Mobiler Ultraschall
Point-of-Care-Ultraschall im unterirdischen Einsatz
Dr. Stephan Rauscher, Oberarzt der Interdisziplinären Notaufnahme verwendet Point-of-Care-Ultraschall täglich bei seiner Arbeit in der Notaufnahme des Katharinenhospitals – Klinikum Stuttgart. Er kümmert sich auch um die Schulung und Einteilung der Notärzte seiner Abteilung. Jeder dieser Ärzte könnte zu einem Notfall in die Tunnel des riesigen Bauprojekts von Stuttgart 21 gerufen werden; daher ergriff er sofort die Chance, eine Einsatzübung in Zusammenarbeit mit anderen Rettungsdiensten vor Ort durchzuführen und die Anwendung von Ultraschall dort direkt vor Ort zu üben.
Stuttgart 21 ist ein gewaltiges Bauprojekt um den Hauptbahnhof herum, bei dem der heutige Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof umgebaut wird und eine Neubaustrecke nach Ulm entsteht. Unterirdische Bahnstrecken verbinden den Bahnhof mit dem bestehenden Streckennetz. Insgesamt werden ca. 60 km Bahntunnel unter der Stadt gebaut – über 20 km wurden bereits fertiggestellt – und das Projekt soll, so die derzeitigen Planungen, bis 2021 abgeschlossen werden.
Bei einem derart großen Projekt über so viele Jahre in unserer Stadt ist es mehr als wahrscheinlich, dass unsere Teams entweder bei Verletzungen oder bei anderen medizinischen Notfällen auf die Baustelle gerufen werden, was auch schon vorgekommen ist. Die Arbeit unter der Erde birgt spezielle Herausforderungen und Rettungspläne müssen sorgfältig ausgearbeitet und umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass die Patienten schnell untersucht und zur Behandlung zurück an die Oberfläche gebracht werden können. Obwohl wir unsere Teams regelmäßig schulen und weiterbilden, haben wir selten die Möglichkeit, bestimmte Techniken in einer realen Umgebung zu üben. Vor kurzem organisierten wir jedoch einen Schulungstag auf der Baustelle und durch diese Übung hatten wir die hervorragende Gelegenheit, mit dem ganzen Bauvorhaben so gut wie möglich vertraut zu werden. Wir nutzten diese Erfahrung, um die Teams auf zukünftige Notfälle vorzubereiten, und sie mit den Gegebenheiten auf der Großbaustelle vertraut zu machen.
Der Tag wurde mit der örtlichen Feuerwehr, den Rettungsdiensten sowie den projekteigenen Sicherheitsteams koordiniert. Die Sicherheitsteams stellten uns die bereits vorliegenden Rettungspläne vor sowie die Fahrzeuge und Aufzüge, die speziell ausgestattet wurden, um kranke oder verletzte Patienten aus den Tunneln zurück an die Oberfläche zu bringen. Die Idee war, so vielen Sanitätern und Notärzte wie möglich die Baustelle zu zeigen, ihnen die geltenden Sicherheitspläne zu erklären und typische Situationen in den Tunneln zu üben, damit sie mit dieser ungewohnten Umgebung vertraut werden konnten. Eines der größten Probleme bei einer so großen Baustelle ist es, festzustellen, wo genau der Unfall passiert ist. Dafür gibt es nun festgelegte Treffpunkte, die einzeln durchnummeriert sind. Bei einem Notfall muss das Sicherheitsteam der Baustelle uns nur die Zahl des nächstgelegenen Treffpunktes nennen und dort warten, um uns zur Unfallstelle zu bringen. Da sich die Sanitäter und Notfallärzte bereits mit der Baustelle vertraut machen konnten, sind sie nun gut auf zukünftige Notfälle vorbereitet und wissen, was sie in dieser Umgebung erwartet.
Die Teilnehmer sammelten Erfahrungen zum Einsatz von Point-of-Care-Ultraschall in einer präklinischen Umgebung und konnten außerdem spezifische Fertigkeiten, wie beispielsweise das Legen von Thoraxdrainagen, üben. Wir verwenden in unserer Notaufnahme täglich Ultraschall zur Steuerung von Gefäßpunktionen sowie zur Durchführung von FAST- und Thoraxsonographien, Echokardiographien und für Untersuchungen von Pneumothorax, Pleuraergüssen und Lungenentzündungen. Wir waren sehr dankbar, dass FULJIFILM SonoSite uns für diese Übung zwei SonoSite Edge® Systeme und einen SonoSite iViz™ zur Verfügung gestellt hat. Obwohl unseren Notfallteams im Rettungsdienst momentan keine solchen Systeme zur Verfügung stehen, weiß ich, dass es bei vielen Kollegen in Deutschland bereits der Fall ist, und ich sehe echtes Potenzial für die zukünftige Anwendung dieser Technologie. Es war sehr hilfreich, mit der richtigen Ausrüstung zu üben und dabei zu zeigen, wie diese in vielen Traumasituationen zum Einsatz kommen kann, sowie Fertigkeiten weiterzuentwickeln, die wir täglich überall in der Stadt anwenden. Insgesamt war die Übung ein voller Erfolg und wir hoffen, sie im nächsten Jahr wiederholen zu können, entweder auf der Baustelle von Stuttgart 21 oder vielleicht an einem anderen Ort. Es war sehr beeindruckend, die Baustelle unmittelbar zu erleben und ich bin davon überzeugt, dass meine Kollegen durch die Schulung in dieser ungewöhnlichen Umgebung nun bei Notfällen auf der Baustelle schneller und effizienter reagieren können.
30.03.2017