Nicht die Bildbeschreibung, sondern klinische Relevanz zählt

Die Interventionelle Radiologie befindet sich beim Thema Gefäße in einem ständigen Wettstreit mit den Gefäßchirurgen. Umso wichtiger, dass angehende Radiologen das Rüstzeug für diesen Teilbereich der Radiologie erwerben, selbst wenn er in ihrer praktischen Ausbildung vielleicht keine Rolle spielt.

Carotisstenose vor Stent
Carotisstenose vor Stent

Das schließt das Vorgehen bei Blutgerinnungsstörungen ebenso ein, wie Indikation und Therapie bei der Schaufensterkrankheit, die Verengung des Dialyseshunts oder die Stenosen in der Halsschlagader bzw. Thrombose von Hirngefäßen. Die Sitzung „Fit für den Facharzt – Interventionen Gefäße“ möchte hierzu das notwendige Wissen vermitteln.

Aktuelle Antikoagulanzien

Marcumar war gestern, zur Hemmung der Blutgerinnung kommen heute neue orale Antikoagulantien (NOAK) oder Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) zum Einsatz. „Es ist wichtig, dass der Facharztkandidat weiß, welche Formen von Gerinnungsstörungen es gibt, welche häufig und welche nur ganz selten auftreten“, erklärt Prof. Dr. Josef Tacke, Chefarzt der Radiologie am Klinikum Passau und Moderator der Sitzung. Denn immer wieder komme es vor, dass man die Intervention, zum Beispiel bei einer arteriellen Thrombose des Beins, erfolgreich nach allen Regeln der Kunst ausführt, der gewünschte Erfolg aber dennoch ausbleibe. Spätestens dann sei es wichtig, auch an seltene Blutgerinnungsstörungen wie die Heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) mit ihren unterschiedlichen Subtypenzu denken. „Weiterhin muss man im Hinterkopf haben, dass Antikoagulantien häufig in der Kardiologie eingesetzt werden. Anders als bei Marcumar gibt es bei den NOAK aber leider keinen Laborparameter, der einen sicheren Aufschluss über die aktuelle Gerinnungsfähigkeit liefert, so Tacke. „Wenn man also Probleme bei Interventionen von Patienten mit Blutverdünnung verhindern möchte“, so der Radiologe, „ist dieses Hintergrundwissen unabdingbar.“

Die klinische Relevanz bei der Diagnostik der pAVK

Auch bei der Behandlung der peripher arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) sei es wichtig, die klinische Bedeutung und therapeutische Konsequenzen der Bilder zu erkennen.Bei der Gefäßbildgebunggehe es nicht darum zu beschreiben, was man sieht, der Radiologe nimmt vielmehr eine wichtige Schlüsselfunktion für die Bestimmung weiterer therapeutischer Schritte ein. „Wenn der Zuweiser nur die Auskunft bekommt, welche Gefäße verschlossen sind und welche nicht, so hilft ihm das bei der Therapieentscheidung nicht weiter. Nur wenn der Radiologe sich auch im klinischen Bilder der PAVK auskennt, kann er therapieentscheidende Hinweise geben: „Nichts machen, Gehtraining, perkutane Rekanalisation oder Bypass-OP“, schildert der Experte. Die klinische Erfahrung ist für den Interventionellen Radiologen folglich unerläßlich.

Der Diaylseshunt ist die Lebensader eines Dialysepatienten, die der Radiologe in der Regel erst dann zu sehen bekommt, wenn er Probleme bereitet. Die Zusammenführung von Arterie und Vene wird operativ hergestellt, um den Blutfluss zu erhöhen. Üblicherweise werden diese Shunts am Unter-oder Oberarm gelegt, wobei die Vene auf dieses arterialisierte Blut mit einer Erweiterung und einer festeren Wand reagiert, die dann für die Blutwäsche gut punktiert werden kann. Der Shuntkann aber auch dazu führen, dass die Vene Engstellen und Aneurysmen bildet.In einem Setting ohne Interventionelle Radiologie wird praktisch immer operiert. „Das ist die schlechtere Variante, denn die Stellen am Körper, die man für den Shunt nutzen kann, sind begrenzt. Deshalb versucht man jeden Shunt so lange wie möglich konservativ zu pflegen und weitsichtige Gefäßchirurgen suchen die Kooperation mit den Interventionellen Radiologen. Denn auch sie sind froh, den Shunt so lange wie möglich mit perkutanen Techniken am Laufen zu halten“, so der Passauer Radiologe.

