Schaufensterpuppen machen auf die Kampagne „Klare Kante gegen Sexualisierte...
Schaufensterpuppen machen auf die Kampagne „Klare Kante gegen Sexualisierte Belästigung“ aufmerksam.

Bildquelle: Videostatement der Kampagne; Bearbeitung: HiE/Behrends

News • Verhalten am Arbeitsplatz

Uniklinika zeigen „Klare Kante“ gegen sexualisierte Belästigung

Die Universitätskliniken in Baden-Württemberg machen derzeit mit verschiedenen Aktionen auf das Thema sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz aufmerksam.

Nachdem Ergebnisse einer groß angelegten Umfrage an allen vier Universitätskliniken die Wichtigkeit des Themas aufzeigten, haben sich die Verantwortlichen dazu entschlossen, mit einer Kampagne über Sofortmaßnahmen, Anlaufstellen und Unterstützungsangebote umfassend zu informieren. Die Vorstände der Kliniken positionieren sich damit klar gegen jegliche Form von sexualisierter Belästigung: „Mit der Kampagne möchten wir ein Bewusstsein für sexualisierte Worte, Blicke oder Gesten, Anspielungen oder körperliche Übergriffe schaffen. Dort, wo Grenzen verschwimmen, müssen wir sensibilisieren, zum Einschreiten motivieren, klare Kante zeigen und insbesondere den Betroffenen, wo erforderlich, die nötige Hilfe und Unterstützung zukommen lassen sowie Konsequenzen einleiten“, sagt Prof. Dr. Udo X. Kaisers, Leitender Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am Universitätsklinikum Ulm (UKU) sowie Initiator der Mitarbeitenden-Befragung. 

Sexualisierte Belästigung ist kein Bagatelldelikt, sondern hat nach dem AGG arbeitsrechtliche Relevanz

Barbara Klingler-Volswinkler

Die Kampagne „Klare Kante gegen sexualisierte Belästigung“ wird jetzt an den vier Universitätskliniken in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm ausgerollt. Damit sollen möglichst alle Mitarbeiter über die Ergebnisse der internen Befragung zum Thema informiert und auf entsprechende Anlaufstellen aufmerksam gemacht werden. Außerdem sollen sie für das Thema sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz sensibilisiert werden, damit solches Verhalten verhindert oder frühzeitig gestoppt werden kann. „Wenn wir gemeinsam handeln, können wir ein Schutzort sein. Es ist die Aufgabe von uns allen, die Kollegen sowie auch alle uns anvertrauten Menschen im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) vor Belästigung zu schützen“, so die Beauftragte für Chancengleichheit am UKU, Barbara Klingler-Volswinkler. „Sexualisierte Belästigung ist kein Bagatelldelikt, sondern hat nach dem AGG arbeitsrechtliche Relevanz.“

Mit Postkarten und weiteren Aktionen machen die baden-württembergischen...
Mit Postkarten und weiteren Aktionen machen die baden-württembergischen Universitätskliniken auf das Problem der sexualisierten Belästigung aufmerksam.

Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg

Neben den Anlaufstellen für Betroffene sind verschiedene aufklärende Elemente ein zentraler Bestandteil der Kampagne. „Wachrütteln“ sollen an einigen Standorten zum Beispiel eine Postkarten-Aktion, Boden- bzw. Türaufkleber sowie eine Schaufensterpuppen-Ausstellung. Farbige Handabdrücke auf den Schaufensterpuppen und anzügliche Sprüche auf den Postkarten weisen auf mögliche Grenzüberschreitungen hin – immer in Zusammenhang mit dem Slogan „Klare Kante gegen Sexualisierte Belästigung“ und Informationen zu Hilfsangeboten, welche unter anderem auf der neu erstellten Website https://klare-kante-gegen-sexualisierte-belaestigung.de/ zu finden sind.

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Informationen zur Kampagne erhalten alle Mitarbeiter der vier Unikliniken auf einer gemeinsamen Landing-​Page.

