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KI erkennt Herzinfarkt im EKG zuverlässiger als Kardiologen
Eine künstliche Intelligenz (KI), die auf das Auslesen von Elektrokardiogrammen trainiert wurde, erzielt eine höhere Trefferquote bei der Erkennung von Herzinfarkten als ein menschlicher Facharzt.
Das berichtet Prof. Dr. Hisaki Makimoto vom Universitätsklinikum Düsseldorf auf den diesjährigen DGK Herztagen in Berlin (10.-12. Oktober 2019). Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung ist die Rolle der KI in der Herzmedizin ein zentrales Thema.
Quelle: DGK
"Für diese Studie haben wir eine künstliche Intelligenz erschaffen und sie EKGs lernen lassen", berichtet Prof. Makimoto. Ähnlich wie beim Lernprozess im menschlichen Gehirn verarbeitet die KI die Daten, die ihr zur Verfügung gestellt werden und zieht aus einer künstlichen Form der Erfahrung Schlüsse, wenn Objekte und Lehrsätze eng definiert werden (Abb. 1). In dieser Studie betraf dies die Erkennung EKG-morphologischer Kriterien für einen alten Myokardinfarkt, der innerhalb der letzten 3 Monate stattgefunden hatte.
Objekt und Lehrsatz für die KI wurden in der Studie wie folgt formuliert: „Ist das ein EKG eines Patienten, der in den letzten 3 Monaten einen MI erlitten hat?“. Die Grundlage für dieses Programm war ein sogenanntes „Deep Learning“, das Informationen nach Mustern des Nervennetzwerks im menschlichen Gehirn bearbeiten kann. Dabei wurde die KI mittels EKGs mit der jeweiligen Anmerkung „Ja“ oder „Nein“ trainiert. Anschließend wurde sie mit unabhängigen EKG-Datensätzen getestet. Parallel dazu sollten auch neun menschliche Kardiologen diese Datensätze einordnen. Makimoto: "Zu unserer Überraschung war das Resultat bei der KI besser als bei den Kardiologen."
Anschließend wurde der Versuch mit weniger Ableitungen (<12) aufgenommenen EKGs wiederholt. "Normalerweise werden EKGs mit 12 Ableitungen aufgenommen, können aber auch mit weniger Ableitungen aufgenommen werden, wenn eine schwierige Situation es erfordert (z.B. im Rettungswagen)", erörtert der Experte. "Eine EKG-lesende KI wäre in solchen Situationen hilfreich."
Die KI zeigte auch mit bei reduzierter Anzahl von EKG-Ableitungen bessere Resultate als die geprüften Kardiologen, obwohl ihre Genauigkeit nach der Reduzierung der Ableitungen sank. Das Forscherteam untersuchte auch, worauf die KI in den EKGs bei ihrer Beurteilung den Fokus gelegt hatte (Abb.2), und fand heraus, dass diese von der KI selbständig gewählten Schwerpunkte bei der EKG-Interpretation im medizinischen Sinne richtig waren – auch das eine Überraschung für die Wissenschaftler.
Test unter Realbedingungen
In Zukunft könnten beispielsweise Rettungswagen oder Armbanduhren mit dem kompletten System der KI zur EKG Analyse ausgerüstet werden
Hisaki Makimoto
Das Ergebnis ist von Bedeutung, weil bislang viele KI-Studien die EKG-Daten in immenser Quantität (mindestens 10,000) als elektronische Roh-Daten verwendeten (z.B. Hannun et al. 2019; Attia et al., 2019). Je mehr und reiner die EKG-Daten während des „Lernens“ sind, desto höher kann die Genauigkeit der KI bei „Beurteilung“ werden. "In unserer Studie benutzten wir allerdings 'nur' 289 EKG in PNG-Format, ähnlich wie in der normalen Fotografie", so Makimoto.
Die geringere Datenqualität der PNG-EKGs hat für die Forscher einen weiteren Vorteil: Im klinischen Alltag wird das EKG meist noch als zweidimensionales Bild aufgenommen. "Das EKG in PNG-Format zu lesen ist deshalb eine Bild-Analyse, die bei der medizinischen Forschung mit KI an erster Stelle steht (Radiologie, Pathologie)", erklärt der Kardiologe und blickt auf mögliche Anwendungsbereiche: "In Zukunft könnten beispielsweise Rettungswagen oder Armbanduhren mit dem kompletten System der KI zur EKG Analyse ausgerüstet werden. Nach meiner persönlichen Ansicht könnte dies bereits in naheliegender Zukunft zur Realität werden."
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK)
10.10.2019