Weil Rheuma nicht gleich Rheuma ist

Bisher hat die Ganzkörper-Magnetresonanztomografie vor allem bei kardiovaskulären und onkologischen Fragestellungen Fuß gefasst. Die Rheumadiagnostik ist ein relativ neues Anwendungsgebiet für das Verfahren, bietet jedoch bei bestimmten Rheumaformen echte Vorzüge. Denn rheumatische Erkrankungen haben viele Gesichter.

PD Dr. Sabine Weckbach
PD Dr. Sabine Weckbach

Was im Volksmund allgemein als „Rheuma“ bezeichnet wird, die rheumatoide Arthritis, ist nur eine Variante von vielen. Denn was wenig bekannt ist: Es gibt auch rheumatische Erkrankungsformen, die z.B. multifokale Muskel- oder Gefäßentzündungen hervorrufen – und deshalb häufig falsch diagnostiziert werden. Hier kann die Ganzkörper-MRT frühzeitig Klarheit schaffen.

Dabei werden verschiedene Protokoll-Bausteine für Gelenke und Organe adaptiert und miteinander so kombiniert, dass mehrere Einzeluntersuchungen in nur einem Untersuchungsgang, im sogenannten „One-Stop-Shop-Verfahren“, zusammengefasst werden können. PD Dr. Sabine Weckbach, Oberärztin am Institut für Klinische Radiologie, Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität München, hat sich mit der Implementierung und klinischen Evaluation dieser Protokolle an ihrem Institut beschäftigt: „Für die rheumatischen Erkrankungen hatten wir bisher vor allem Untersuchungsprotokolle, die die Gelenke und die Wirbelsäule untersuchen. Es gibt aber auch Erkrankungsformen, die nicht nur das muskuloskelettale System befallen, sondern auch das Gehirn, Herz oder Nieren. Deshalb mussten wir die Standardprotokolle entsprechend anpassen.“

Das Verhältnis Radiologe – Rheumatologe

Um herauszufinden, welches individuelle Untersuchungsprotokoll ein Patient benötigt, ist es für den Radiologen wichtig, die Symptome des Patienten genau zu kennen. Die Hauptbeschwerden der Patienten von Dr. Weckbach liegen oft im Bereich der Wirbelsäule oder des Beckens, also an Gelenken, die tiefer im Körper gelegen sind und auf den ersten Blick häufig gar nicht mit rheumatischen Erkrankungen assoziiert werden. Welcher Verdacht auf ein Krankheitsbild vorliegt, ist nur im engen Kontakt mit dem Kliniker herauszufinden. Sabine Weckbach weiß jedoch, dass es gegenüber der MR-Bildgebung immer noch relativ viele Vorbehalte von Seiten der internistischen Kollegen gibt: „Viele scheuen sich noch, mit uns zusammenzuarbeiten. Die meisten Rheumatologen schallen oder röntgen die Patienten deshalb nur und wissen auch gar nicht um die exzellente Bildqualität, die wir erreichen können. Wir haben aber viele Kollegen, mit denen wir ausgezeichnet kooperieren.“

Vorbehalte abbauen

Da in der Rheumadiagnostik sehr häufig Niedrigfeldgeräte verwendet werden, hat sich die diagnostische Aussagekraft der hohen Feldstärken noch nicht flächendeckend herumgesprochen. Mit den höheren Feldstärken ist aber nicht nur eine hervorragende Darstellung von kleinsten Knochen- oder Knorpelveränderungen möglich, sondern die Untersuchungen gehen auch deutlich schneller, sodass eine Ganzkörper-Untersuchung heutzutage je nach Fragestellung in ca. 45 Minuten durchgeführt werden kann. Zusätzliche Geschwindigkeit in das Verfahren bringt auch die kontinuierliche Tischverschiebung, die zudem die Durchführung der Untersuchung deutlich einfacher macht.

Die Grenzen der Ganzkörper-MRT

Limitationen der Ganzkörper-MRT in der Rheumadiagnostik sieht Dr. Weckbach folgende: „In der Ganzkörperuntersuchung können die kleinen Hand- und Fußgelenke nicht mit derselben Detailgenauigkeit dargestellt werden wie bei Einzeluntersuchungen. Auch die Ellenbogengelenke bereiten uns noch Probleme, weil sie so randständig am Körper liegen. Gerade bei größeren oder korpulenteren Patienten lassen sie sich deshalb nicht optimal abbilden.“

Die Chancen der Ganzkörper-MRT

In vielen wissenschaftlichen Studien konnte der diagnostische Nutzen der MRT bei rheumatologischen Erkrankungen jedoch schon unter Beweis gestellt werden. Es lassen sich Entzündungsherde, z.B. an der Gelenkhaut, sehr früh detektieren, während bei der Röntgendiagnostik viele Veränderungen erst sichtbar werden, wenn der Knochen bereits betroffen ist. Auch Gelenke, die im Röntgen schlecht beurteilbar sind, sind in der MRT hervorragend darzustellen. „Das gilt beispielsweise für das Kreuzdarmbein, das bei Rheumapatienten häufig mitbetroffen ist“, so die Expertin.

Weckbach und ihr Team haben auf dem Gebiet der Ganzkörper-Diagnostik in der Rheumatologie geforscht und unter anderem eine Studie bei Patienten mit Psoriasisarthritis durchgeführt. Dabei hat sich herausgestellt, dass bei einem Großteil der Patienten das Therapieregime dank der Ganzkörper-MRT verändert werden konnte. Da die Münchner Kinderklinik auch ein großes Zentrum für Jugendliche mit chronisch rekurrierender multifokaler Osteomyelitis (CRMO) führt, können die Radiologen vielen jungen Patienten mithilfe der Ganzkörper-MRT schonende Verlaufskontrollen ohne Strahlenbelastung anbieten.

 

Veranstaltungshinweis

Saal Wachsmann
Fr, 18.05., 11:40 - 12:00 Uhr
MRT-Diagnostik rheumatischer Erkrankungen
Weckbach, S / München
Session: DRG trifft DGRh, Teil III - MRT

 


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Im Profil

PD Dr. Sabine Weckbach, Jahrgang 1978, wurde 2010 zur Oberärztin am Institut für Klinische Radiologie, Klinikum Großhadern der LMU München, ernannt. Sie gewann bereits zahlreiche wissenschaftliche Nachwuchspreise. Sie gehört zur Arbeitsgruppe Muskuloskelettale Radiologie der DRG und ist Mitglied in zahlreichen Fachgesellschaften.

Seit 2009 arbeitet sie an der Konzeption des Bildgebungsteils und an der Entwicklung des Ganzkörper-MRT-Protokolls der Nationalen Kohorte mit. Die Diagnostik von systemischen und multifokalen Erkrankungen mit der Ganzkörper-MRT gehört zu ihren Kerngebieten.
 

08.05.2012

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