Bildquelle: Universitätsklinikum Tübingen

Ausschlaggebend für die nun beginnenden Aktionen und Maßnahmen war eine im Jahr 2022 durchgeführte Umfrage an allen vier Universitätskliniken. Angeregt hatte diese Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am UKU. Auf Bundesebene hat er maßgeblich zur verbindlichen Einführung von Schutzkonzepten in Kliniken und Praxen in Deutschland, durch die Qualitätsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), beigetragen. Zentrales Anliegen der Umfrage war es, die Bedeutung eines oft tabuisierten Fehlverhaltens mit deutlichen Auswirkungen auf das Arbeitsklima und den gesamten Schutzraum Krankenhaus bewusst zu machen, potenzielle Handlungs- und Beratungsbedarfe zu ermitteln und besonders vulnerable Gruppen sowie Strukturen und Settings, die sexualisierte Belästigung begünstigen, zu identifizieren. Hierfür wurden Daten von insgesamt 9.905 Beschäftigten der vier Universitätskliniken ausgewertet. Dies entspricht 21% aller Beschäftigten. Insgesamt berichteten 71% der Befragten, jemals in ihrem Leben sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz erlebt zu haben, mehr als ein Drittel (37% der Befragten) berichtete von sexualisierter Belästigung innerhalb des letzten Jahres. Am häufigsten wurde sexualisierte Belästigung durch Kollegen und Patienten berichtet. Die Mehrheit gab außerdem an, eine verbale Form der sexualisierten Belästigung erlebt zu haben. Als häufigste Form der erlebten sexualisierten Belästigung wurden Abwertungen und Witze über Frauen, Männer, Trans-Personen oder Homosexuelle genannt. 

„Bei der Befragung haben wir uns bewusst für den Begriff 'sexualisierte Belästigung' entschieden, um zu verdeutlichen, dass es nicht um eine rein sexuelle Intention geht, sondern auch um die Ausübung von Macht und Kontrolle. Im Gesundheitssystem sind Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse häufig ausgeprägter als an anderen Arbeitsplätzen. Unter anderem findet sexualisierte Belästigung deswegen hier besonders häufig statt“, so Prof. Dr. Vera Clemens, stellvertretende Ärztliche Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie am UKU und Mit-Initiatorin und Projektleiterin der landesweiten Befragung an den Universitätskliniken in Baden-Württemberg. „Diskriminierendes Verhalten am Arbeitsplatz ist oft durch die Sexualisierung emotional aufgeladen und ein schambesetztes, tabuisiertes Thema. In den Folgen können sich tiefgreifende psychologische Belastungen, ein geringes Selbstwertgefühl sowie eine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung entwickeln. Es ist daher notwendig, ein Klima des Respektes zu schaffen, in dem sexualisierte Belästigung nicht toleriert wird.“

Diese Kampagne [...] verdeutlicht, dass wir den Betroffenen nicht nur Gehör schenken, sondern sie aktiv begleiten und dafür sorgen, dass Täter konsequent zur Verantwortung gezogen werden

Angelika Zimmer

Zur gemeinsamen Kampagne erklärt der Leitende Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Freiburg Prof. Dr. Frederik Wenz: „Als Arbeitgeber tragen wir eine besondere Verantwortung, ein sicheres und respektvolles Umfeld für unsere Mitarbeiter und Patienten zu gewährleisten. Im Rahmen der aktuellen Kampagne ‚Klare Kante gegen sexualisierte Belästigung‘ schärfen wir daher das Bewusstsein für grenzüberschreitendes Verhalten, treten solchem Verhalten entschieden entgegen und bauen unsere Unterstützungsangebote für Betroffene gezielt aus. Am Universitätsklinikum Freiburg arbeitet derzeit zudem ein interdisziplinärer Arbeitskreis an der Erweiterung des Handlungskonzepts.“ 

Die Beauftragte für Chancengleichheit des Universitätsklinikums Freiburg Angelika Zimmer ergänzt: „Betroffene von sexualisierter Belästigung haben Anspruch auf unsere uneingeschränkte Unterstützung. Mit niederschwelligen Hilfsangeboten und klaren Botschaften möchten wir ihnen signalisieren: Sie sind nicht allein. Diese Kampagne setzt ein deutliches Zeichen für unseren gemeinsamen Einsatz gegen sexuelle Belästigung und grenzüberschreitendes Verhalten. Sie verdeutlicht, dass wir den Betroffenen nicht nur Gehör schenken, sondern sie aktiv begleiten und dafür sorgen, dass Täter konsequent zur Verantwortung gezogen werden.“

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Bildquelle: Universitätsklinikum Ulm

Yvonne Dintelmann, Pflegedirektorin am Universitätsklinikum Heidelberg, unterstreicht: „Unsere Mitarbeitenden sorgen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr dafür, dass unsere Patienten bestens versorgt sind. Höchste Priorität hat hierbei, dass alle Menschen in den Kliniken sich sicher fühlen und ein respektvoller und wertschätzender Umgang herrscht. Die Umfrageergebnisse zeigen eindeutig, dass dies leider nicht immer gelingt. Hieran arbeiten wir gemeinsam im Verbund der baden-württembergischen Universitätskliniken. Wir zeigen klare Kante gegen sexualisierte Belästigung. Diese Kampagne ist dabei ein wichtiger erster Schritt, um aufzuklären und zu sensibilisieren.“ 

