Universitätsklinika dringen auf einheitliche Artikelidentifikation und -codes für Medizinprodukte

Um in den Krankenhäusern verwendete Medizinprodukte – hierzu gehören beispielsweises Katheter und Implantate – besser identifizieren und deren Gebrauch dokumentieren zu können, appellieren die Vertreter großer Krankenhäuser an die Hersteller, einheitliche, elektronisch lesbare Artikelcodes einzuführen.

Photo: Universitätsklinika dringen auf einheitliche Artikelidentifikation und...

Das Thema und die damit verbundene Forderung ist ein Schwerpunkt der Konferenz „Healthcare live!“, die am 28. und 29. Oktober im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden stattfindet. Auch die Einkaufsgemeinschaft UNICO – ein Zusammenschluss von 14 deutschen Universitätsklinika – drängt auf ein einheitliches Artikelidentifikationssystem mit entsprechenden Codes. Durch die enorme Vielfalt an Medizinprodukten sowie der großen Zahl an Herstellern stellt das Erfassen und elektronische Verarbeiten der jetzigen herstellerspezifischen Systeme einen sehr hohen Aufwand für Krankenhäuser dar. Ein standardisierter, maschinenlesbarer Artikelcode – vergleichbar mit dem der Konsumgüter – würde unter anderem im OP-Betrieb dafür sorgen, die Patientensicherheit trotz einer weiter steigenden Vielfalt an Produkten nachhaltig zu gewährleisten. Ein Pilotprojekt am Dresdner Uniklinikum zeigt, dass eine vor Ort vorgenommene elektronische Übersetzung bestehender Codes nicht ausreicht: Mitarbeiter scannen die Artikelnummern der wichtigsten Hersteller im OP ein, um die Artikeldaten nicht mehr per Hand übertragen zu müssen. Doch auch das neue System kann ein Fünftel aller im OP verwendeten Materialien nicht identifizieren.

Allein bei den Knie-Implantaten können Orthopäden heute auf mehr als 1.000 unterschiedliche Modelle und Varianten zurückgreifen. Selbst im Orthopädie-OP des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, wo nicht auf alle Typen dieser künstlichen Gelenke oder Gelenkoberflächen zurückgegriffen wird, fällt es selbst hoch spezialisierten Mitarbeitern schwer, den Überblick zu behalten. Ein Blick in die Vorbereitungsräume der Klinik für Orthopädischen Klinik im Operativen Zentrum des Dresdner Uniklinikums genügt, um einen Eindruck der Vielfalt an Medizinprodukten zu bekommen: laufende Meter raumhoher Schränke mit Implantaten, Schrauben, Muttern, Nägeln, Platten, Klemmen in unterschiedlichsten Größen, Formen und Materialien. Diese Medizinprodukte werden vor jeder Operation von Hand zusammengestellt: Mit einer Liste suchen die Mitarbeiter das Gewünschte heraus. Alle bei einer Operation verwendeten Produkte, die im Körper des Patienten bleiben, müssen nach dem Eingriff zusätzlich dokumentiert werden. Solange es kein einheitliches System der Artikelidentifikation für die Produkte gibt, werden die in langen Zahlenreihen verborgenen Informationen des Herstellers erst einmal von der Verpackung abgeschrieben.

Das Universitätsklinikum Dresden hat früh die Chancen eines einheitlichen Artikelcodes erkannt. „In allen Bereichen des Klinikums arbeiten wir an innovativen Konzepten, um die Patientenversorgung noch sicherer und effizienter gestalten. Da ist es nur konsequent, auch logistische Prozesse flächendeckend einzubeziehen“, sagt der Medizinische Vorstand des Universitätsklinikums Dresden, Prof. Michael Albrecht. In einem ersten Schritt erarbeitete das Klinikum ein Konzept, wie sich die Code-Vielfalt der Medizinprodukte-Hersteller hausintern in den Griff bekommen ließe. Gemeinsam mit einem Dresdner Softwarebüro entstand 2009 ein Programm, das den vom Scanner gelesenen Code in einen herstellerübergreifenden übersetzen kann. Parallel ermittelte das Klinikum die Informationen, die sich hinter der Ziffernfolge verbirgt und fügte sie in einer neuen klinikeigenen Artikelidentifikationsnummer wieder zusammen. Ausgangspunkt ist dabei die internationale GTIN (Global Trade Item Number). Hervorgegangen ist der Code aus der 13-stelligen Europäischen Artikelnummer (EAN). Allerdings wurde die Barcodekennzeichnung für die Medizinprodukte erweitert, um beispielsweise Chargennummern und Verfallsdaten zu integrieren.

