Krieg den Keimen. Oder: Sind wir sind nicht ganz sauber?

Mit MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) ist nicht zu spaßen. So ist das Bakterium in der Lage Lungenentzündungen, langwierige Wundinfekte oder gar tödliche Blutvergiftungen zu verursachen.

Stefan Wythe
Stefan Wythe

Stefan Wythe, Hygienebeauftragter in der Radiologie, Klinikum Freising, hat sich des Themas angenommen und informiert Kollegen und Mitarbeiter regelmäßig über die Gefahren durch resistente Keime und wie sie besiegt werden können.

Können wir den Kampf gegen die Keime gewinnen?

Die Menschheit musste schon immer gegen multiresistente Keime kämpfen. Egal ob Pest, Syphilis, Pocken, Cholera oder Spanische Grippe, resistente Keime waren auch in der Vergangenheit für zahlreiche Todesopfer verantwortlich. Allein die Spanischen Grippe kostete vor knapp 100 Jahren etwa 25 Millionen Menschen das Leben. Heute lässt sich die Liste der Erkrankungen mit unverhältnismäßig vielen Opfern fast beliebig fortsetzen. Denken wir allein an die Schweinegrippe. Denn die Entwicklung wirksamer Medikamente wird der Verbreitung resistenter Keime und deren rasanten Mutationen immer einen Schritt weit hinterherhinken. Den Kampf gegen die Keime werden wir nicht gewinnen können. Lediglich einen Teilsieg halte ich für möglich. Wir können versuchen die Oberhand zu gewinnen. Aber besiegen bzw. vernichten können wir die Keime nicht.

Wie breiten sich Keime aus?

Für die Verbreitung von Keimen gibt es zahlreiche Faktoren. Einer davon ist die demographische Entwicklung. Es gibt immer mehr ältere Menschen mit geschwächter Immunabwehr. Aber auch chronische Erkrankungen spielen eine große Rolle. Patienten mit geschwächter Immunabwehr bieten Keimen ideale Bedingungen sich auszubreiten. Hinzu kommen lange und komplexe Operationen, die es früher nicht gab. Ein weiterer wichtiger Punkt ist durchaus in der Personalpolitik zu sehen. Das Zahlenverhältnis von Pflegepersonal zu Patientenzahl ist stark rückläufig. Für ausreichende Hygienemaßnahmen fehlt oftmals die Zeit und wichtige Hygieneaufgaben werden aus Kostengründen an Subunternehmer vergeben. Auch das Hygieneverständnis der Mitarbeiter ist nicht sehr ausgeprägt. Viele verstehen gar nicht, um was es geht und denken Hygienevorschriften seien reine Schikane.

Der Tourismus im Allgemeinen und der Patiententourismus im Speziellen tragen ebenfalls zur Keimverbreitung bei. Patienten reisen heute für eine OP von einem Kontinent zum anderen oder werden für eine Weiterbehandlung von einem Krankenhaus ins andere verlegt und die Keime reisen mit. Aber der wichtigste Grund für die Ausbreitung multiresistenter Keime sind die Antibiotikatherapien.

Was machen wir bei den Antibiotikatherapien falsch?

Hausärzte verschreiben oft viel zu schnell Antibiotika. Dabei greifen sie auch häufig zu Breitbandwirkstoffen, obwohl diese gar nicht nötig sind. Und auch manchen Patienten verhalten sich falsch, denn fühlen sie sich nach wenigen Tagen bereits gesund, ist die Verlockung groß, das Präparat einfach abzusetzen. Aber in dieser Zeit wurden die Keime nicht ausreichend dezimiert und können sich mit einer Resistenz gegen den Behandlungswirkstoff wieder vermehren. Dieser Umstand ist ein wesentlicher Grund für MRSA. Wären wir hier vorsichtiger gewesen, wäre es gar nicht so weit gekommen.

Was hinzukommt ist die Antibiotikagabe in der Massentierhaltung bei Geflügeltieren. Hier führte uns die Vogelgrippe vor Augen, dass Keime in der Lage sind vom Tier zum Menschen überzuspringen und sich weltweit zu verbreiten. Das werden wir nicht verhindern können.

Wie gelingt es uns wenigstens teilweise die Oberhand zu gewinnen?

Die Strategie der Ausbreitung von Keimen entgegenzuwirken klingt denkbar einfach. Zielgerichtete Hygiene in dem Bewusstsein, wie unterschiedliche Keimstämme sich ausbreiten und übertragen werden, würde uns schon sehr viel weiter bringen. Über die Ausbreitung haben wir bereits gesprochen. Übertragen werden die Keime im Gesundheitswesen in erster Linie durch das Personal, egal ob Arzt, Pfleger oder Patientenservice. In seltenen Fällen übertragen Patienten Keime untereinander. Und hier schließt sich der Bogen wieder zur Personalpolitik und den Kosten. Wer bei den Reinigungskräften spart, darf sich nicht wundern, wenn Hygienemaßnahmen leiden.

Das A und O im Kampf gegen Keime ist eine gewisse Basishygiene. Gegen Keime gibt es keine Wunderwaffe. Im Rahmen der Basishygiene ist es wichtig, bestehende Hygienemaßnahmen dahingehend zu überprüfen, ob sie noch aktuell und zweckmäßig sind. Hygienestandards sollten klar und deutlich festgelegt sein. Jeder Klinikmitarbeiter muss genaue Anweisungen bekommen, wann er welche Hygienemaßnahme ergreifen muss. In Bezug auf die MRSA-Rate liegen wir in Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld - Holland liegt an der Spitze. Dort hat man die Gefahr früher erkannt und besser reagiert. Bereits bei der Einweisung ins Krankenhaus werden die Patienten in Risikogruppen eingestuft und zunächst in eine Isolierstation verlegt. Dazu bedarf es jedoch klarer Anweisungen, Vorgehensweisen und Durchführungen. Deutsche Kliniken sind weder strukturell noch baulich dafür geeignet. Der Ansatz lautet also Hygiene beachten, Risikobewertung vornehmen und Übertragungsmöglichkeiten vermeiden.

 

 

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Im Profil

Stefan Wythe ist Hygienebeauftragter der Radiologie im Klinikum Freising. Der gelernte Rettungsassistent, Krankenpfleger und Fachkrankenpfleger für Innere Medizin und Intensivmedizin ist seit 1990 im Klinikum Freising tätig. Von 1993 – 2010 arbeitete er auf einer interdisziplinären Intensivstation, seit 2010 im Herzkatheter- und EPU-Labor. Seit 1994 ist er Reanimationstrainer in der innerbetrieblichen Fortbildung.

 

10.05.2012

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