81. Jahrestagung DGK

Labortest lässt Herzinfarkt schneller erkennen

Ein neu entwickelter und in einer deutschen Studie untersuchter Test könnte zu einer entscheidenden Veränderung in der Diagnostik des Herzinfarkts führen. Die Veränderungen des Biomarkers Troponin im Blut innerhalb der ersten Stunde nach Krankenhausaufnahme liefern wichtige Hinweise, wie die Patienten weiter behandelt werden sollten.

Photo: Labortest lässt Herzinfarkt schneller erkennen

„Der Biomarker Troponin liefert rasch nach der Einlieferung in das Krankenhaus entscheidende Informationen, wie bei einem sogenannten Non-STEMI-Infarkt therapeutisch am besten vorzugehen ist“, betonte Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Hamburg.

Bei akuten Brustschmerzen stellt sich vor allem die wichtige Frage, ob es sich um einen Herzinfarkt handelt. Das akute Koronarsyndrom (ACS) entsteht dadurch, dass Teile des Herzmuskels zu wenig durchblutet und dadurch nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Allerdings können die genannten Beschwerden auch ganz andere Ursachen haben, und es gibt unterschiedliche Formen von ACS. Der erste diagnostische Test ist daher das EKG. Zeigt es charakteristische Veränderungen (eine Hebung der ST-Strecke) so spricht man von einem STEMI (ST-Elevation Myocardial Infarction). Das ist der „echte“ Herzinfarkt, bei dem es durch Verschluss eines Herzkranzgefäßes bereits zum Absterben von Herzmuskelzellen gekommen ist. Diese Patienten müssen sofort einer Behandlung zur Erweiterung der verengten Gefäße zugeführt werden. Diese besteht in der Regel aus einer Aufweitung der betroffenen Gefäße und Versorgung mit Stents, damit diese Gefäßbereiche auch offen bleiben. Dieser Eingriff wird mit dem Herzkatheter durchgeführt. Patienten, bei denen das EKG keine Hebung der ST-Strecke zeigt, haben ein sogenanntes Non-STEMI ACS.

Der Nachteil dieser Diagnose, so Prof. Blankenberg: „Sie sagt eigentlich nur aus, was nicht hinter den Symptomen steht. Harmlos ist der Non-STEMI Infarkt deshalb noch lange nicht. Allerdings fehlten bislang klare Anhaltspunkte, wie bei solchen Patienten weiter vorgegangen werden soll. Hier liefern uns neue Daten zu Troponin entscheidende Informationen.“


Wichtiger Zeitgewinn für den Therapiestart
Kardiales Troponin wird aus absterbenden Herzmuskelzellen freigesetzt und lässt sich im Blut mittlerweile sehr genau nachweisen. Der Nachteil: Die gefundenen Werte sind individuell sehr unterschiedlich und können auch aus anderen Gründen als einem Herzinfarkt erhöht sein. Bislang wurde das Troponin bei der Aufnahme und dann nach ungefähr sechs Stunden bestimmt. Eine Forschergruppe des Herzzentrums Hamburg konnte nun zeigen, dass man mit modernen Tests so genaue Ergebnisse bekommt, dass die Troponin-Dynamik in der ersten Stunde wichtige Hinweise liefert. Prof. Blankenberg: „Das bedeutet in der klinischen Praxis einen wichtigen Zeitgewinn. Mit den neuen, extrem sensitiven Troponin-Tests kann man also die Herzinfarkt-Diagnose beim Non-STEMI ACS schon innerhalb einer Stunde stellen. Das ist eine deutliche Verbesserung.“

In der bei Jahrestagung der DGK präsentierten Studie wurde folgendermaßen vorgegangen: Den Patienten wurde gleich bei der Krankenhausaufnahme Blut abgenommen und das Troponin bestimmt. Eine Stunde später erfolgt eine weitere Blutabnahme und Troponin-Bestimmung. Hat sich das Troponin in dieser Zeit verändert, so kommt der Patient zum Herzkatheter, wo dann die Durchblutung des Herzmuskels mittels Angiographie untersucht und bei Bedarf eine entsprechende Behandlung eingeleitet wird. Ist das Troponin in der Stunde gleich geblieben, kann der Patient nach Hause gehen – mit Ausnahme der sehr seltenen Fälle, in denen der Troponin-Wert sehr hoch ist, sich mit der Zeit aber nicht verändert.


Herausforderung für gängige Leitlinien
Das ist dann kein Herzinfarkt, sondern etwas anderes, das eine gründliche Abklärung erforderlich macht. „In unserer Studie hatten wir 40 bis 50 Prozent Patienten, die wir nach einer Stunde nach Hause schicken konnten und nur noch zehn bis 15 Prozent, die zum Herzkatheter mussten. Die restlichen mussten ebenfalls im Krankenhaus bleiben und wurden dort gründlich nicht invasiv untersucht“, berichtet Prof. Blankenberg. „Wir erwarten, dass dieser Algorithmus die gängigen Leitlinien herausfordern wird. Der hochsensitive Test ist verfügbar und wir werden in unserem Haus in Kürze das Prozedere auf das Ein-Stunden-Schema umstellen.“


Pressetext DGK 04/2015

09.04.2015

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