E-Health
Telemedizin gehört in die Regelversorgung
Internationale Studien zeigen, dass der Blutdruck von telemedizinisch versorgten Patienten besser eingestellt ist als bei Patienten unter Standardbetreuung. Zur telemedizinischen Versorgung gehört auch, dass die zu Hause gemessenen Blutdruckwerte automatisch elektronisch an den Arzt übertragen werden, der die Therapie steuert. Das Telemonitoring des Blutdruckes verbessert die Datenqualität und ermöglicht eine Behandlung auch in der Ferne und über räumliche Distanzen – immer unter der strengen Datenschutzkontrolle des Sozialrechts. „Das Potential der Telemedizin muss nun endlich in der Regelversorgung verankert und entsprechend honoriert werden“, fordert Professor Dr. med. Martin Middeke aus München.
„Die Zeit ist längst reif dafür“, meint der Hypertonieexperte. Middeke ist Mitglied der im November gegründeten Kommission Telemedizin der Deutschen Hochdruckliga DHL. Damit Patienten von den modernen Techniken profitieren können, müsse die Politik die entsprechenden regulatorischen Weichen in Richtung Telemedizin und E-Health stellen. Um diese Prozesse zu beschleunigen, plant die DHL eigene Schritte.
Schon die automatische Weitergabe des zu Hause gemessenen Blutdrucks, von Körpergewicht und Schrittzählerdaten verbessert die Behandlungsqualität und deren Erfolg. Der Arzt sieht sich die Werte regelmäßig an. Bei Bedarf wird er außerdem automatisch informiert wenn die Werte die individuellen Grenzen des Patienten übersteigen, und kann entsprechend reagieren. Die Therapie steuert der Arzt über verschiedene sichere Kommunikationskanäle. Insbesondere bei Patienten, die weit entfernt von der nächsten Arztpraxis leben, hilft die Technik. Aber auch bei Risikogruppen ermöglicht sie die nötige engmaschige Kontrolle: etwa bei Bluthochdruckkranken mit schwer einstellbarer Hypertonie, nach einer komplexen Medikamentenumstellung oder -neueinstellung und bei anderen therapeutischen Problemen. Der zusätzliche Einsatz der Telewaage ist besonders geeignet für Patienten mit Übergewicht und Adipositas, mit Diabetes mellitus Typ 2 oder einer chronischen Herzinsuffizienz. Auch Schwangere mit einer hypertensiven Erkrankung profitieren von der Telemedizin.
Budgetgrenzen zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung behindern die Einführung der Telemedizin für Hypertoniker. Die in der DHL zusammengeschlossenen Mediziner setzen sich deshalb bei den Krankenkassen und dem Gesetzgeber für die Einführung der Telemedizin ein. „Wir möchten nicht auf Vorgaben des Gesetzgebers warten und suchen Kooperationspartner, die mit uns im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten entsprechende Projekte umsetzen“, so Professor Middeke.
Die DHL wirft auch einen kritischen Blick auf die digitalen Gesundheitshelfer außerhalb der unter strengen Datenschutzauflagen der Sozialgesetzgebung stattfindenden telemedizinischen Überwachung und ärztlichen Begleitung. „Denn nicht alle Softwareanwendungen wie Apps für Mobiltelefone und Tablets sind zu empfehlen“, sagt Diplom-Volkswirt Mark Grabfelder, Geschäftsführer der DHL. „Derzeit erarbeiten wir Kriterien, die mobile E-Health Angebote erfüllen müssen.“ Der Softwareanbieter muss beispielsweise das deutsche Datenschutzrecht einhalten: Er sollte den Nutzer umfassend darüber informieren, wie er dessen Daten verwendet, denn bei kostenlosen Anwendungen bezahlt der Nutzer vielfach mit eben diesen. Die Hochdruckliga fordert zudem, dass Fachmediziner die Apps mit entwickeln und dass darauf geachtet wird, dass aktuellste wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen und Experten namentlich genannt sind. Häufig steht im Kleingedruckten einer App, dass Anbieter keine Haftung für etwaige Fehlanwendungen übernehmen – auch das sei nicht akzeptabel. Zudem müssten mobile Anwendungen, die gesetzlich als Medizinprodukt einzuordnen sind, als solches auch vom Anbieter deklariert werden, erläutert Grabfelder: „Eine reine Speicherung von Vitaldaten macht die App noch nicht zum Medizinprodukt. Das verhält sich anders, wenn die elektronische Anwendung durch ein Analysieren, Alarmieren oder Risikoscreening Einfluss auf die Entscheidungen des Benutzers nimmt.“
Studien zufolge ließen sich rund 50 Prozent der Herzinfarkte und Schlaganfälle durch eine rechtzeitige und wirksame Behandlung des Bluthochdrucks verhindern. Inzwischen sind zwar, auch Dank der Aufklärungsarbeit der DHL, weit mehr als die Hälfte aller Bluthochdruckkranken in Deutschland erfolgreich behandelt; doch viele Hypertoniker wissen entweder noch gar nicht um ihre Erkrankung oder sie erreichen durch die Therapie ihre Ziel-Blutdruckwerte nicht, warnen die Experten der DHL. Die Kommission für Telemedizin und E-Health der DHL hat deshalb im Rahmen des 39. wissenschaftlichen Jahreskongresses ihre Arbeit aufgenommen, um bestehende Lücken zu identifizieren und zu schließen.
Quelle: Deutsche Hochdruckliga
Lesen Sie hier ein Interview mit Prof. Middeke!
11.12.2015