Seit 2010 nutzt das Universitätsklinikum das selbst entwickelte Identifizierungssystem und den zur elektronischen Erfassung notwenigen Strichcode in einem Pilotprojekt: Im Operativen Zentrum verwenden die OP-Teams der Klinik für Orthopädie Scanner, um Medizinprodukte zu identifizieren und zu dokumentieren. Mit Erfolg: Das neue System beschleunigt die Arbeitsabläufe und erhöht gleichzeitig die Patientensicherheit, weil es die Gefahr einer Verwechslung eingesetzter Materialien weiter minimiert. Der Praxistest zeigt aber auch die Grenzen des Systems auf: „Gut ein Fünftel aller Medizinprodukte lässt sich trotz des mittlerweile ausgereiften Programms nicht anhand der Herstellernummer identifizieren. Mit einer rein hausinternen Lösung können wir die Möglichkeiten unserer EDV-Infrastruktur nicht in vollem Umfang nutzen. Deshalb sind jetzt die Hersteller gefragt: Ein einheitliches System der Artikelidentifikation mit einem maschinenlesbaren GS1-Code lässt die Effizienz der Krankenversorgung steigen und erhöht zudem die Patientensicherheit“, erklärt Wilfried Winzer, Kaufmännischer Vorstand des Universitätsklinikums.

Mit dieser Forderung steht das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden nicht allein da: Auch die 14 deutsche Universitätsklinika vertretende Einkaufsgemeinschaft UNICO drängt auf einen einheitliches System und hat bereits weitere Einkaufsverbünde – unter anderem von privaten Krankenhäusern für das Anliegen gewonnen. Ein solcher Code ist ein wichtiges Element zur papierlosen und EDV-gestützten Abwicklung des gesamten Beschaffungsprozesses. Dabei geht es um die elektronische Darstellung des gesamten Ablaufes von der Materialanforderung auf Station, über den Einkauf beim Lieferanten, bis zum tatsächlichen Wareneingang beim Besteller. „Mit einer einheitlichen Artikelkennzeichnung und deren Darstellung in einem GS1-Strichcode oder dem moderneren, zweidimensionalen GS1-Data Matrix Code wollen wir so schnell wie möglich die logistischen Prozesse in den Kliniken optimieren. Die Mitglieder der EK-UNICO haben sich hierzu bereits auf entsprechende Standards verständigt“, sagt Janko Haft. Der Leiter des Bereichs Logistik und Einkauf am Universitätsklinikum Dresden ist zugleich UNICO-Sprecher. Vorgeschlagene Standard-Barcodetypen sind EAN13, GS1 128, GS1-Data Matrix sowie die Pharmazentralnummer für Arzneimittel. Als Artikelidentifikation sollen GTIN beziehungsweise die Pharmazentralnummer eingesetzt werden.
 

Bildquelle: GS1 Germany

28.10.2010

Mehr aktuelle Beiträge lesen

Verwandte Artikel

Photo

Artikel • Medtech-Branche fordert Überarbeitung der Richtlinien

MDR & IVDR: Update oder Systemabsturz?

Seit ihrer Einführung sorgen die EU-Verordnungen über Medizinprodukte (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVDR) in der Branche für lange Gesichter: Zu kompliziert, zu bürokratisch, eine…

Photo

News • Jahresbilanz und Ausblick

Diagnostika-Industrie: Große Umbrüche, gedämpfte Erwartungen für 2023

Der VDGH stellte heute die Jahresbilanz 2022 vor. Themen waren unter anderem die Nachwirkungen der Pandemie, und ein Plädoyer für mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Photo

News • Maßnahmen zur Versorgungssicherheit

Energiesparen in Klinken: Eine enorme Herausforderung

Wegen der aktuellen Energiekrise sind auch Kliniken angehalten, ihren Energieverbrauch deutlich zu reduzieren. Das Universitätsklinikum Heidelberg gibt Einblicke, wie es diese Herausforderung angeht.

Newsletter abonnieren