Herz & Zertifizierung

Qualifikationsstufen im Visier

Die bildgestützte Beurteilung von Herz und Lunge angefangen vom Röntgen-Thoraxbild über die Computertomographie bis hin zur MRT gehört zur Kernkompetenz des Radiologen und der radiologischen Facharztausbildung.

MR-Darstellung der Morphologie (A, C) und des 2-dimensionalen Flusses (B) einer...
MR-Darstellung der Morphologie (A, C) und des 2-dimensionalen Flusses (B) einer bikuspiden Aortenklappe und der Folgen für den Fluss in der dilatierten Aorta aszendens ermittelt mit Hilfe der MR 4D-Flussmessung mit Wirbelbildung (D) und erhöhtem systolischen Fluss (E). (Abbildungen modifiziert aus: Gutberlet: Bildgebende Diagnostik und Therapie angeborener Herzfehler, Thieme-Verlag (2015) und nicht veröffentlichte Rekonstruktionen (D,E) Ben Köhler – Uni Magdeburg)

Wie alle Bereiche der Medizin hat sich aber auch die Diagnose und Therapie von Herz-Kreislauferkrankungen immer weiter diversifiziert. Insbesondere der Trend zu weniger invasiven, kathetergestützten Verfahren erfordert eine genaue präprozedurale Planung, die heutzutage in zunehmend bildgestützt erfolgt, um die richtigen Patienten für die richtige Methode auszuwählen.

Neben der rein morphologischen und pathomorphologischen radiologischen Bildbeurteilung, ermöglichen die technischen Entwicklungen der letzten Jahre mittlerweile eine immer differenziertere funktionelle Analyse des Herzens, wie sie bisher nur der Kardiologe in der Echokardiographie, der Nuklearmediziner in der Szintigraphie oder invasiv im Herzkatheter oder intraoperativ durchgeführt werden konnte und das mit teilweise sogar deutlich besserer Bildqualität: „Bereits für die genaue Analyse der Ventrikelfunktion, insbesondere des rechten Ventrikels, die Flussmessungen in der Aorta und der Pulmonalarterie, aber auch für die Beurteilung der myokardialen Perfusion für den Ausschluss einer KHK, ist ein dediziertes Training und eine dementsprechende zusätzliche Qualifikation des Radiologen – auch für den interdisziplinären Dialog – nötig. Durch die 2011 von der AG Herz- und Gefäßdiagnostik der DRG eingeführten Qualifikationsstufen Q1-Q3 zum Kardio-MRT und Kardio-CT sind diese mittlerweile sehr gut abgedeckt und bringen den Radiologen in der klinischen Einordnung der erhobenen bildgebenden Befunde auf denselben Wissenstand wie seine kardiologischen Kollegen. Das grundlegende methodische Wissen über Stärken und Schwächen der verschiedenen bildgebenden Modalitäten wie sie nur der Radiologe in seiner Weiterbildung vermittelt bekommt, bleibt auch hier die Grundvoraussetzung für eine qualitätsgesicherte, aber auch ökonomisch abbildbare Befundung im Interesse einer guten Patientenversorgung“, sagt Prof. Dr. Matthias Gutberlet Vorsitzender der AG Herz- und Gefäßdiagnostik der DRG, Professor für kardiologische Bildgebung und Leiter der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologe am Herzzentrum der Universität Leipzig.


Die Kardio-Kompetenz des Radiologen
Der Erwerb von Kenntnissen in der kardialen Bildgebung beginnt bereits in der Facharztausbildung und ist elementarer Bestandteil der Weiterbildung zum Facharzt für Diagnostische Radiologie. Somit beginnt die Zusatzqualifikation bereits mit dem Erwerb des Q1 Status und wird nach dem Facharzt mit dem Q2 Level beendet. Das befähigt den Radiologen dann, MRT-Untersuchungen qualitätsgesichert und selbstständig durchzuführen. Möchte er darüber hinaus den Ausbilderstatus erwerben, ist der Q3 Level nötig.

Auf internationaler Ebene wurden bereits vor Jahren, zum Beispiel von der Society for Cardiovascular Magnetic Resonance (SCMR) oder der Society for Cardiovascular Computed Tomography (SCCT), persönliche Zertifizierungssysteme für eine Subspezialitätenqualifizierung ins Leben gerufen. „Dieser internationalen Entwicklung müssen wir uns trotz eines vorbildlichen Facharztweiterbildungsprogramms auch auf nationaler Ebene stellen. Auf längere Sicht müssen wir uns weiter qualifizieren und uns dem internationalen und interdisziplinären Wettbewerb stellen. Ein Facharzt, egal in welcher Subspezialisierung, kann nicht mehr ohne regelmäßig nachgewiesene Weiterqualifizierung bis zum Ende seiner Berufslaufbahn praktizieren“, erklärt Gutberlet den Sinn der Qualifizierungsstufen. Für den Erwerb des Q1 Levels müssen neben dem Besuch von zertifizierten Fortbildungsveranstaltungen mindestens 30 eigenständig befundete kardiovaskuläre MR-Untersuchungen nachgewiesen werden, für den Q2-Level 200 und für das Q3 Level sind es 400 nachzuweisende Kardio-MRT-Untersuchungen – das Bestehen einer mündlichen Prüfung ist für Level 2 und 3 ebenfalls notwendig.

