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Intervention bei Venenthrombosen
Thrombosen in den Venen sind eine Volkskrankheit. Treten sie in jungen Jahren auf, können sie ohne Behandlung zu Berufsunfähigkeit und Invalidisierung führen. „Doch soweit muss es nicht kommen“, ist Prof. Dr. Josef Tacke, Facharzt für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie am Klinikum Passau, überzeugt und erläutert eine Methode, die lange vernachlässigt wurde, trotz erstaunlicher Ergebnisse.
Früher wurden diese schweren Fälle nur in absoluten Notfällen operativ behandelt.
Die meisten Thrombosen treten in den Beinen oder Beckenvenen auf. Die harmlose Unterschenkelthrombose kann mit Kompressionsstrümpfen und Blutverdünnung über einen gewissen Zeitraum sowie Sport geheilt werden. Anders ist es bei massiven Thrombosen, die zum Beispiel durch das May-Thurner-Syndrom verursacht werden. Bei dieser anatomischen Besonderheit verläuft die linke Beckenvene unter der rechten Beckenschlag-ader. Dies kann zur Folge haben, dass die Vene wie mit einer Kneifzange zugedrückt wird. In Kombination mit anderen Faktoren, wie zu geringer Flüssigkeitszufuhr, Rauchen oder der Einnahme der Pille, kann es plötzlich zu einer Beckenvenenthrombose kommen. Die Patientinnen – von dieser Form der Thrombose sind überwiegend Frauen betroffen – können nicht mehr laufen, ihr Bein ist verdickt, stark gerötet und verursacht heftige Schmerzen. Früher wurden diese schweren Fälle nur in absoluten Notfällen operativ behandelt. Zum einen wegen der starken Blutungen, die immer ein Risiko darstellen, zum anderen, weil sie langfristig kaum Erfolge zeigten. Im Gegenteil, oft wurde das andere Bein zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen.
Erfolgreich bei akuten und chronischen Fällen
Eine probate Lösung dieses Problems kommt aus dem Fachgebiet der Interventionsradiologie: Wie bei der arteriellen Gefäßverstopfung auch, wird die Thrombose zunächst aufgelöst und der Engpass in der Vene im Anschluss mit einem Stent abgesichert. Eigentlich kein brandneues Verfahren, rückt es aber aufgrund seiner guten Ergebnisse in der Interventionsradiologie zurzeit in den Fokus. Denn bei rechtzeitiger Behandlung akuter Fälle kann es zu einer vollständigen Abheilung kommen. Damit aber noch nicht genug, auch bei chronischen Venenverengungen verzeichnen die Interventionellen Radiologen sehr gute Effekte. Offene Geschwüre, chronische Beinschwellungen und andere dramatische Begleiterscheinungen sind oft die Folge von chronischen Verschlüssen, die bisher in dem Ruf standen, gar nicht mehr behandelt werden zu können. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass mit Methoden aus dem Bereich der arteriellen Gefäßverstopfung auch bei chronischen Thrombosen eine deutliche Besserung gelingt. Bei einem Großteil der Patienten heilen die Geschwüre und offenen Stellen sogar wieder vollständig ab. „Und das langfristig“, freut sich Tacke und weiter: „Wenn ein alter Beckenvenenverschluss rekanalisiert werden kann, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Vene über die nächsten 10 Jahre offen bleibt bei ca. 60 Prozent – nach einmaliger Intervention.“ Wird wiederholt interveniert, seien es sogar 90 Prozent. Ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann, angesichts einer konservativen Behandlung mit Wickeln und Bandagen, die nur selten Abhilfe schafft.
Erfahrung und eine sichere Hand
Voraussetzungen für die erfolgreiche Durchführung sind ein gutes bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Gefäße und ein gehöriges Maß an praktischer Erfahrung. Denn wird die innerste Schicht der Venenwand bei dem Eingriff verletzt, so begünstigt dies die Entstehung einer Thrombose an dieser Stelle. Vor diesem Hintergrund sollte eine frische Thrombose schnellstmöglich behandelt werden, bevor kleine Gefäße in den Thrombus hineinwachsen und diesen organisieren. Wenn dies in den ersten zwei bis fünf Tagen gelingt, kann auf den Einsatz eines Stents manchmal verzichtet werden.
Aufklärung tut Not
Das Bewusstsein für diese Art der Behandlung gerade im Bereich der Beckenvenenthrombose ist noch nicht flächendeckend ausgeprägt. Das Verfahren sickert aber langsam durch und ist auf dem Weg in die ersten Leitlinien. „Zuweiser, wie zum Beispiel Hausärzte, auch gerade in ländlichen Regionen, sollten unbedingt davon wissen, damit sie ihre Patienten in die richtigen Zentren schicken“, so Tacke abschließend.
Profil:
Prof. Dr. Josef Tacke ist Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie/Neuroradiologie am Klinikum Passau. Er stammt aus Rheine, Westfalen, und studierte Medizin in Ulm und Düsseldorf. 1992 bis 2004 war sein Arbeitsplatz die RWTH Aachen, wo er zuletzt als Oberarzt der Klinik für Radiologische Diagnostik agierte. Der Facharzt für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie engagiert sich besonders im Bereich vaskulärer und onkologischer Interventionen. Er ist u.a. Gründungs- und war langjähriges Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) und Vorstandsmitglied und Gutachter der Qualitätssicherungskommission „Interventionelle Radiologie“ der KV Bayern. Seit 2009 gehört er zum Vorstand der Bayerischen Röntgengesellschaft und übernahm 2010 die Tagungspräsidentschaft des Bayerisch-Österreichischen Röntgenkongresses in Linz.
Veranstaltungshinweis:
Raum: Conference 4
Freitag, 14. Oktober 2016, 12:10 – 12:30 Uhr
Symposium 3: Intervention 1 – Vaskulär
Frischer Wind bei Venenthrombosen – warum Abwarten nicht mehr gilt
13.10.2016