Foto mit doppelter Belichtung zeigt eine Frau, die sich wegen der Hitze...

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Artikel • Auswirkungen der globalen Erwärmung

Gesundheit im Klimawandel: Mit Kompetenz gegensteuern

Der Klimawandel stellt das Gesundheitssystem vor eine doppelte Herausforderung: Einerseits verursacht oder verstärkt er diverse gesundheitliche Probleme und erhöht damit die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen. Andererseits trägt der Gesundheitssektor selbst zur Verstärkung des Klimawandels bei. Auf dem Jahreskongress des Berufsfachverbands für Radiologietechnologie in Österreich (rtaustria) beleuchtete Katharina Brugger die vielschichtigen Zusammenhänge und erläuterte, wie die Vermittlung von Klimakompetenz hilft, den vermeintlichen Teufelskreis zu durchbrechen.

Artikel: Wolfgang Behrends

In Österreich gehen etwa 7% der gesamten Treibhausgasemissionen auf das Konto des Gesundheitssektors, erklärte die Senior Health-Expertin am Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Die Arbeit der 2022 gegründeten Institution befasst sich vor allem damit, den CO2-Ausstoß von Gesundheitseinrichtungen zu verringern, die Resilienz des Gesundheitswesens und der Bevölkerung gegenüber den Folgen des Klimawandels zu erhöhen und die Synergien zwischen Gesundheitsförderung und Klimaschutz besser zu nutzen. Denn der vermeintliche Teufelskreis funktioniere auch in die entgegengesetzte Richtung, gab die Expertin zu bedenken: Klimaschutzmaßnahmen können gleichzeitig die öffentliche Gesundheit verbessern. Ein klassisches Beispiel dafür sei die aktive Mobilität – wer mit dem Fahrrad statt mit dem Auto fährt, reduziert nicht nur Treibhausgasemissionen, sondern fördert auch die eigene Gesundheit. 

Hitzestress schlägt Straßenverkehr

Steigende Temperaturen zählen laut Brugger zu den größten Herausforderungen für die Gesundheit: Was vergleichsweise harmlos mit vermehrter Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten beginnt, führt schnell zu schwerwiegenden Problemen wie Hitzschlag, Sonnenstich oder Hitzekollaps. Kritische Temperaturen werden immer häufiger erreicht und dauern immer länger an1 – das spiegelt sich auch in den Krankenhausaufenthalten wider, wusste die Expertin zu berichten. „Diagnosen nach ICD-10 T67, die direkt in Zusammenhang mit Hitze und Sonneneinstrahlung stehen, steigen in extrem warmen Sommern um durchschnittlich fast 27% an.“ Betroffen sind vor allem Kinder unter 10 und ältere Menschen über 60 Jahren, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen.2 Wie gravierend die Gefahr ist, verdeutlichen statistische Modelle zur hitze-assoziierten Mortalität: So verzeichnete Österreich 2018 rund 550 Todesfälle aufgrund von Hitze – eine Zahl, die deutlich über der durch Straßenverkehr ums Leben gekommene Menschen im gleichen Jahr.3 

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Zu den Gefahren des Klimawandels zählt auch die erhöhte Belastung durch UV-Strahlung, fuhr Brugger fort. Als besorgniserregendes Phänomen nannte sie in diesem Zusammenhang das Auftreten sogenannter Mini-Ozonlöcher, die auch in unseren Breiten auftreten und hohe UV-Konzentrationen durchlassen, wodurch das Risiko für Hautkrebs stark ansteigt.

Es liegt was in der Luft

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Gesundheitseffekte von Luftschadstoffen

Bildquelle: Breitner-Busch S, Mücke HG, Schneider A, Hertig E; Journal of Health Monitoring 2023 (CC BY 3.0 DE

Die Luftverschmutzung durch Verbrennung fossiler Energieträger ist keine Folge der Erderwärmung, sondern einer der Ursachen – eine Gefahr für die Gesundheit geht aber auch von ihr aus: Feinstaub (PM2,5), Stickoxide, Ozon, Ruß und Quecksilber führen zu vorzeitigen Todesfällen sowie einer Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegs- und Krebserkrankungen.4 „Allein in Österreich waren 2019 rund 4300 Todesfälle auf Luftverschmutzung zurückzuführen“, erklärte Brugger. 

Auch Allergikern macht der Klimawandel zu schaffen, verdeutlichte die Expertin: „Die Pollensaison startet deutlich früher, ist länger und teilweise intensiver.“ Zudem mache der Temperaturanstieg die Pollen aggressiver – ein Schutzmechanismus der Pflanzen, um sich an das veränderte Klima anzupassen. Verschärft wird die Situation durch die Ausbreitung von Neophyten – Pflanzenarten, die bisher nicht in diesen Teilen Europas heimisch waren. Als Beispiele nannte Brugger die Ambrosiapflanze sowie den Olivenbaum, der durch das wärmere Klima mittlerweile auch österreichische Winter überleben kann und in mediterranen Gebieten zu den Hauptauslösern von Allergien zählt.1 „Der Klimawandel führt außerdem dazu, dass vermehrt luftübertragene Allergene produziert werden, etwa durch den Eichenprozessionsspinner“, ergänzte die Expertin. 

