Neues Risiko-Gen für Brustkrebs entdeckt
Wissenschaftler haben 15 Jahre nach der Entdeckung der Risikogene BRCA1 und BRCA2 ein weiteres Gen gefunden, das erblichen Brust- und Eierstockkrebs auslöst. Risiko-Gene zu identifizieren, ist die wesentliche Voraussetzung dafür, den betroffenen Frauen eine maßgeschneiderte und engmaschige Früherkennung anbieten zu können.
Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden jetzt in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature Genetics* veröffentlicht. Die Studie wurde im Rahmen des Deutschen Konsortiums für familiären Brust- und Eierstockkrebs durchgeführt, das die Deutsche Krebshilfe seit 14 Jahren fördert.
Das neue Risiko-Gen für erblichen Brust- und Eierstockkrebs heißt RAD51C. Seine Funktion ist es, die Erbsubstanz einer Zelle fehlerfrei zu halten. Veränderungen (Mutationen) in diesem Gen selbst führen dazu, dass ein Tumor entstehen kann. Die Wissenschaftler analysierten das Erbgut von insgesamt 1.100 Risikofamilien, in denen gehäuft Erkrankungsfälle auftraten. Bei ihnen wurden zuvor Veränderungen in den bislang bekannten Risiko-Genen BRCA1 und BRCA2 (BReast CAncer-Gene) ausgeschlossen. In sechs dieser Familien waren Defekte im RAD51C-Gen nachweisbar. Die Patientinnen gehörten ausschließlich zu den Familien, bei denen Brust- und Eierstockkrebs gemeinsam auftraten. Das Risiko für Brustkrebs liegt bei den Trägerinnen einer Mutation im RAD51C-Gen bei ungefähr 60 bis 80 Prozent, für Eierstockkrebs bei 20 bis 40 Prozent. Die Patientinnen erkranken außerdem deutlich früher als Patientinnen mit sporadischem Brust- oder Eierstockkrebs. Deshalb bezeichnen Experten das neu identifizierte Gen auch als BRCA3.
"Diese Ergebnisse unterstützen unsere Hypothese, dass verschiedene seltene Gendefekte ein gemeinsames Krankheitsbild auslösen, den erblichen Brust- und Eierstockkrebs. Dieses Wissen ist wichtig für die Suche nach weiteren Risiko-Genen. Denn die bisher bekannten Brustkrebs-Gene können nur 60 Prozent der Hochrisikofamilien erklären", erläutert Professor Dr. Alfons Meindl, Leiter der Abteilung für gynäkologische Tumorgenetik am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Meindl hat die molekulargenetischen Untersuchungen des Projektes geleitet.
"Diese bahnbrechende Erkenntnis war nur möglich durch eine langjährige, enge zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Klinikern im Rahmen des Deutschen Konsortiums für familiären Brust- und Eierstockkrebs. Mittlerweile werden in den zwölf universitären Zentren über 6.000 Risikofamilien betreut. Wir bieten den betroffenen Frauen unter engmaschiger Überwachung neuste Diagnostikmethoden und Therapien an, die speziell auf die erbliche Tumorform zugeschnitten sind", erklärt Professor Dr. Rita Schmutzler von der Universitätsfrauenklinik Köln, die an den Arbeiten ebenfalls maßgeblich beteiligt war. Sie hat eine Stiftungsprofessur der Deutschen Krebshilfe an der Universität Köln inne und ist die Koordinatorin des Deutschen Konsortiums. Dieses wiederum ist Teil eines internationales Forschungsnetzes, das nach neuen Risiko-Genen für erblichem Brust- und Eierstockkrebs sucht.
Ärzte und Betroffene stehen zukünftig vor neuen Herausforderungen: Die Ergebnisse zeigen, dass das Erbgut von Hochrisiko-Patientinnen, die keine Veränderungen in den bekannten Genen haben, auf weitere Defekte untersucht werden muss. Die Wissenschaftler planen, mit neusten Analysemethoden weitere Risiko-Gene zu suchen. Künftig könnte dann für jede Frau das individuelle Brustkrebsrisiko bestimmt und darauf basierend eine maßgeschneiderte Prävention und eine engmaschigere Krebs-Früherkennung angeboten werden. Dies würde ein ganz neues klinisches Gebiet der risikoangepassten Brustkrebs-Prävention eröffnen.
* Meindl A et al.: Germline mutations in breast and ovarian cancer pedigrees establish RAD51C as a human cancer susceptibility gene. Nature Genetics, 18.04.2010; doi: 10.1038/ng.569
12.04.2010