik zu machen und auf dieser Grundlage über die jeweils anzuwendende Methodik für die Diagnose zu entscheiden.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft, um Ultraschall für die Kliniker wieder attraktiv zu machen?
Wenn jeder Kliniker innerhalb seiner Fachdisziplin Ultraschall einsetzt, spart das Manpower, Wege und zusätzliche Untersuchungen.
Prof. Gebhard Mathis
Die Kliniker müssen den Ultraschall und seine vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten erlernen. Verschiedene sonomorphologische Kriterien sind typisch für pneumonische Infiltrationen. Diese kann man sich aneignen. Der Untersuchende muss wissen, worauf er bei einem Bronchoaerogramm, einem Fluidobronchogramm oder der poststenotischen Pneumonie zu achten hat. Wenn jeder Kliniker innerhalb seiner Fachdisziplin Ultraschall einsetzt, spart das Manpower, Wege und zusätzliche Untersuchungen.
Profil:
Nachdem Prof. Gebhard Mathis verschiedene Stationen als Oberarzt und Primararzt im klinischen Bereich durchlaufen hatte, eröffnete der Internist im Jahr 2006 seine eigene Praxis in Rankweil, Österreich. Mathis ist neben anderen Tätigkeiten außerdem Präsident der Österreichischen Krebshilfe Vorarlberg und ehemaliger Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (ÖGUM). Er veröffentlichte über 140 wissenschaftliche Arbeiten sowie zwei Bücher und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Veranstaltung:
Raum: C Sanada
Mittwoch, 23.09.2015, 14:40 Uhr
Thromboembolie
Gebhard Mathis, Österreich
Session: Anwenderseminar„Ultraschall in der täglichen Praxis“
22.09.2015