Unfruchtbarkeit beim Mann kann genetische Ursachen haben: der neue Male Fertility Gene Atlas identifiziert unter anderem DNA-Bestandteile, die für Azoospermie sorgen

Bildquellen: Ciencias Españolas, Esperma, CC BY-SA 3.0 (Spermien) / Furiosa-L auf Pixabay (Hintergrund); Mashup: HiE/Behrends

News • Unerfüllter Kinderwunsch

Unfruchtbarkeit beim Mann Kernthema beim Urologenkongress

Ein Kind zeugen, Vater werden: Nicht immer geht der Kinderwunsch des Mannes in Erfüllung. Diagnostik und Therapie der männlichen Unfruchtbarkeit stellen eine große Herausforderung für andrologisch ausgebildete Urologen dar.

Neue Erkenntnisse bei der Suche nach genetischen Ursachen für die männliche Infertilität diskutiert die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) auf ihrer 73. Jahrestagung im kommenden Herbst im Internationalen Congresscenter Stuttgart. „Wenn aktuelle Forschungsergebnisse im klinischen Alltag Relevanz bekommen und neue individualisierte Therapieansätze ermöglichen, dann sind das sehr gute Nachrichten für die behandelnden Urologinnen und Urologen und ihre Kinderwunschpatienten“, sagt DGU-Präsident Prof. Dr. Dr. Arnulf Stenzl. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie, Tübingen, leitet die weltweit drittgrößte urologische Fachtagung vom 15. bis 18. September 2021 in Stuttgart.

portrait of sabine kliesch
Prof. Dr. Sabine Kliesch

Bildquelle: Universitätsklinikum Münster/Bertram Solcher

„Da die Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch zu gleichen Teilen beim Mann oder bei der Frau oder bei beiden liegen, ist es wichtig, beiden Partnern eine optimale Behandlungsoption anzubieten und aufseiten des Mannes mit einer verbesserten Diagnostik, Beratung und Behandlung durch den andrologisch versierten Urologen die große Behandlungslast von den Frauen zu nehmen“, erklärt Urologin Prof. Dr. Sabine Kliesch, Chefärztin der Abteilung für Klinische und Operative Andrologie am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) am Universitätsklinikum Münster und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA). Entscheidend dafür sei die Erforschung von genetischen Ursachen der männlichen Infertilität, denn bei 70 Prozent der Patienten mit schweren Fertilitätsstörungen sei keine offensichtliche Ursache erkennbar.

Einen Durchbruch brachte der sogenannte männliche Fertilitäts-Gen-Atlas (Male Fertility Gene Atlas), der von der klinischen Forschungsgruppe Male Germ Cells am Institut für Reproduktionsgenetik am Universitätsklinikum Münster und dem CeRA entwickelt wurde und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. „Mithilfe dieser Datenbank, die 2017 an den Start ging und die einen schnellen, einfachen Zugang zu Studien und genetischen Befunden zu männlicher Infertilität und Keimzellen bereitstellt, konnten in den letzten drei Jahren weitere Gene entdeckt werden, die für das Fehlen von Spermien im Ejakulat, der Azoospermie, verantwortlich sind“, sagt Prof. Kliesch. Ein Großteil der gefundenen Gene sei bereits in die Klinik überführt und Patienten könnten routinemäßig getestet werden.

Nach einer Erhebung des CeRA konnte der Anteil der Patienten, bei denen genetische Ursachen für eine Azoospermie gefunden werden von 20 auf 25 Prozent gesteigert werden. „Das Ergebnis der genetischen Untersuchung kann dann darüber entscheiden, ob eine TESE, also eine Spermienextraktion aus dem Hodengewebe, angezeigt ist, um Samenzellen für eine künstliche Befruchtung zu gewinnen, oder ob es keine Aussicht auf einen Behandlungserfolg gibt. In diesen Fällen können wir durch die verbesserte Diagnostik unnötige Operationen vermeiden“, so die Urologin und Vorsitzende des DGU Arbeitskreises Andrologie.

Außerdem können neuerdings Kinderwunschpatienten identifiziert werden, deren vermeintlich gesunde Samenzellen aufgrund eines kleinen genetischen Bauplanfehlers im Ionenkanal in der Zellmembran auf natürlichem Weg nicht fähig sind, eine Eizelle zu befruchten. „Diesen Paaren können wir eine lange Odyssee ersparen, denn wir wissen, dass bei diesem Defekt eine künstliche Befruchtung nur Erfolg haben wird, wenn im Rahmen einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion, der ICSI, ein Spermium direkt in die Eizelle injiziert wird“, erläutert Prof. Dr. Sabine Kliesch.

Entdeckt wurden zudem Genveränderungen, die bei Patienten mit relativ normalen Spermien und normalem Hormonprofil eine ausreichende Produktion des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und damit die Reifung der Keimzellen verhindern. „In diesen Fällen könnte eine Hormontherapie im besten Fall eine natürliche Befruchtung ermöglichen, was in einem nächsten Schritt in sehr komplexen und teuren klinischen Studien weiter untersucht werden muss“, sagt DGA-Präsidentin Kliesch, die dem Andrologie-Forum auf dem 73. DGU Kongress im September 2021 in Stuttgart vorsitzen wird. 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Urologie

22.07.2021

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