Nichts über's Knie brechen
Das Kniegelenk zählt zu den häufigsten muskuloskelettalen Indikationsstellungen in der Bildgebung. Es ist ständig hohen Belastungen ausgesetzt, sodass nicht nur erhöhte Verletzungsgefahr besteht, sondern auch das Risiko von Verschleiß und degenerativen Erkrankungen.
Auch wenn Kreuzbandrisse, Meniskusschaden, Arthrose & Co zum typischen Standardrepertoire des Radiologen gehören, handelt es sich bei der Knie-Bildgebung trotzdem um keine einfache Diagnostik, findet PD Dr. Christian Glaser vom Radiologische Zentrum München-Pasing. Denn die Anforderungen an den Radiologen steigen.
„Bei kaum einem anderen Gelenk kommen so häufig dedizierte Fragestellungen vom Zuweiser wie beim Kniegelenk“, berichtet Dr. Glaser. Wissenschaft und Forschung haben auf diesem Gebiet in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Der Erfahrungsschatz mit den vielfältigen Therapiemöglichkeiten wächst und klinische Studien untermauern die Evidenzlage neuartiger Behandlungsformen, die immer noch weiter verbessert werden. „Die Entwicklungen etwa auf den Gebieten der Stressreaktionen am Knochen, Knorpeltherapie, Bandplastiken oder bei Knochenmark-ödemsyndrom sind rasant und eine Ende ist noch nicht abzusehen“, bestätigt der Münchner Radiologe, der selbst zum Thema Knorpelbildgebung an der LMU München forscht. Die Anspruchshaltung der Zuweiser und der Patienten seien dadurch entsprechend gestiegen. Der Orthopäde möchte heutzutage nicht nur vom Radiologen wissen, ob eine einfache Verletzung am Gelenk vorliegt, sondern erwartet auch, dass ihm therapierelevante Informationen mitgeliefert werden, die ihn bei seiner Entscheidung für oder gegen eine Operation unterstützen.
Der Kontakt zum Zuweiser und zum Patienten sind Dr. Glaser daher sehr wichtig: „Der Schlüssel zu einer guten muskuloskelettalen Bildgebungsdiagnostik ist die Fähigkeit des Radiologen, die Beschwerden des Patienten, die biomechanischen Veränderungen im Knie und die therapierelevanten Informationen in seinem Befund in Einklang zu bringen. Um das Vertrauen des Klinikers in die eigenen Fähigkeiten als Radiologe zu gewinnen, hilft neben fachlicher Kompetenz auch eine effiziente Befundungsstrategie weiter“, rät Glaser. Diese spart einerseits Zeit, andererseits hilft sie Fehler zu vermeiden, wenn es mal wieder stressig zugeht. „Wie jeder andere Facharzt arbeiten wir mit wiederkehrenden Mustern, nämlich Bildmustern. Beispielsweise geben bestimmte Veränderungen beim Trauma Aufschluss darüber, welche Unfallmechanismen am Werk waren und mit welchen weiteren Verletzungen man in diesem Fall rechnen muss. Dann kann man das Bild gezielt auf diese Anhaltspunkte hin überprüfen. Durch diese systematische Bildanalyse läuft man weniger Gefahr, etwas zu übersehen.“
Zur Basisuntersuchung des Kniegelenks zählen eine Röntgenaufnahme und eine anschließende Schnittbilddiagnostik, sei es MR- oder CT-Bildgebung. Mithilfe der Projketionsradiographie lassen sich etwa schwere und dislozierte Frakturen sowie Arthrose oder bestimmte Entitäten wie die Chondrokalzinose bereits sehr gut beurteilen, aber eben nicht immer. Deshalb sind Röntgen- und Schnittbildgebung nicht als konkurrierend, sondern komplementär zu betrachten. Voraussetzung ist, dass sie zeitnah erfolgen, um eine gute Vergleichsbasis zu schaffen. In der Praxis sei dieser Ablauf nicht immer gegeben, was die komplementäre Anwendung der bilddiagnostischen Verfahren erschwert.
Im Hinblick auf die Bildgebungsprotokolle beim MRT orientiert sich Dr. Glaser an den Empfehlungen der Deutschen Röntgengesellschaft. Diese sehen für die Standarduntersuchung drei moderat T2-gewichtete Sequenzen mit Fettunterdrückung und eine T1-gewichtete Sequenz vor. Dieses Basisprotokoll lässt sich je nach Fragestellung modifizieren oder im Baukastenprinzip durch zusätzliche Sequenzen erweitern. „Die T2*-gewichtete Sequenz ist beispielsweise sehr gut dazu geeignet, um den Verdacht auf eine bestimmte Unterform der Synovialitis, die sogenannte pigmentierte villonoduläre Synovialitis, abzuklären“, erläutert Dr. Glaser. Die Wahl der weiteren Parameter hängt dann von der verfügbaren Maschine und den individuellen Erfahrungswerten der jeweiligen Institution ab. Auch bei der Verteilung der Schichtführung auf die verschiedenen Wichtungen in den Gelenken – ob coronar, sagittal oder axial – geht jeder etwas anders vor. Letztendlich hängt natürlich jedes Untersuchungsprotokoll von der dedizierten Fragestellung ab.
Im Profil:
PD Dr. Christian Glaser absolvierte seine Facharztausbildung am Institut für Klinische Radiologie der LMU München. Von 2002-2009 war er Oberarzt an der Universitätsklinik der LMU München und betreute hier als Bereichsleiter die Fachbereiche Konventionelle Radiologie und Kernspintomographie. Von 2006 bis 2009 leitete Herr Glaser das Projekt Knorpel-bildgebung/Arthrose im Exzellenzcluster Munich Centre of Advanced Photonics (MAP). Er lehrte von 2009-2011 im Rahmen einer Gastprofessur an der New York University. Seit Mitte 2011 gehört er zum Ärzteteam des Radiologischen Zentrums München-Pasing (RZM) und ist als Ausbilder der DRG für die Zusatzqualifikation „Muskulo-skelettale Radiologie“ tätig.
18.10.2013