Interview • Multimodale Mamma

Risikoprofiling – von Tätern zu Tumoren

In der Medizin ist vieles im Wandel, so auch die Mammadiagnostik. Technische Weiterentwicklungen rücken alternative Verfahren ins Blickfeld, Genetik und Nuklearmedizin erweitern die diagnostische Klaviatur. Prof. Dr. Rüdiger Schulz-Wendtland schildert im Interview, wo die Zukunft der Mammadiagnostik liegt.

Interview: Karoline Laarmann

Welchen Veränderungen ist die Mammadiagnostik unterworfen?

Bisher umschloss die als komplementär bezeichnete Mammadiagnostik die klinische, sonografische, mammografische und – in einigen Fällen auch - die kernspintomografische Untersuchung der Brust. Dieses Spektrum wird nun jedoch erweitert. In einer multimodal ausgerichteten Mammadiagnostik wird künftig zusätzlich eine Spektroskopie generell durchgeführt werden, um die biochemischen Veränderungen eines Tumors festzuhalten. 

Außerdem wird die Mammadiagnostik um die multiparametrische MRT / CT-Bildgebung ergänzt. Mithin kommen künftig auch die Nuklearmediziner ins Spiel, indem sie spezielle Tracer entwickeln, um besonders inhomogene Tumore anreichern und ihre biologische Zusammensetzung im MRT / CT darstellen zu können. Daraus können Rückschlüsse auf die Aggressivität der Tumore gezogen werden. Im Verein mit einer Stanzbiopsie kann so für jede Frau ein persönliches Tumorprofil erstellt werden, das die Ausrichtung der Therapie beeinflusst.

Welche Rolle spielt die Tomosynthese in diesem Konzert?

Die Tomosynthese ist grundsätzlich ein wichtiger Bestandteil einer multimodalen Mammografie, sie wirft allerdings auch ein paar entscheidende Fragen auf. Ist sie, und wenn ja in welcher Form, für die Primärdiagnostik notwendig? Müssen beide Ebenen, oblique und cc, berücksichtigt werden? Sind synthetische 2D-Bilder aus einer oder beiden Ebenen notwendig? Der kritische Punkt bei ihrem Einsatz ist die Strahlenbelastung. Die Dosis einer 2D-Mammografie ist niedriger als die einer Zwei-Ebenen-Tomosynthese, jedoch kann aus letzterer eine Volumetrie entwickelt werden. 

Doch vor all diesen Erwägungen steht die diagnostische Sicherheit. Denn Studien haben gezeigt, dass eine Zwei-Ebenen-Tomosynthese inklusive rekonstruktiver 2D-Aufnahmen nur eine gering erhöhte Sensitivität und Spezifität aufweist. Dies ist ein Grund warum die Tomosynthese kurativ lediglich bisher nur dann zum Einsatz kommt, wenn ein Assessment notwendig ist.

Vergleich verschiedener Verfahren anhand von Mammaresektaten (von links):...
Vergleich verschiedener Verfahren anhand von Mammaresektaten (von links): Digitale Mammographie, Tomosynthese, photon counting Breast Computed Tomography (pcBCT) und pcBCT-MIP (Maximum Intensity Projection).

Ist die MRT eine Alternative?

Nein, da sie die Ausdehnungen des Mikrokalks nicht abbildet, die von entscheidender Bedeutung für das weitere operative Vorgehen sind und via Tomosynthese dreidimensional erfasst werden. In Zukunft könnte die Tomosynthese jedoch von der Kontrastmittel-CT verdrängt werden, die ein neuer Player im Spiel ist. Noch ist ihr Einsatz in der Brustdiagnostik lediglich experimentell, die CT erfährt jedoch aktuell einen starken Aufschwung, denn die bisherigen Ergebnisse, die wir auch mit eigenen Geräten ermitteln, sind fulminant.

Wird die Genetik in Zukunft eine Rolle bei der Krebsdiagnostik spielen?

DNA-Datensätze zu speichern, könnte künftig ein gangbarer Weg sein, um durch ein genetisches Risikoprofiling unnötige Screenings zu ersetzen

Rüdiger Schulz-Wendtland

Davon bin ich fest überzeugt. Die Speicherung von DNA-Datensätzen zur Verbrechensbekämpfung bereitet aktuell den Boden dafür, dass über eine generalisierte DNA-Datensatzspeicherung überhaupt nachgedacht werden kann. Ohne diese Entwicklung gäbe es weiterhin erhebliche Akzeptanzprobleme. Zugegeben weit in die Zukunft gedacht: DNA-Datensätze zu speichern, könnte künftig ein gangbarer Weg sein, um durch ein genetisches Risikoprofiling unnötige Screenings zu ersetzen. Statt großflächige, zeitraubende Universal-Untersuchungen durchzuführen, die ein hoher Prozentsatz der weiblichen Bevölkerung gar nicht benötigt, könnten gezielt Risikopatientinnen betreut werden. So würden die Frauen mit optimalen Früherkennungs- und Vorsorgemaßnahmen bedacht, die sie am meisten benötigen.


Profil:

Prof. Dr. Rüdiger Schulz-Wendtland ist Oberarzt am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen. Der Facharzt für Radiologie und Strahlentherapie ist seit 1994 Leiter der Abteilung für Gynäkologische Radiologie. Einer Arbeitsgruppe unter seiner Leitung gelang es als erste diagnostische Einheit in Deutschland, die digitale Mammografie in die klinische Routine einzuführen. Prof. Dr. Rüdiger Schulz-Wendtland ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS).


Veranstaltungshinweis:

Raum: Hörsaal 2

Freitag, 29. September 2017, 17:10–17:30

Symposium 5 - Mamma

Wohin geht die Mammadiagnostik?

Rüdiger Schulz-Wendtland (Erlangen)

28.09.2017

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