„Dabei müssen neben der rein morphologischen, auch eine funktionelle Beurteilung der Ventrikel, dynamischer Datensätze für die Perfusion bzw. Flussmessungen zur Überprüfung der Klappenfunktion nachgewiesen werden. Auch eine Analyse auf myokardiale Inflammation und myokardialer Narben gehören zum Prüfungsgegenstand“, erklärt Gutberlet.

Mit der Kardio-MRT können Radiologen eine Aussage über die gesamte Funktion des Herzens treffen und beispielsweise das Volumen dynamisch über verschiedene Herzphasen hinweg bestimmen. Hierbei ist die MRT sogar dem Herzecho überlegen. Die Beurteilung der Klappenfunktionen bleibt
allerdings die Domäne der Doppler-echokardiographie.

Besser als die Doppler-Echokardiographie kann die MRT allerdings Klappeninsuffizienzen quantifizieren. Zusätzlich ist es eine große Stärke der MRT, Blutflüsse im Herzen oder den Gefäßen vierdimensional darstellen zu können. Dies wird in Zukunft neue Einsichten in die Pathophysiologie beispielsweise bei der Entwicklung von Aortenaneurysmen geben“, sagt der Radiologe.


Nationale, internationale und europäische Zertifizierung
Auch auf europäischer Ebene gibt es ein radiologisches Qualifizierungssystem – das European Diploma in Cardiac Radiology – das auch von der European Society of Radiology (ESR) getragen wird. Laut Gutberlet entspricht es dem deutschen Q2 Level, gilt allerdings für MRT und CT gleichzeitig. „Wir haben uns in der AG Herz- und Gefäßdiagnostik allerdings entschlossen, die Zertifizierung zunächst nur für einzelne Modalitäten auszustellen, um der Realität, dass auch in radiologischen Einrichtungen die Herzbildgebung nicht an allen Modalitäten gleich intensiv betrieben wird, Rechnung zu tragen. Das mittelfristige Ziel ist es, alle Radiologen möglichst in beiden Modalitäten zu qualifizieren und zu zertifizieren“, sagt der Professor.

Die Kardiologie hat auf nationaler Ebene in Deutschland bislang noch kein eigenes Zertifizierungssystem für Kardio-MR und Kardio-CT etabliert. Aktuell schließt man sich noch komplett den internationalen Subspezialisierungen an, die jedoch von den einzelnen kardiologischen oder radiologischen Fachgesellschaften selbst, nicht getragen werden.

Gutberlet: „Wir Radiologen wollten die nationalen und europäischen Fachgesellschaften ausdrücklich mit einbeziehen und die Zusatzqualifizierung in kardiovaskulärer Bildgebung national und europäisch fest verankern.“ Das Qualifizierungsprogramm ist deshalb keine Aufweichung des radiologischen Facharztes, sondern eine sinnvolle Ergänzung.

Im Jahr 2011 wurden das deutsche und das europäische Qualifizierungsprogramm initiiert, an deren Ausarbeitung Prof. Gutberlet als Vorsitzender der AG Herz- und Gefäßdiagnostik und seit kurzem auch als Präsident der Europäischen Gesellschaft für Herzradiologie (ECSR) maßgeblich beteiligt war. „Seit der Einführung haben wir von den 534 Mitgliedern in der AG Herz- und Gefäßdiagnostik der DRG – das ist eine der größeren AGs – bereits knapp 400 Mitglieder auf unterschiedlichem Level zertifiziert. Das heißt fast 80 Prozent unserer Mitglieder haben sich diesem Zertifizierungsprozess bereits unterzogen“, berichtet Gutberlet, der selbst den Q3-Ausbilderstatus und das European Diploma in Cardiac Radiology der ESCR besitzt.

 


PROFIL:
Prof. Dr. Matthias Gutberlet ist seit 2007 Leiter der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Herzzentrum der Universität Leipzig. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen unter anderem im Dopplerultraschall und in der kardialen CT und MRT vor allem bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern, Kardiomyopathien, Myokarditis und koronarer Herzkrankheit (KHK). Seine medizinische Ausbildung erfuhr Gutberlet in Marburg und Berlin, wo er auch seine Habilitationsarbeit in diagnostischer Radiologie zum Thema „MR bei angeborenen Herzfehlern“ vorlegte. Er ist Vorsitzender der AG Herz- und Gefäßdiagnostik in der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und seit Oktober 2014 Vorsitzender der Europäischen Gesellschaft für Herzradiologie (ESCR).

03.12.2014

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