Heißes Eisen: Revaskularisation bei Schlaganfall

Bei der Behandlung der supraaortalen Gefäße wird zwischen verschiedenen Stenosegraden der Gefäßveränderungen unterschieden. Allerdings gibt es bei der Behandlung von Engstellen der Halsschlagader eine Grauzone. Bei einem Apoplex wird die Stenose der betreffenden Halsschlagader behandelt, das ist geltender Konsens. Aber wie sieht es aus, wenn jemand nur eine asymptomatische hochgradige oder aber eine progrediente Stenose hat? Dann stelle sich die Frage: Behandeln oder nicht behandeln? Konservative Therapie¸OP oder Interventionen? Eine Frage, die vielleicht durch die SPACE II Studie beantwortet werden kann. Die Interventionelle Therapie diese Läsionen ist eine Revaskularisation durch Stent/PTA der Arteria carotis. Denn die Evidenz der seit über 50 Jahren etablierten Operation der Halsschlagader stammt aus einer Zeit, als es keine Alternative gab. „Heute gibt es viele mehr oder minder gute Vergleichsstudien zwischen Operation und Stent, aus denen sich jeder das heraussucht, was er gern hören möchte. Die Behandlungsergebnisse für beide Verfahren sind absolut gleichwertig und neuere Studien bestätigen den Nutzen der Stents, so Tacke. Und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es beim ischämischen Apoplex? „Standardmäßig verabreichen die Neurologen dann ein Medikament zur Gerinnselauflösung (systemische Thrombolyse). Wenn der Schlaganfall aber frühzeitig festgestellt wurde und die zentralen Hirngefäße (A1, M1, M2) betroffen sind, erzielt man aber möglicherweise bessere Ergebnisse damit, die Hirnschlagadern mit Hilfe eines Rekanalisationskatheters („Stentretriever“) aufzusuchen und den Thrombus mechanisch zu entfernen“, erklärt Tacke. Die Limitation besteht allerdings darin, dass der Embolus nicht zu weit in der Peripherie liegen darf. Diese Therapieoption besteht, wenn noch kein ausgedehnter Hirninfarkt vorliegt. Das Verfahren stellt im Moment ein heißes Eisen zwischen Radiologen und Neurologen dar. „Gut möglich, dass die Vorhaltung der arteriellen cerebralen Revaskularisation eines Tages zum neuen Standard der Stroke Units wird“, so Tacke abschließend.
 

Im Profil:
Prof. Dr. Josef Tacke ist Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie/Neuroradiologie am Klinikum Passau. Er stammt aus Rheine, Westfalen, und studierte Medizin in Ulm und Düsseldorf. 1992 bis 2004 war sein Arbeitsplatz die RWTH Aachen, wo er zuletzt als Oberarzt der Klinik für Radiologische Diagnostik agierte. Der Facharzt für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie engagiert sich besonders im Bereich vaskulärer und onkologischer Interventionen. Er ist u.a. Gründungsmitglied und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) und Vorstandsmitglied und Gutachter der Qualitätssicherungskommission „Interventionelle Radiologie“ der KV Bayern. Seit 2009 gehört er zum Vorstand der Bayerischen Röntgengesellschaft und übernahm 2010 die Tagungspräsidentschaft des Bayerisch-Österreichischen Röntgenkongress in Linz.

 

18.10.2013

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