Artikel • Auswertung radiologischer Aufnahmen

Texturanalyse: Tiefe Einblicke in Pathologien der Lunge

Die Analyse von Intensitätswerten eines Gewebes kann wertvolle Hinweise auf das Vorhandensein pathologischer Veränderungen liefern. Auf dem gemeinsamen Kongress der Österreichischen und Bayerischen Röntgengesellschaften in Salzburg sprach Dr. Martin Watzenböck über den vielversprechenden Ansatz der Texturanalyse und seine Vorteile bei der Klassifikation von Lungenrundherden und anderer Pathologien der Lunge.

Artikel: Wolfgang Behrends

portrait of martin watzenböck
Dr. Martin Watzenböck

„Textur im radiologischen Sinne beschreibt die räumliche Heterogenität von intensitätswerten eines Bildes“, erklärt der Arzt in Facharztausbildung für Radiologie an der Medizinischen Universität Wien. „Die Texturanalyse beschreibt diese Heterogenität innerhalb eines Areals mittels statistischer Methoden.“ Bestimmte Textureigenschaften (Features) werden berechnet und untersucht, ob diese mit phänotypischen biologischen Daten korrelieren. Ein Algorithmus wertet diese Daten aus und gibt Hinweise auf suspekte Areale. 

Radiomics und Deep Learning: Texturanalyse im Turbomodus

Durch die Analyse quantitativer Bildmerkmale – auch bekannt als Radiomics – lässt sich dieser Ansatz sogar noch weitertreiben, so Watzenböck: „Radiomics ist nichts anderes als eine Texturanalyse auf Steroiden. Damit lassen sich nicht nur einzelne Gewebe-Features herausziehen, sondern Hunderte, wenn nicht Tausende. Die Feature-Extraktion passiert im Hochdurchsatz.“ 

Deep Learning geht sogar noch einen Schritt weiter, denn hier ist meist nicht einmal mehr die Definition ein Areal zur Untersuchung notwendig: „Die mathematischen Modelle sind so komplex, dass sie selbst die Region of Interest definieren können und auch selbst etwaige Features definieren, ohne dass diese vorgegeben werden müssen. Das Modell selbst sucht sich diese Features und unterzieht sie dann auch selbst einer statistischen Analyse.“ 

Vielversprechender Helfer für den Befunder

Die bisherige Forschung zur Texturanalyse konzentriert sich unter anderem auf die Klassifikation von Lungenrundherden in benigne und maligne Herde.1,2 Weitere Ansätze betrachten die Lungen im Allgemeinen, beispielsweise zur Vorhersage von Outcomes, Überleben und Therapieansprechen bei Lungenkrebs. Ein weiterer großer Faktor sind interstitielle Lungenerkrankungen wie die Lungenfibrose. Erste Studien haben hier bereits vielversprechende Erkenntnisse geliefert, die etwa für die weitere Therapieplanung herangezogen werden könnten. 

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Aus Läsionen eines NSCLC (non small cell lung cancer) extrahierte Textureigenschaften und deren Änderung im CT nach Kontrastmittelgabe

Bildquelle: Dr. Watzenböck

Der Analyse-Algorithmus ist demnach ein wertvoller Helfer, ersetzt den menschlichen Befunder jedoch nicht, betont Watzenböck: „Hier ist immer noch der Untersucher unbedingt notwendig, um das Vorhandensein einer Pathologie zu erkennen. Wo die Texturanalyse aber vielversprechend ist, ist die Prädiktion oder Einordnung: Wie relevant ist eine Veränderung, die der menschliche Untersucher erkannt hat?“ 

Mathematische Parameter, die aus den Bilddaten gezogen werden, liefern beispielsweise Hinweise auf entzündliche Veränderungen, interstitielle Lungenveränderungen oder Tumoren. „Gerade die Unterscheidung zwischen benignen und malignen Veränderungen ist hier ein wichtiges Thema“, erklärt der Experte. Während die Zuordnung durch menschliche Untersucher nur begrenzte Sensitivität und Spezifität zeigt, lassen sich die Ergebnisse mithilfe von Deep-Learning-Methoden deutlich verbessern.3 

