Neue Ansätze zum schweren Asthma

Ein hochkarätiges Symposium mit Workshops fand Anfang April an der Hochgebirgsklinik in Davos statt. Das dort angesiedelte Europäische Allergie und Asthma Zentrum Davos (EACD) veranstaltete mit der Deutschen Gesellschaft für Allergie und klinische Immunologie (DGAKI) als Co-Sponsor einen Kongress zum Thema „Schweres Asthma – Neue Ansätze für ein altes Problem“. Internationale Experten tauschten ihr Wissen mit den Davoser Asthma- und Allergie-Spezialisten aus.

Photo: Neue Ansätze zum schweren Asthma
Photo: Neue Ansätze zum schweren Asthma

Schweres Asthma – was ist das?

Bereits die Definition dieser Krankheitsentität bereitet Probleme, darauf wies Prof. J. Christian Virchow von der Universitätsklinik Rostok hin. Ob persistierendes, schweres, schwer zu behandelndes, Therapie resistentes oder Brittle Asthma – immer ist damit ein großes Fragezeichen verbunden. „Wenn Asthma auf die Therapie nicht anspricht,“ fragte Virchow, „ist es dann überhaupt Asthma? Oder ist es vielmehr Asthma, das nicht behandelt ist – vielleicht auch weil der Patient sich nicht behandeln lässt?“ Daher ist es immer wichtig, zunächst noch einmal die Diagnose sorgfältig zu überprüfen und mögliche Differentialdiagnosen auszuschließen oder negative Triggerfaktoren zu identifizieren und zu behandeln bzw. zu vermeiden.

Ca. 10 % der Asthma-Patienten leiden an schwerem oder schwerstem Asthma; diese verursachen jedoch 55 % der Kosten, die durch Krankheit insgesamt entstehen. Schweres Asthma ist aber auch in anderer Hinsicht „teuer“, denn schwere Exazerbationen gehen mit einem übermäßigen Verlust an Lungenfunktion einher und schädigen den Patienten dauerhaft.

Asthma-Endotypen differenzieren

In den letzten Jahren wurde immer klarer, dass es notwendig ist, Asthma in verschiedene Phäno-/Endotypen zu differenzieren. Prof. A. J. Wardlaw, Leicester berichtete, dass es ihm und seinen Mitarbeitern gelungen sei, mit biostatistischen Methoden mehrere Untergruppen des Asthma einzugrenzen. Dazu gehören das klassische exogen allergische Asthma bronchiale (im Kindesalter auftretend = „early onset“), allergisches Asthma später im Leben auftretend („late onset“), nicht allergisches Asthma (Intrinsic Asthma), Asthma mit ausgeprägter Eosinophilie sowie nicht eosinophiles Asthma. Dieses oft auftretend in Kombination mit Adipositas. Auch das Asthma mit Analgetikaintoleranz und die allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) werden als mögliche Endotypen diskutiert. Die Unterscheidung einer variablen Bronchialobstruktion, die primär durch eine abnormale Atemwegsmuskulatur einerseits oder durch eine eosinophile Entzündung andererseits verursacht wird, erscheint sinnvoll. Während die muskuläre Dysfunktion eher permanente Symptome erzeugt, ist die eosinophile Entzündung häufiger mit schweren Exazerbationen verbunden. Diese genauere Differenzierung kann helfen, die Therapie zu optimieren und zu individualisieren (= auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Therapie = „patient tailored therapy“).

Schweres Asthma – Risikofaktoren und Komorbidität

Prof. Claus F. Vogelmeier vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg benannte in seinem Vortrag wichtige Risikofaktoren für häufige Asthma-Exazerbationen. Psychologische Kofaktoren können eine Rolle spielen, auf die im Niederländischen Asthmazentrum Davos (NAD) und an der Hochgebirgsklinik Davos daher auch mit einem eigenen psychologisch geschulten Team eingegangen wird. Wichtig sind häufige Atemwegsinfekte, gastroösophagealer Reflux, Sinusitiden und obstruktive Schlafapnoe. Auch eine Adipositas wirkt sich negativ auf die Atemwege aus: Sie erhöht sowohl Inzidenz als auch Prävalenz von Asthma und verstärkt dessen Schweregrad. Folgerichtig wirkt sich eine Gewichtsabnahme positiv auf die Asthmasymptomatik aus. Das Rauchen vermindert die Wirksamkeit inhalativer Kortikosteroide. Erwartungsgemäß verbessert ein Nikotinverzicht die Lungenfunktion des Asthmatikers deutlich. Vogelmeier riet auch, einer gleichzeitig mit dem Asthma bestehenden Rhinitis oder Rhinosinusitis mehr Beachtung zu schenken. In der Regel seien beide ‚Etagen’ der Atemwege erkrankt und eine sorgfältige Behandlung der nasalen Symptome könne auch das Asthma lindern („United Airways“).
Nasenpolypen

Eine wichtige, wenngleich noch nicht in allen Einzelheiten verstandene, Rolle beim schweren Asthma spielt die Polyposis nasi, wie Prof. Claus Bachert vom Universitätsklinikum Gent erläuterte. Bislang ist fraglich, ob es sich überhaupt um eine allergische Erkrankung handelt, denn das Ausmaß der Entzündung in den Polypen ist bei atopischen und nicht atopischen Patienten gleich. Auffällig ist, dass in den Nasenpolypen erhöhte Spiegel inflammatorischer Mediatoren gefunden werden bei gleichzeitigem Fehlen von regulatorischen T-Zellen sowie einer Erhöhung des gesamten und spezifischen IgE. Möglicherweise spielt die bakterielle Besiedlung des Nasenraumes eine ursächliche Rolle. Superantigene des Staphylokokkus aureus könnten die Auslöser einer unkontrollierten Entzündungsreaktion sein. Es scheinen sich in Zukunft hier neue Therapiemöglichkeiten aufzutun.

Besonders häufig sind Nasenpolypen mit dem Analgetika-Asthma-Syndrom assoziiert. Dieses kann bei den Betroffenen, die meist unter einem schwer verlaufenden Intrinsic Asthma bronchiale leiden, zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Der Goldstandard zur Diagnosesicherung der Analgetikaintoleranz ist der Provokationstest, sagte Dr. Gundi Willer von der Hochgebirgsklinik Davos. Seit 1982 wird hier die inhalative Provokation mit Lysin-Acetylsalicylsäure ebenso durchgeführt wie eine therapeutische Option die adaptive Desaktivierung mit 300-500 mg Aspirin. Hier besteht an der Hochgebirgsklinik Davos eine sehr grosse Expertise. Damit können zwei Drittel bis 80 % der Patienten eine Besserung ihrer Beschwerden erreichen, sonst notwendige operative Eingriffe werden in der Anzahl deutlich reduziert und die Lebensqualität steigt beträchtlich. Dies hat auch eine positive Wirkung auf den Asthmaverlauf des Patienten.

Foto: AOK

08.06.2010

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