Durch das veränderte Klima können sich neue invasive Arten in Europa und Österreich ausbreiten. Blutsaugende Insekten, vor allem Stechmücken und Zecken, fungieren als Vektoren und können durch ihren Stich Krankheitserreger wie das West-Nil-Virus oder FSME-Virus übertragen, führte Brugger aus.5 

Der Klimawandel löst einen bunten Strauß an Emotionen in den Menschen aus, von Ängsten und Panik über Verlust und Trauer, bis zu Wut und Verärgerung – die auch pathologische Ausmaße annehmen können

Katharina Brugger

Auch die psychische Gesundheit leidet unter dem Klimawandel: „Durch das Miterleben von Extremwettereignissen und deren Folgen6 oder auch die Wahrnehmung des Klimawandels per se7 kommt es zu diversen psychologischen Krankheitsbildern“, sagte die Expertin. Dazu zählen unter anderem affektive Störungen, erhöhte Suizidalität oder auch Klimaangst. Zu den indirekten Folgen zählen zudem die Verschlechterung bestehender Erkrankungen sowie eine erhöhte Gewaltbereitschaft bei steigenden Temperaturen.8 „Der Klimawandel löst einen bunten Strauß an Emotionen in den Menschen aus, von Ängsten und Panik über Verlust und Trauer, bis zu Wut und Verärgerung – die auch pathologische Ausmaße annehmen können“, fasste sie zusammen. 

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Klimakompetenz als Gamechanger

Nicht nur die individuelle Gesundheit ist von den steigenden Temperaturen betroffen, auch das Gesundheitssystem wird an seine Grenzen gebracht: Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen verhindern den Zugang zu Krankenhäusern, neue und zusätzliche Erkrankungen steigern die Kosten und sorgen für Überlastung. Nicht zuletzt sind auch Ärzte und Pflegekräfte nur Menschen, deren Konzentration und Reaktionsfähigkeit unter der Hitze leidet.9 

Um diesen Herausforderungen angemessen zu begegnen, gelten sogenannte klimakompetente Gesundheitsberufe als Gamechanger, erklärte Brugger. Diese Klimakompetenz, die auch Radiologietechnologen erwerben können, umfasst das Verständnis, wie sich Menschen und das Klimasystem gegenseitig beeinflussen, und welche Auswirkungen dieses Wechselspiel auf die Gesundheit hat. Dieses Wissen kann dann in geeigneter Weise kommuniziert werden, um zum einen die Gesundheit zu fördern und zum anderen das Klima zu schützen, mit dem Ziel, mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels umgehen zu können.10 

Neben allen, die bereits in Gesundheitsberufen tätig sind, soll diese Kompetenz vor allem an die kommende Generation von Ärzten, Rettungssanitätern, Pflegekräften und Radiologietechnologen vermittelt werden, betonte Brugger. Hier sei die GÖG bereits mit zahlreichen Fachhochschulen im Gespräch, diese Inhalte in die Curricula und Lehrpläne zu implementieren. Zudem sollen durch Train-the-Trainer-Lehrgänge weitere Multiplikatoren gewonnen werden. Mit diesen Maßnahmen soll sichergestellt werden, das Gesundheitssystem auf die zukünftigen – und schon jetzt bestehenden – Herausforderungen durch den Klimawandel vorzubereiten. 

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Profil: 

Katharina Brugger ist seit Anfang 2022 im Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH tätig. Zuvor forschte und lehrte sie mehr als 10 Jahre als Universitätsassistentin am Institut für Öffentliches Veterinärwesen und Epidemiologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Schwerpunkt waren multidisziplinäre Fragestellungen zum Einfluss des Klimas bzw. Klimawandels auf Infektionskrankheiten und deren Ausbreitungen sowie deren Auswirkungen auf das öffentliche Gesundheitswesen. Nebenberuflich ist sie als Lektorin für die Fächer Statistik und Epidemiologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien tätig. 


Literatur:

  1. Basierend auf: Van Daalen KR, Tonne C, Semenza JC et al.: The 2024 Europe report of the Lancet Countdown on health and climate change: unprecedented warming demands unprecedented action; Lancet Public Health 2024; https://doi.org/10.1016/S2468-2667(24)00055-0 
  2. Brugger K, Schmidt AE, Delcour J: Krankenhausaufenthalte im direktenZusammenhang mit Hitze und Sonnenlicht in Österreich (2002–2020). Factsheet. Gesundheit Österreich, Wien [PDF] 
  3. Hitze-Mortalitätsmonitoring der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) 2024 
  4. Breitner-Busch S, Mücke HG, Schneider A, Hertig E: Auswirkungen des Klimawandels auf nicht-übertragbare Erkrankungen durch erhöhte Luftschadstoffbelastungen der Außenluft; Journal of Health Monitoring 2023; https://doi.org/10.25646/11649.2 
  5. Mosquito factsheets; European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) 
  6. Grennan GK, Withers MC, Ramanathan DS, Mishra J: Differences in interference processing and frontal brain function with climate trauma from California’s deadliest wildfire; PLOS Climate 2023; https://doi.org/10.1371/journal.pclm.0000125 
  7. Hwong AR, Wang M, Khan H et al.: Climate change and mental health research methods, gaps, and priorities: a scoping review; Lancet Planetary Health 2022; https://doi.org/10.1016/S2542-5196(22)00012-2 
  8. Miles-Novelo A, Anderson CA: Climate Change and Psychology: Effects of Rapid Global Warming on Violence and Aggression; Current Climate Change Reports 2019; https://doi.org/10.1007/s40641-019-00121-2 
  9. Salas RN, Friend TH, Bernstein A, Jha AK: Adding A Climate Lens To Health Policy In The United States; HealthAffairs 2020; https://doi.org/10.1377/hlthaff.2020.01352 
  10. Brugger K, Horváth I: Research Brief: Gesundheitsbezogene Klimakompetenz in den Gesundheitsberufen; GÖG 2023 [PDF] 

14.07.2025

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