Zwei Chirurgen schauen auf ein Gerät zur Maschinenperfusion von Organen
Die normotherme Maschinenperfusion: Die Spenderleber wird unter körperähnlichen Bedingungen durchspült und kann sich von Transport und Lagerung auf Eis erholen. Besteht sie den strengen Qualitätscheck, kann sie transplantiert werden.

© Charité | Nathanael Raschzok 

News • Reaktion auf Mangel an Spenderlebern

Organspülung macht „Mängelexemplare“ bereit für Transplantation

In Deutschland sind weit weniger Spenderlebern verfügbar als benötigt werden – das ist ein Mangel, der Leben kostet.

Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin will die Wartezeit auf eine Lebertransplantation für viele Betroffene nun verkürzen. Dazu identifiziert es aus Organen, die zunächst als nicht transplantabel deklariert wurden, solche, die sich doch für die Transplantation eignen. Der Schlüssel: Die Maschinenperfusion, eine Art „Wohlfühl-Organspülung“, bei der sich die Spenderlebern vom Transport erholen können und die eine eingehende Qualitätsprüfung ermöglicht. Sollte die Studie Erfolg haben, könnte sich die Zahl der verfügbaren Spenderlebern in Zukunft deutlich erhöhen. 

Wir wollen mittels normothermer Maschinenperfusion Spenderlebern vermitteln, die sonst verworfen worden wären

Nathanael Raschzok

Das Warten auf eine Transplantation ist lang. Manchmal zu lang: Bis zu einem Drittel der Menschen, die eine Lebertransplantation benötigen, werden während der Wartezeit zu krank für den Eingriff oder versterben an ihrer Erkrankung. „Leider wird die Situation immer schlimmer, weil immer weniger Organe gespendet werden“, sagt Prof. Nathanael Raschzok. Er ist geschäftsführender Oberarzt an der Chirurgischen Klinik der Charité und leitet die jetzt gestartete ExTra-Studie. „Wir wollen mittels normothermer Maschinenperfusion Spenderlebern vermitteln, die sonst verworfen worden wären, und so die Wartezeit bis zur Transplantation für Menschen reduzieren, die weiter unten auf der Warteliste stehen.“ 

Bei der normothermen Maschinenperfusion wird das Organ mit einer nährstoff- und sauerstoffhaltigen Blutersatzflüssigkeit durchspült – und zwar bei Körpertemperatur. Die körperwarmen Bedingungen sollen dem Gewebe Zeit für die Regeneration geben, denn standardmäßig werden Organe nach der Entnahme auf Eis gekühlt, um Schäden während des durchblutungsfreien Transfers möglichst gering zu halten. „Das Kühlen eignet sich gut für topfitte Organe“, erklärt Nathanael Raschzok. „Es gibt allerdings auch weniger fitte, aber funktionsfähige Organe, die einen gekühlten Transport und die Lagerung auf Eis nicht so gut überstehen.“ 

Das macht sich bemerkbar, sobald die Organe auf Körpertemperatur erwärmt und dadurch wieder besser mit Blut versorgt werden – es kommt zum sogenannten Reperfusionsschaden. Er tritt auf, wann immer ein Gewebe nach einer Unterbrechung der Blutversorgung wieder stärker durchblutet wird. Bei der Transplantation von Organen ereignet sich der Schaden normalerweise im Körper des Empfängers und kann zu Abstoßungsreaktionen oder sogar einem Versagen des Transplantats führen. Sind die Organe nicht in einem optimalen Zustand, fällt das Phänomen stärker ins Gewicht als sonst.

Prof. Nathanael Raschzok (rechts) bereitet eine Leber für die Transplantation...
Prof. Nathanael Raschzok (rechts) bereitet eine Leber für die Transplantation vor.

© Charité | Kilian A. Walter 

Mithilfe der Maschinenperfusion wird die Wiederdurchblutung vorverlegt und findet außerhalb des Körpers statt. „Indem wir die Organe nach dem gekühlten Transport für einige Stunden unter ‚Wohlfühlbedingungen‘ für die Transplantation vorbereiten, geben wir ihnen Zeit für die Erholung, Schadstoffe können in Ruhe ausgewaschen werden“, erläutert Nathanael Raschzok. „Das macht die Transplantation weniger kompliziert und sicherer. Außerdem erweitern wir das Zeitfenster, in dem die Transplantation stattfinden muss.“ 

Dieses Zeitfenster nutzt das Klinikteam für eine eingehende Qualitätsprüfung von Spenderlebern, die bisher als nicht transportabel oder für eine Transplantation geeignet eingestuft worden wären. Da die Organe während der Maschinenperfusion stoffwechselaktiv sind, lässt sich bestimmen, wie gut sie beispielsweise Galle produzieren oder Laktat ausscheiden. „An diese Funktionsmessung legen wir besonders strikte Kriterien an“, betont Nathanael Raschzok. „Erste Studien haben gezeigt, dass Lebern, die den Qualitätstest bestehen, erfolgreich transplantiert werden können.“ 

In der ExTra-Studie werden die geprüften und als funktionsfähig bewerteten Organe Patienten mit einem sogenannten Re-MELD-Natrium-Score bis maximal 21 Punkten angeboten, deren Lebererkrankung also eine Transplantation nötig macht, aber noch nicht als hochdringlich eingestuft wird. An der Studie werden 18 der 19 universitären Leber-Transplantationszentren in Deutschland teilnehmen, vier Zentren haben bisher die Arbeit aufgenommen. Eine erste „gerettete“ Spenderleber konnte an der Charité bereits erfolgreich transplantiert werden. 

„Wir hoffen sehr, dass wir mit der ExTra-Studie die Zahl der geeigneten Spenderlebern erhöhen und so die quälende Wartezeit der Betroffenen verkürzen können“, sagt Nathanael Raschzok. Sollte sich die Hoffnung bestätigen, könnte die Technik zum neuen Standard in der Lebertransplantation werden – und viele Menschenleben retten. In Deutschland werden jedes Jahr über hundert Spenderlebern aussortiert, die sich für die Organspülung eignen. „Wir schätzen, dass die Hälfte dieser Organe transplantierbar wäre, wir mit dem Verfahren in Deutschland pro Jahr also 50 Lebern oder mehr zusätzlich transplantieren könnten“, betont der Studienleiter. 


Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin 

17.10.2025

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