Andererseits handelt es sich beim Deep-Learning-Ansatz um eine Black Box: Der Untersucher erhält nur das Ergebnis – welche Gewebe-Features der Algorithmus für seine Einschätzung einbezogen hat, bleibt unklar. „Zwar gibt es Ansätze, mit denen man gewissermaßen die Denkweise des Algorithmus nachvollziehen kann – aber das ist wesentlich aufwendiger und schwieriger als in der herkömmlichen Texturanalyse“, gibt der Experte zu bedenken.

Reproduzierbarkeit bleibt eine Herausforderung

Damit die Texturanalyse den Sprung von der Forschung in die klinische Anwendung schafft, muss allerdings noch das Problem der Vergleichbarkeit gelöst werden. „Aktuell ist noch unzureichend erforscht, wie sehr externe Faktoren – also solche, die nicht direkt mit der etwaigen Pathologie des Patienten zu tun haben – diese Texturanalysen beeinflussen“, erklärt Watzenböck. 

Seit dem Aufkommen von Radiomics um 2012 gab es eine regelrechte Explosion an Studien zu diesem Thema und trotzdem sind wir noch nicht da, wo wir sein wollten. Ein offener Zugang zu den Daten würde sicherlich sehr helfen

Martin Watzenböck

So haben Untersuchungen in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Scanner unterschiedlicher Hersteller das Ergebnis beeinflussen.4 Neben untersucherabhängigen Variablen spielt zudem das Kontrastmittel eine wichtige Rolle – insbesondere in der Lungenradiologie, betont der Experte. „Noch ist unklar, wie reproduzierbar die Ergebnisse über verschiedene Datensätze und über verschiedene Zentren sein werden. Dadurch ist die klinische Anwendbarkeit derzeit, wenn überhaupt, nur sehr beschränkt.“

Plädoyer für offene Forschung

Die Standardisierung der Abläufe wäre eine Möglichkeit, die Vergleichbarkeit zu erhöhen – besser noch wäre allerdings eine Identifizierung von Signalen und Merkmalen, die über verschiedene Scannertypen, Sequenzen und Untersucher hinweg konstant nachweisbar sind, erklärt Watzenböck: „Das wäre natürlich der Idealfall, denn dann muss man in den klinischen Protokollen relativ wenig ändern.“ Die aktuellen Studien zu diesem Thema seien mit jeweils nur wenigen Hundert Fällen jedoch schlicht zu klein, um solche Parameter zuverlässig auszumachen. „Um Textur-Features zu finden, die konstant mit klinisch relevanten Parametern assoziiert sind, brauchen wir große multizentrische Studien, die zeigen, ob es solche Merkmale überhaupt gibt und ob sie über verschiedene Zentren reproduzierbar sind.“ Auch die offene Verfügbarmachung von Forschungsdaten würde die Texturanalyse stark voranbringen – dies geschehe bislang jedoch selten, stellt der Experte bedauernd fest. „Seit dem Aufkommen von Radiomics um 2012 gab es eine regelrechte Explosion an Studien zu diesem Thema und trotzdem sind wir noch nicht da, wo wir sein wollten. Ein offener Zugang zu den Daten würde sicherlich sehr helfen.“ 


Quellen:

  1. Ganeshan et al.: Quantifying tumour heterogeneity with CT; Cancer Imaging 2014
  2. Bashir et al.: Imaging Heterogeneity in Lung Cancer: Techniques, Applications, and Challenges; American Journal of Roentgenology 2016  
  3. Ardila et al.: End-to-end lung cancer screening with three-dimensional deep learning on low-dose chest computed tomography; Nature Medicine 2019
  4. Espinasse et al.: CT Texture Analysis Challenges: Influence of Acquisition and Reconstruction Parameters: A Comprehensive Review; Diagnostics 2020

25.10.2022

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