Ein nicht ausgefüllter Organspendeausweis wird von der Hand einer Frau in die...

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News • „Opt-out“-Regelung als potenzielle Quelle für Spenderorgane

Studie zu Organspende: Widerspruch löst Organknappheit wohl nicht

2024 spendeten bundesweit 953 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe – bei etwa 8.600 Patienten, die ein Organ benötigten. Könnte man diesem Missverhältnis begegnen, indem einer Spende nicht zugestimmt, sondern widersprochen werden muss?

Ein Forschungsteam unter Beteiligung der Universität Hamburg kommt zu dem Schluss, dass sich die Zahl der Organe dadurch nicht zwangsläufig erhöhen würde. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „PNAS Nexus“ veröffentlicht

In Hamburg ist die Zahl gespendeter Organe 2024 von 154 auf 160 leicht gestiegen. Deutschlandweit wurden allerdings 0,8% weniger Organe gespendet als 2023. Insgesamt schwankt die Spendenbereitschaft stark und es gibt in der Politik immer wieder Diskussionen darüber, die Organspende rechtlich anders zu regeln. Ein Vorschlag ist die sogenannte „Opt-out“-Lösung: Alle Menschen in Deutschland sollen grundsätzlich als Spender gelten – es sei denn, sie widersprechen aktiv. So sollen mehr Organe für Transplantationen verfügbar gemacht werden.

Menschen, die in Ländern mit ‚Opt-out‘-Systemen leben, empfinden das Organangebot als ausreichender und sind daher weniger bereit, sich als Lebendspender zur Verfügung zu stellen

Michel Clement

Eine aktuelle Studie, an der Forschende der Business School der Universität Hamburg beteiligt waren, zeigt nun, dass sich dadurch die Zahl der Organe nicht zwangsläufig erhöhen würde. Ein Vergleich von Daten aus 24 Ländern ergibt, dass die Länder, die von der Zustimmungsoption zur Widerspruchslösung wechselten, einen Rückgang der Lebendspenden verzeichneten. Ihre Zahl verringerte sich im Schnitt um bis zu 29%. Gleichzeitig stiegen die sogenannten postmortalen Spenden mit der Widerspruchslösung nur um durchschnittlich 7%, da es zwar potenziell mehr Organe nach Todesfällen gibt, diese aber nicht immer für Spenden verwendet werden können. Insgesamt standen damit nicht mehr Organe zur Verfügung. 

Unter Leitung von Prof. Dr. Michel Clement haben Forschende der Universität Hamburg und der Wirtschaftsuniversität Wien zudem experimentelle Studien mit mehr als 5.000 Teilnehmenden durchgeführt, um zu untersuchen, wie sich die Umstellung von einer „Opt-in“- auf eine „Opt-out“-Regelung auswirken würde. In Österreich gilt – im Gegensatz zu Deutschland – bereits das sogenannte „Opt-out“-Prinzip. 

„Wir haben vergleichende Analysen der Spendenzahlen vorgenommen und parallel in beiden Ländern Befragungen zur Spendenbereitschaft durchgeführt. Im Fokus standen Szenarien mit verschiedenen Regelungen und die Auswirkungen“, erklärt Prof. Dr. Michel Clement. Der Professor für Marketing und Medien an der University of Hamburg Business School ergänzt: „Die Ergebnisse bestätigen den Verdrängungseffekt der Datenanalyse: Menschen, die in Ländern mit ‚Opt-out‘-Systemen leben, empfinden das Organangebot als ausreichender und sind daher weniger bereit, sich als Lebendspender zur Verfügung zu stellen.“ Das gelte zwar nicht für Spenden an engste Familienangehörige, aber für sogenannte „altruistische Spenden“ an den entfernteren Familienkreis, Bekannte oder gar Fremde. 

In Deutschland machten Lebendspenden 2024 laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation 18,6% aller Transplantationen aus. Insbesondere Nieren und Teile der Leber werden von lebenden Spendern auf Empfänger übertragen. In Deutschland warteten 2024 fast 6.400 Menschen auf eine Spenderniere. Die Autoren der Studie empfehlen, bei der Diskussion über die Einführung von ‚Opt-out‘-Systemen mögliche Verdrängungseffekte zu berücksichtigen. „Auch eine Widerspruchsregelung sollte Teil einer Gesamtstrategie sein, die vor allem auf Aufklärung, Diskussionen und eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema setzt“, so Prof. Clement. 


Quelle: Universität Hamburg 

30.10.2025

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