Quelle: Jean-Tori Pantel
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Mutationen bei Kindern von Radarsoldaten nachgewiesen
Bei den Nachkommen von Radarsoldaten, die während ihrer Dienstzeit höheren Dosen von Röntgenstrahlen ausgesetzt waren, lassen sich mehr Erbgutveränderungen nachweisen als bei Familien ohne Strahlenexposition. Das hat ein Forscherteam der Charité-Universitätsmedizin Berlin, des Berlin Institute of Health (BIH) und des Universitätsklinikums Bonn in einer Pilotstudie nachgewiesen.
Bis in die 1980er Jahre waren militärische Radaranlagen häufig unzureichend gegen Röntgenstörstrahlung abgeschirmt, die von den Verstärkerröhren der Radargeräte ausgesendet wurde. Diese Radar-Röntgenstrahlen konnten bei Bedienungs- und Wartungssoldaten zu Strahlenschäden führen. Die Betroffenen haben sich im „Bund zur Unterstützung Radarstrahlengeschädigter“ zusammengeschlossen. Im Jahr 2003 gab eine Expertenkommission Empfehlungen zu Entschädigungszahlungen. Da bei einigen Kindern ehemaliger Radarsoldaten körperliche Behinderungen festgestellt wurden, die von den Betroffenen auf die Strahlungsexposition der Väter zurückgeführt wurden, rücken nun die Nachkommen in den Fokus. Ob Radarstrahlung bei diesen Kindern zu Erbgutschäden führte, ist umstritten.
Dieser Frage ging jetzt ein Forscherteam der Charité-Universitätsmedizin Berlin, des Berlin Institute of Health (BIH), des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin, der Radboud University Nijmegen (Niederlande) und des Universitätsklinikums Bonn in einer Pilotstudie nach. „Durch neueste Methoden der Hochdurchsatzsequenzierung können nun komplette Genome von Eltern und deren Kindern in kurzer Zeit untersucht werden. Damit lassen sich die Mutationsraten nach Strahlenexposition viel genauer als bisher bestimmen“, sagt Erstautor Dr. Manuel Holtgrewe von der Core Unit Bioinformatik (CUBI) des Berlin Institute of Health (BIH) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin.
Quelle: Jean-Tori Pantel
Genome von zwölf Familien untersucht
Die Wissenschaftler untersuchten die Genome von insgesamt zwölf Familien von Radarsoldaten. Die ganzen Genome von 18 Nachkommen und deren Eltern wurden sequenziert. Die exakte Strahlenexposition der Soldaten lässt sich im Nachhinein nicht mehr genau bestimmen. Die Forscher schätzen aber, dass eine „hohe Dosis“ an Röntgenstrahlung von den Radarsystemen ausging, zumal es bei den Radarsoldaten zu einer Häufung unter anderem von Krebserkrankungen kam. Die Wissenschaftler verglichen die Mutationsraten in den Genomen der Radarsoldatenfamilien mit 28 Nachkommen von Eltern, die keiner Röntgenstrahlung ausgesetzt waren.
Im Fokus standen die so genannten „Multisite de novo Mutationen“ (MSDN), die bereits an Mäusen als eine Folge von Röntgenstrahlung nachgewiesen wurden. Eine MSDN liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Schäden benachbart auf einer Strecke von 20 Basenpaaren im Erbgutstrang auftreten. Während bei den Familien ohne Strahlenexposition lediglich jeder fünfte Nachkomme eine MSDN aufwies, waren es in den Radarsoldatenfamilien zwei von drei Nachkommen. Insgesamt wurden zwölf MSDNs bei den 18 Nachkommen von Radarsoldaten gefunden, bei einer Familie sogar sechs MSDNs bei drei Nachkommen. Darüber hinaus wurden bei zwei Nachkommen noch Veränderungen an den Chromosomen nachgewiesen, die schwerwiegende klinische Konsequenzen hatten. Der Ursprung dieser Mutationen konnte auch auf die väterliche Keimbahn zurückgeführt werden und tritt zufällig nur sehr selten auf.
„Die Ergebnisse unserer Pilotstudie legen nahe, dass sich eine Häufung an bestimmten Erbgutschäden durch Röntgenstrahlung in der Folgegeneration prinzipiell nachweisen lässt“, sagt Prof. Dr. Peter Krawitz vom Institut für Genomische Statistik und Bioinformatik am Universitätsklinikum Bonn. Wie ausgeprägt die Häufung von Erbgutschäden durch Röntgenstrahlung tatsächlich ist, müssen erst noch größere Studien erweisen, deren Ergebnisse sich auf eine deutlich breitere Datenbasis stützen. Ein Team um Krawitz plant derzeit eine solche Folgestudie zusammen mit dem Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn, der Charité-Universitätsmedizin Berlin und dem Berlin Institute of Health (BIH), die durch die Bundeswehr gefördert wird. Ehemalige Radarsoldaten, die absehbar einer höheren Dosis an Röntgenstrahlung ausgesetzt waren, und deren Nachkommen können sich melden, wenn sie an dieser Untersuchung teilnehmen möchten.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
09.10.2018