Martina Weihrauch Löffler, Beauftragte für Chancengleichheit am Universitätsklinikum Heidelberg, ergänzt: „Mit der Kampagne wollen wir bei unseren Mitarbeitenden das Bewusstsein schärfen, dass es sich bei sexualisierter Belästigung um ein Verhalten handelt, unter dem die Betroffenen massiv leiden. Dies nehmen wir sehr ernst. Zudem ermutigen wir Mitarbeiter, die von sexualisierter Belästigung betroffen sind, aktiv dagegen vorzugehen und entsprechende Vorkommnisse zu melden. Gemeinsam zeigen wir, dass sexualisierte Belästigung an den baden-württembergischen Universitätsklinika keine Chance hat.“

Wir tragen die Verantwortung, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das von Respekt, Würde und einem klaren Bekenntnis zu gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist

Daniela Harsch

Gabriela Liese, Beauftragte für Chancengleichheit am Universitätsklinikum Tübingen, sagt: „Ein großes Problem bei sexualisierter Belästigung ist ihre Tabuisierung. Wir wollen dieses Thema aus der Tabuzone holen und offen darüber sprechen, um unerwünschtes und würdeverletzendes Verhalten zu beenden und zu verhindern. Es handelt sich nicht um Bagatellen, sondern um strafbare Grenzverletzungen, die die betroffenen Personen und ihr Umfeld schädigen. Die standortübergreifende Kampagne verdeutlicht, wie ernst wir das Thema nehmen.“ 

Auch Dr. Daniela Harsch, Kaufmännische Direktorin Universitätsklinikum Tübingen, verdeutlicht die Wichtigkeit der gemeinsamen Kampagne „Wir tragen die Verantwortung, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das von Respekt, Würde und einem klaren Bekenntnis zu gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Unser Haus soll ein sicherer Ort für alle Mitarbeitenden und Patienten sein. Sexualisierte Belästigung hat bei uns keinen Platz und wird unter keinen Umständen toleriert. Es geht mir auch darum, Haltung zu zeigen: Wir müssen eine Kultur des Hinsehens und Handelns leben. Wer Grenzen überschreitet, stellt sich nicht nur gegen einzelne Personen, sondern gegen unsere Werte und das Fundament, auf dem unser Klinikum aufgebaut ist.“

Unikliniken erstellen Schutzkonzepte

Internationale Daten weisen auf eine insgesamt hohe Verbreitung von sexualisierter Belästigung am Arbeitsplatz hin und unterstreichen die hohe Relevanz einer respektvollen Unternehmenskultur

Udo X. Kaisers

Parallel zur Kampagne arbeiten die Universitätskliniken an der Umsetzung entsprechender Schutzkonzepte und Dienstvereinbarungen, um die Beschäftigten sowie Patienten vor diskriminierendem Verhalten sowie dessen Auswirkungen zu bewahren. Die Konzepte enthalten verschiedene Ansätze, die sich auch aus den Umfrageergebnissen ableiten. Eine Schlüsselrolle kommt zum Beispiel Leitungspersonen zu, die mit ihrer Führungsverantwortung diskriminierendem Verhalten entgegentreten sowie Fort- und Weiterbildungen zum Thema wahrnehmen sollten. Ein von der Deutschen Krankenhausgesellschaft kostenfrei zur Verfügung gestelltes E-Learning-Programm wird mit Weiterbildungspunkten der Ärztekammer Baden-Württemberg zur Thematik „Schutzkonzepte im Krankenhaus“ anerkannt: https://schutzkonzepte-krankenhaus.elearning-kinderschutz.de/ 

„Als Arbeitgebende haben wir die Pflicht, den Schutz vor Benachteiligung von Beschäftigten proaktiv und auch bereits vorbeugend sicherzustellen und geeignete Maßnahmen dafür zu ergreifen“, ergänzt Prof. Dr. Udo X. Kaisers. „Internationale Daten weisen auf eine insgesamt hohe Verbreitung von sexualisierter Belästigung am Arbeitsplatz hin und unterstreichen die hohe Relevanz einer respektvollen Unternehmenskultur. Die Umfrage sowie die daraus entstandenen Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt dorthin.“ 


Quelle: Universitätsklinikum Ulm

21.01.2025

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