Eine Radiologin mit Mund-Nasen-Schutzmaske legt einem liegenden Patienten eine...
In vielen Ländern erhalten Patienten eine Bleischürze zum Schutz vor Strahlung bei CT- oder Röntgenuntersuchungen. In Österreich ist die Pflicht zum Anlegen des Bleischutzes seit August 2023 weggefallen.

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Artikel • (Schwerer) Abschied von der Bleischürze

Strahlenschutz: Alles falsch gemacht?

Seit etwas mehr als einem Jahr müssen Patienten in Österreich bei bildgebenden Verfahren wie Röntgen- und CT-Untersuchungen keine Bleischürze mehr anlegen. Die neue Empfehlung, die von den fünf Fachgesellschaften für Strahlenschutz und Bildgebung des Landes erteilt wurde, sorgte jedoch nicht bei allen Radiologietechnologen für Begeisterung. Auf dem Jahreskongress der Fachgesellschaft rtaustria ordnete Präsidentin Sabine Weissensteiner die neue Regelung und ihre bisherige Umsetzung ein.

Bericht: Wolfgang Behrends

„Haben wir alles falsch gemacht?“ Mit dieser Frage brachte die Expertin die Verunsicherung durch die neue Empfehlung auf den Punkt. Denn zum einen fragten sich nun die Radiologietechnologen, ob das jahrzehntelange Schützen ihrer Patienten mit Bleischürzen für die Katz gewesen sei. Zum anderen müsse sich der Berufsfachverband diese Frage gefallen lassen, der diese Änderung mitgetragen hat. 

Weissensteiner äußerte Verständnis dafür, dass gerade die österreichischen Radiologietechnologen – die im europäischen Vergleich eine der umfangreichsten und hochwertigsten Ausbildungen genießen – die Änderung als Bevormundung empfänden. Dies werde auch aus dem Feedback ihrer Fachkollegen deutlich: „‚Haben wir nicht die Kompetenz und die fachlich fundierte Ausbildung, um situationsbezogen das richtige Strahlenschutzmittel für die uns anvertrauten Patienten zu wählen?‘“, zitierte die Expertin aus einer der eingesandten Rückmeldungen.

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Alle Stellschrauben optimieren

Außerdem: Laufe man beim Verzicht auf den Bleischutz für Patienten nicht Gefahr, den Strahlenschutz ganz aus dem Blick zu verlieren? An dieser Stelle sei die Expertise der Radiologietechnologen gefragt, betonte Weissensteiner: „Es geht auch um Optimierungen zur Dosisreduktion, das sind die wirklich wirkungsvollen Maßnahmen, und hier können wir unsere Kompetenz einbringen.“ Als Beispiele zählte die Expertin Protokolloptimierung, richtige Positionierung der Patienten sowie die Reduzierung des Scanbereichs auf. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sei zusätzliche Schutzkleidung nicht mehr nötig. Gleichzeitig, betonte Weissensteiner, sei die Regelung ein Appell, noch einmal ganz genau auf die eigenen Anlagen zu schauen, ob wirklich alle Stellschrauben zur Dosisoptimierung bestmöglich eingestellt sind. 

Doch noch scheinen nicht alle Radiologietechnologen restlos von der neuen Regelung überzeugt, wie eine Umfrage der Fachgesellschaft zeigt: Zwar gab der Großteil der Befragten an, hinter der Empfehlung zu stehen – würden sie selbst untersucht, bäten sie ihre Kollegen dennoch sicherheitshalber um eine Bleischürze, gaben immerhin 28,3% zu.

Vertrauen durch Empathie und Kompetenz schaffen

Es ist an uns, den Patienten zu erklären, dass durch den digitalen Fortschritt und die Kompetenz der Radiologietechnologen der Einsatz der Bleischürze nicht mehr notwendig ist

Sabine Weissensteiner

Auch aus Patientensicht hat die neue Regelung nicht nur Vorteile, gab die rtaustria-Präsidentin zu bedenken: „Die Patienten fühlten sich durch die Bleischürze immer geschützt – das ist ein sehr starkes und gut gelerntes kognitives Element.“ Nehme man diesen greifbaren Schutz weg, könne das Ängste auslösen, die ernst genommen werden müssen. „Wir müssen zum einen Vertrauen schaffen auf der emotionalen Ebene, zum anderen Informiertheit schaffen auf der Sachebene.“ Auch hier sei das Gesundheitspersonal in seiner Rolle als vertraute und kompetente Ansprechpartner gefragt, betonte Weissensteiner: „Es ist an uns, den Patienten zu erklären, dass durch den digitalen Fortschritt und die Kompetenz der Radiologietechnologen der Einsatz der Bleischürze nicht mehr notwendig ist.“

Erfolgreiches Plädoyer für einheitliche Regelung

Die neue Empfehlung zum ‚bleifreien‘ Arbeiten erfolgte auf Basis internationaler Studien und Entwicklungen – insbesondere dem Europäischen Konsenspapier zur Patientenabschirmung  – und spiegelt Fortschritte in Technik und Ausbildung wider. Derzeit trage jedoch eine uneinheitliche Umsetzung zur Verunsicherung vieler Patienten bei, kritisierte die Expertin. Gemeint war damit die nach wie vor gesetzlich verankerte Bleischürzen-Pflicht beim dentalen Röntgen: „Das ist schon verwirrend: Der Patient ist an einem Tag beim Zahnröntgen und bekommt eine Schürze, am nächsten Tag beim Knieröntgen dann wiederum keine.“ Diese Widersprüchlichkeit müsse vom Gesetzgeber in der nächsten Novellierung beendet werden, forderte Weissensteiner abschließend. Diese Forderung wurde mittlerweile gehört: Seit dem 1. Oktober 2024 ist das Tragen einer Bleischürze bei allen zahnmedizinischen Röntgenuntersuchungen aufgrund einer Novelle der Medizinischen Strahlenschutzverordnung nicht mehr notwendig. 

06.01.2025

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