Wer hat Angst vor Dr. House?

Fernsehärzte scheinen kein gutes Licht auf ihre echten Kollegen zu werfen. Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie kommt zu dem Ergebnis, dass Menschen, die ihren Serienärzten regelmäßig bei der Arbeit über die Schulter schauen, mehr Angst vor Operationen haben als andere. Gleichzeitig sind sie medizinsch oftmals schlechter informiert als Mitpatienten, die keine Fans von Dr. House & Co sind.

Dr. K. Witzel, Leiter der DGCH-Studie (Quelle: DGCH)
Dr. K. Witzel, Leiter der DGCH-Studie (Quelle: DGCH)

Unter der Leitung von Professor h.c. Dr. sc. hum. Dr. med. Kai Witzel, Leiter des Minimal Invasiven Centers in Hünfeld, fand das interdisziplinäre Team heraus, dass der überdurchschnittliche Konsum von Arzt- und Krankenhausserien zu unrealistischen Einschätzungen über den Krankenhausalltag führt. Deshalb fürchtet sich diese Patientengruppe auch stärker vor bevorstehenden stationären Klinikaufenthalten.

Für die Studie wurden 162 Patienten der Chirurgischen Universitätsklinik Salzburg über einen Zeitraum von 15 Monaten zu ihren Fernsehgewohnheiten und ihrer Angst vor Operationen befragt. Allen Studienteilnehmern stand eine Leistenbruch- oder Gallenblasen-OP bevor. Die Patienten wurden vor und nach dem stationären Aufenthalt mithilfe eines Fragebogens interviewt. Dabei war für die Mediziner von Interesse, wie viele Stunden pro Woche die Teilnehmer fernsehen und wie vertraut sie mit Arztserien sind. Sie fragten auch, wie realistisch Patienten das medizinische umfeld in Krankenhausserien einschätzen.

Die Studienergebnisse zeigen: Zuschauer, die mehr als 20 Stunden pro Woche fernsehen und Arztserien bevorzugen, können zwischen Realität und Fiktion bei der Darstellung von Operationen oftmals nicht unterscheiden, sondern nehmen "die Szenarien der Drehbuchschreiber im Fernsehen, die das tatsächliche Risiko einer Operation aus dramaturgischen Gründen übertreffen, für bahre Münze", so Prof. Witzel.

Die Angst vor einer bevorstehenden Operation scheint zudem altersabhängig: Über 70-
jährige Patienten bekunden ein signifikant niedrigeres Angstniveau als unter 40-Jährige.
„Dies steht zwar in scheinbarem Widerspruch dazu, dass nicht mehr im Beruf stehende
Menschen mehr Zeit mit Fernsehen verbringen“, sagt Professor Bauer. Der hohe TVKonsum
wirke sich jedoch bei ihnen nicht so entscheidend aus. Es liege daher der Schluss
nahe, dass ältere Patienten aufgrund ihrer Lebenserfahrung dem operativen Eingriff
gelassener entgegen sehen.

Quelle: „Einfluss des Fernsehkonsums auf die Angst vor einer Operation“; K. Witzel, C. Kaminski, G. Struve, H.J. Koch, DGCH Mitteilungen, Oktober 2008, Demeter Verlag: 332-336
 

19.12.2008

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