Pulmonalisangiographie bei akut aufgetretener Dyspnoe; Patientin mit Zustand...
Pulmonalisangiographie bei akut aufgetretener Dyspnoe; Patientin mit Zustand nach Bestrahlung und adjuvanter Chemotherapie bei Mamma-Ca
Links: Im Weichteilfenster bestätigt sich der Verdacht auf eine Lungenembolie nicht.
Rechts: Im Lungenfenster flaue zentrale Verdichtungen; Hinweis auf pneumocystis jirovecii.

Artikel • Pneumonie

Thoraxradiologie: Aus Fehlern lernen

Eine Brustkrebspatientin kommt mit schwerer Atemnot in die Notfallaufnahme und wird mit Verdacht auf eine Lungenembolie im CT untersucht. In der Bildgebung zeigen sich jedoch nur milde Lungenveränderungen, die auf die Behandlung des Mammakarzinoms zurückgeführt werden, kein Hinweis auf ein verstopftes Blutgefäß. Als sich die Patientin respiratorisch weiter verschlechtert, bittet der behandelnde Arzt um eine erneute Beurteilung des Thorax-CTs. Nach genauerem Hinsehen unter Berücksichtigung der Anamnese und klinischen Symptomatik wird klar: Die Frau leidet unter einer Pneumonie ausgelöst durch den Erreger Pneumocystis jirovecii, der fast ausschließlich bei immunsupprimierten Patienten vorkommt.

Report: Karoline Laarmann

Ein typisches Beispiel dafür wie ein vorschnell gefälltes Urteil zu einem fehlerhaften Befund führen kann und nur einer von mehreren Fällen, die Prof. Dr. Stefan Diederich auf einer RÖKO Digital-Session zum Thema "Fehlervermeidung in der Thoraxradiologie" präsentierte. Im Interview resümiert der Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Marienhospital Düsseldorf noch einmal zu den wichtigsten Vermeidungsstrategien.

Fehler darf man machen, aber man sollte denselben Fehler möglichst nur einmal begehen, lautet Diederichs Devise. Damit Radiologen aus ihren Irrtümern lernen können, brauchen sie Feedback. Im Krankenhaus, wo Gespräche mit den Überweisern an der Tagesordnung sind, sei dies sicherlich einfacher zu bekommen als in der Praxis, räumt der Düsseldorfer Institutsleiter ein. Er betont aber auch, dass Radiologen selbst dafür in der Verantwortung stehen, Feedback zu erlangen. So werden in seiner Abteilung u. a. Listen über Fälle geführt, bei denen sich der Befunder nicht ganz sicher war, ob er mit seiner Diagnose richtig oder falsch lag. Diese Fälle werden nach einigen Wochen noch einmal hervorgeholt, wenn weitere klinische Informationen vorliegen, z. B. ob der Patient anschließende Folgeuntersuchungen hatte oder was die Laborwerte ergeben haben. "Wenn sich eine Diagnose als nicht korrekt herausstellt, sollte man sein Wissen nicht für sich behalten, sondern auch im Team darüber sprechen, damit auch andere davon profitieren können", rät Prof. Diederich.

Immer freundlich bleiben

Fast noch wichtiger sei jedoch der Lerneffekt durch Fehldiagnosen in Fällen, in denen man sich mit seiner Einschätzung sicher war. Hier spielt eine wertschätzende Kommunikation die entscheidende Rolle: "Wenn ein Kollege aus der eigenen Abteilung oder ein Überweiser auf einen zukommt und sagt, der weitere Verlauf habe eine andere Diagnose ergeben, sollte man sich nicht verärgert zeigen. Das erstickt eine Kultur im Keim, in der man die eigenen Irrtümer genannt bekommt. Stattdessen sollte man sich bedanken. Das wird denjenigen, der den Fehler bemerkt hat, ermutigen, auch in Zukunft ohne größere Hemmungen eine Rückmeldung zu geben."

Fehlervermeidung nach Schema F

Um Fehler gar nicht erst entstehen zu lassen, empfiehlt Diederich eine systematische Analyse: "Wenn ich ein einzelnes Röntgenbild oder auch einen ganzen Datensatz an CT-Aufnahmen immer nach einem bestimmten Schema durchgehe und alle wichtigen Aspekte nacheinander abklopfe, laufe ich weniger Gefahr etwas zu übersehen, als wenn ich mich auf eine bestimmte Fragestellung stürze oder aufhöre, nach weiteren Befunden zu suchen, sobald ich eine Auffälligkeit entdeckt habe. Eine relativ simple Methode bei der CT ist es auch, jedes Organ einzeln zu beschreiben. Selbst wenn man zu jedem Organ nur einen Satz schreibt, ist man gezwungen, es sich vorher zumindest einmal anzuschauen."

Das große Ganze

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Prof. Dr. Stefan Diederich, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Marienhospital Düsseldorf.

Darüber hinaus sollte stets die klinische Situation in die Diagnose miteinbezogen werden. Denn diese gibt die Vortestwahrscheinlichkeit für eine bestimmte Erkrankung an. Ein aktuell besonders präsentes Beispiel dafür ist die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2. Das CT ist für eine COVID-Pneumonie hochsensitiv. Weil der Befund jedoch unspezifisch ist, müssen die klinischen Symptome, Laborwerte und potenzielle Risikokontakte stimmen, um aussagen zu können, ob es sich höchstwahrscheinlich um eine COVID-Pneumonie handelt oder nicht.
"Die drei Fragen, die wir uns immer stellen sollten, sind: Hat der Befund die klinische Fragestellung beantwortet? Sind die Symptome geklärt? Und passt der Verlauf zu meinen Erwartungen?", fasst Diederich zusammen. "Wenn etwas nicht passt, muss ich eventuell nochmal einen Schritt zurückgehen und überprüfen, ob auch andere Diagnosen in Frage kommen."

Profil:

Prof. Dr. Stefan Diederich ist seit 18 Jahren Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Marienhospital Düsseldorf. Er war 2014 Kongresspräsident des 95. Deutschen Röntgenkongresses/7. Gemeinsamen Kongresses von DRG und ÖRG und 2017 Tagungspräsident des International Cancer Imaging Society Meetings. Er wurde mit dem Hanns-Langendorff-Preis der Vereinigung Deutscher Strahlenschutzärzte sowie der Hanns-Langendorff-Stiftung (2000) und dem Eugenie-und-Felix-Wachsmann-Preis der Deutschen Röntgengesellschaft (2006) ausgezeichnet. Diederich hat bisher mehr als 130 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht und über 500 wissenschaftliche Vorträge in Deutschland, Europa und Nordamerika gehalten.

15.09.2020

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