Labormedizin im Zeichen der Früherkennung

von Meike Lerner

Wenn sich Laboratoriumsmediziner aus der ganzen Welt alle drei Jahre zusammenfinden, um die Neuigkeiten ihres Fachgebietes auszutauschen, gibt es viel zu berichten. „Drei Jahre sind gerade in der Forschung eine lange Zeit. Da wird das Informationsangebot schnell gewaltig groß“, so Prof. Rudolf Tauber, neben Prof. Harald Renz der diesjährige Kongresspräsident des IFCC Worldlab Kongresses, der vom 15. bis zum 19. Mai in Berlin stattfindet.

Prof. Rudolf Tauber
Prof. Rudolf Tauber

Eine der Herausforderungen der Programmverantwortlichen lag deshalb darin, die aktuellen Trends und Entwicklungen des Faches zu kanalisieren und den Teilnehmern eine Übersicht aufzubereiten, die ebenso informativ wie umfassend ist. Welche Themen dabei im Fokus stehen, darüber berichtete der Kongresspräsident im Gespräch mit EUROPEAN HOSPITAL.

Herr Prof. Tauber, welches sind die „Hot Topics“ des diesjährigen IFCC Worldlab Kongresses und worüber diskutiert die Welt der Labormedizin?

Aus der Vielfalt der Themen zeichnen sich vier Komplexe besonders deutlich ab, die wir im Rahmen der täglichen Plenary Sessions ausführlich behandeln werden: Molekulare Tumormarker, klinische und diagnostische Immunologie, neurodegenerative Erkrankungen sowie neue Methoden und Verfahren in der Labormedizin. Bei den molekularen Tumormarkern liegt der Schwerpunkt auf der Frühdiagnostik von malignen Tumoren. Neue Erkenntnisse in der Molekularbiologie – Stichwort epigenetische Tumormarker und Mikro-RNA – geben Anlass zur Hoffnung, dass wir in Zukunft neue Screeningparameter entwickeln können, die eine Diagnostik in einem sehr frühen Krankheitsstadium zulassen.

Bei der klinischen und diagnostischen Immunologie werden die Autoimmun-Erkrankungen das große Thema sein. Auch hier ist Früherkennung ein Stichwort, denn je früher mit der Therapie begonnen wird, desto besser deren Ergebnisse. Ebenfalls heiß diskutiert sind die individualisierte Therapie sowie die Reprogrammierung von falschen Immunantworten – beides Gebiete, auf denen derzeit intensiv geforscht wird.

Eine der großen Herausforderungen der Medizin in den kommenden Jahrzehnten werden die neurodegenerativen Erkrankungen sein, denen wir uns ebenfalls intensiv widmen. Hier gilt es nicht nur, neue Therapieverfahren – beispielsweise für Alzheimer – zu entwickeln, sondern auch neue Biomarker für die Diagnostik zu erforschen, die uns eine frühzeitige Erkennung und die Überprüfung der Wirksamkeit von Therapien ermöglichen.

Gerade im Bereich der neuen Methoden und Verfahren hat sich in den vergangen Jahres Vieles getan. Wo liegen hier die Schwerpunkte?

Eines der Schlagworte lautet sicherlich Next Generation Sequencing, das es uns ermöglicht, das gesamte Genom innerhalb von Stunden zu sequenzieren. Verfahren wie dieses, die gerade Eingang in die Forschung und Entwicklung finden, werden uns bereits in naher Zukunft die Möglichkeit geben, genetische Risikofaktoren für Erkrankungen oder Erkrankungsgruppen für den einzelnen Patienten zu erfassen. Das Next Generation Sequencing wird die Diagnostik, aber auch die Prävention auf einen völlig neuen Stand bringen, dessen Konsequenzen wir heute in Gänze noch gar nicht überblicken können. Es wird die Basis für maßgeschneiderte Therapieverfahren bilden, die wiederum das gesamte Gesundheitswesen revolutionieren können. Ebenfalls entscheidend sind analytische Techniken wie die Massenspektrometrie und die Entschlüsselung des Proteoms, also der Gesamtheit aller Proteine und des Metabloloms, das heißt der Gesamtheit aller Stoffwechselprodukte. Das wissenschaftliche Programm und die große Industrieausstellung werden beim IFCC Worldlab Kongress einen hervorragenden Überblick über alle neuen Entwicklungen geben.

Die Optionen, die Sie hier beschreiben, werden nicht nur die Labormedizin, sondern auch die klinischen Bereichen stark beeinflussen. Wie beurteilen Sie den Stellenwert der Labormedizin innerhalb des klinischen Kontextes?

Die Labormedizin und die mit ihr vernetzten Fächer stellen etwa 60 Prozent der Informationen zur Verfügung, die für eine Diagnose entscheidend sind. Mit der Zunahme der Erkennung von Pathomechanismen und mit der Zunahme des Verständnisses der genetischen Grundlagen von Erkrankungen, wird die Labormedizin in Zukunft darüber hinaus immer wichtiger für den Bereich der Prävention. Gleiches gilt für die Therapie: Wir werden künftig mehr und mehr in der Lage sein, den Einsatz bestimmter Medikamente auf deren Nutzen für den einzelnen Patienten hin zu überprüfen. Der ganze Bereich der Personalized Medicine wäre ohne die Labormedizin gar nicht möglich.

Welche Anforderungen ergeben sich daraus für Ihr Fach?

Die wissenschaftliche Tätigkeit muss ausgeweitet werden, denn wir benötigen eine aktive und engagierte Wissenschaft, die den Blick auf das Verständnis der molekularen Grundlagen von Erkrankungen richtet. Eine ganz wesentliche Rolle wird der Überprüfung der klinischen Nützlichkeit all der neuen Verfahren und der neuen Biomarker zukommen. Wir müssen also überprüfen, wie neue Verfahren und neue Parameter sich in die ambulante und stationäre Krankenversorgung integrieren lassen. Und schließlich müssen wir auch die Ausbildung sowohl des akademischen als auch des nicht-akademischen Personals intensivieren. Denn die Herausforderungen, die mit der Einführung neuer Technologien einhergehen, können nur durch eine Vertiefung der Ausbildung gemeistert werden.

Vielen Dank für das Gespräch.
 

Mehr Informationen zum IFCC-WorldLab Berlin 2011 unter www.berlin2011.org/

 

05.05.2011

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