RöKo 2014
Revival einer Vernachlässigten
Trotz modernster bildgebender Verfahren ist die konventionelle Röntgenaufnahme unverzichtbar, vor allem auch in der Skelettradiologie. Ein Gespräch mit Univ.-Prof. Dr. Herwig Imhof.
Wird die konventionelle Röntgenaufnahme in der Skelettradiologie jemals von einem anderen Verfahren verdrängt werden?
Aus heutiger Sicht sicherlich nicht. Sie wird in den meisten Untersuchungsgängen, die das Muskel-Skelett-System betreffen, die Primärdiagnostik bleiben. Ausnahmen sind jene Fälle, bei denen von vornherein klar ist, dass die sogenannten Weichteile betroffen sind. Dann ist das MRT-Verfahren die Primärdiagnostik. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass man in vielen Fällen konventionelle Röntgenaufnahmen anfertigen sollte, weil man damit feststellen kann, ob im Muskel- Skelett-System zum Beispiel Fehlstellungen oder Fehlhaltungen vorhanden sind, die oft für ein Leiden verantwortlich sind. Diese sind in der MRT und auch oft in der CT nicht gut zu erfassen.
Wird der konventionellen Röntgenaufnahme in der Ausbildung genügend Aufmerksamkeit zuteil?
Die konventionelle Röntgendiagnostik ist eine Zeit lang nicht mehr im selben Ausmaß gelehrt worden wie etwa vor 20 oder 30 Jahren. Auch in den Tagungen und Kongressen wurde sie vernachlässigt, weil sie nicht dieses Innovationspotenzial hatte. Der Charme von CT, MRT oder der interventionellen Diagnostik wirkt auf junge Menschen natürlich sehr anziehend. Aber ich glaube, es ist ein Revival im Gange. Nicht zufällig gibt es einen Schwerpunkt hier bei diesem Röntgenkongress. Gerade im Muskel-Skelett-System ist die konventionelle Radiodiagnostik in ihrem vollen Umfang sehr wichtig, um dem Patienten eine vollständige Aussage über seine Erkrankung geben zu können. Auch die Lehrbücher wurden wieder umgestellt. Über Jahre hindurch war dort alles voll mit MRT- und CT-Diagnostik, in den neueren Lehrbüchern jedoch hat die konventionelle Röntgendiagnostik wieder ihren besonderen Platz und wird oft zum Vergleich herangezogen.
Ist in jener Phase, in der die konventionelle Röntgendiagnostik vernachlässigt wurde, eine Generation von Radiologen herangewachsen, die Defizite auf diesem Gebiet hat?
Die Mediziner, die in jenen zehn bis 15 Jahren ausgebildet wurden, hatten sicherlich ein Manko.
Aber sie hatten genügend Möglichkeiten, diesen Rückstand aufzuholen. Bei Knochentumoren zum Beispiel geht nichts ohne die subtile Diagnostik des konventionellen Röntgenbildes. Wer das vernachlässigt, kann einfach in vielen Fällen keine richtige Differentialdiagnose vornehmen.
Welchen Rat würden sie einem jungen Skelettradiologen mit auf den Weg geben?
Wenn Sie sich für Skelettradiologie interessieren, dann suchen Sie sich eine Stelle, wo diese gepflegt wird und entsprechende Lehrer vorhanden sind. Das ist die Hauptsache. Die größte Motivation ist immer ein guter Lehrer. Wenn das Interesse erst einmal geweckt ist, wächst dieses oft von allein weiter. Der zweite Punkt: Man muss sich wirklich intensiv damit auseinandersetzen. Es ist am Anfang etwas mühsam, kleinste Details auf einem konventionellen Röntgenbild zu erkennen und zu differenzieren. Und zuletzt sollte man unbedingt die basalen pathophysiologischen Vorgänge kennen, um diese im Röntgenbild zu erkennen.
Welche technische Entwicklung hat Sie im Laufe Ihres Berufslebens am meisten beeindruckt?
Die MRT-Diagnostik. Sie hat ein sensationelles neues Bild von den Weichteilen geschaffen, nicht nur im Muskel-Skelett-System, sondern im ganzen Körper – vor allem im Gehirn natürlich
PROFIL
Univ.-Prof. Dr. Herwig Imhof war bis 2008 Vorstand der Universitätsklinik für Radiodiagnostik der Medizinischen Universität Wien. Der Radiologe war verantwortlich für die Einführung von CT und MRT und organisiert bis jetzt Erasmus-Kurse zu den Themen „MRT-Muskel- Skelett-Bereich“ und „Head-Neck-Bereich“. Imhof ist Autor von mehr als 400 Publikationen, Verfasser eines Fachbuches über Skelettradiologie und zahlreicher Buchbeiträge über Skelett-, Gelenks-, Gesichtsschädel-, Hals- und Zahnthemen. Er war Präsident der ÖRG und ist Ehrenmitglied zahlreicher nationaler Röntgengesellschaften, unter anderem der DRG.
28.05.2014