QuartrBack

Intelligente Notfallkette für Menschen mit Demenz

Menschen mit Demenz zeigen vielseitige und folgenreiche Verhaltensänderungen. Scham, Angst und eine abnehmende Orientierungsfähigkeit senken den Grad von Selbstständigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe. Das Verbundprojekt QuartrBack unter Koordination der Evangelischen Heimstiftung verbindet ein ehrenamtliches Helfernetz mit Technologien für Ortung, Monitoring, Information und professioneller Dienstleistung.

Das Verbundprojekt QuartrBack soll Menschen mit Demenz soziale Teilhabe und...
Das Verbundprojekt QuartrBack soll Menschen mit Demenz soziale Teilhabe und Bewegungsfreiheit im vertrauten Quartier erhalten.
Quelle: Alexandr Mitiuc/fotolia

So schafft QuartrBack eine intelligente Notfallkette, die Menschen mit Demenz einen Zugang zum bisher vertrauten Quartier und damit soziale Teilhabe erhält. Das ITAS übernimmt im Projekt die Folgenbeurteilung der Techniknutzung und erforscht nicht-technische – zum Beispiel ethisch-soziale – Aspekte.

Er ist die wichtigste Person auf dem Platz: Der Quarterback im American Football. Als verlängerter Arm des Trainers muss er die vorgegebenen taktischen Spielzüge umsetzen und sein Offensiv-Team entsprechend koordinieren. Doch ist er nicht nur bloßer Befehlsempfänger, sondern auch kreativer Kopf der Mannschaft: Blitzschnell muss er auf die Reaktionen der gegnerischen Defensive reagieren und die Spielzüge entsprechend anpassen.

Der Schlüsselspieler im American Football ist Namenspatron für das Verbundprojekt QuartrBack, das sich zum Ziel gesetzt hat, eine intelligente Notfallkette für Menschen mit Demenz zu entwickeln. Kernstück der Kette ist das ServiceCenterPflege, kurz SCP. Mithilfe einer speziellen Software können die Mitarbeiter des SCP wie der Quarterback auf dem Feld in einer Risikosituation umgehend die nächsten (Hilfe-)Schritte vorausplanen und aus den möglichen Handlungsalternativen die für die Situation adäquateste auswählen.

Soziale Isolation vermeiden

Ein wesentliches Merkmal von Demenzerkrankungen ist eine Ruhe- und Rastlosigkeit verbunden mit einer deutlichen Verschlechterung des Orientierungssinns. Viele Menschen mit Demenz verspüren deshalb den Drang umherzuwandern und zu biografischen Punkten wie etwa dem Elternhaus zu gehen. Dabei verlieren sie oftmals die Orientierung – selbst im gewohnten Umfeld wie zum Beispiel ihrem angestammten Wohnviertel in der Stadt. Häufig ziehen sie sich dann aus Scham oder Angst in die Isolation zurück und geben damit einen Großteil ihrer Selbstständigkeit und gesellschaftlichen Teilhabe auf.

QuartrBack soll genau das verhindern und Menschen mit Demenz den Zugang zu ihren bisher vertrauten Sozialräumen im Quartier und damit einen individuellen Lebensstil erhalten. Indem QuartrBack die Risiken zunehmender Desorientierung minimiert, ermöglicht das Projekt die für den Erhalt der Gesundheit so wichtige Bewegungsaktivität. Das System ist dabei in einen ressourcenorientierten Ansatz der Quartiersentwicklung eingebettet. Dieser fördert nicht nur Begegnung, Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Demenz, sondern stärkt auch die Achtsamkeit und das nachbarschaftliche Miteinander und wirkt sich positiv auf Altersbilder in der Gesellschaft aus.

Bewegungsfreiheit im vertrauten Quartier erhalten

Gewöhnlich beschränken sich herkömmliche Sicherheitssysteme zu Beginn der Erkrankung auf das Haus oder die Wohnung der Betroffenen. So können etwa ein Hausnotrufsystem, eine automatische Herdabschaltung sowie Sensoren im Wohnraum installiert werden, die im Bedarfsfall die Beleuchtung für den Weg zur Toilette einschalten.

Damit sich Menschen mit Demenz im fortschreitenden Krankheitsverlauf auch weiterhin in ihrem vertrauten Sozialraum im Quartier frei bewegen können, erweitert QuartrBack diese Systeme über die Grenzen der eigenen vier Wände hinaus. Durch ein unauffälliges Ortungssystem – etwa in der Armbanduhr der Betroffenen – schalten sich beim Verlassen der Wohnung sicherheitskritische Geräte automatisch aus, die Haustür verschließt sich und wird bei der Rückkehr wieder geöffnet.

Die SCP-Software registriert dann die weiteren Bewegungen außerhalb der Wohnung und bewertet die Situation in Echtzeit auf Basis einer Reihe von Parametern – zum Beispiel das aktuelle Wetter mit Regen- und Gewitterwahrscheinlichkeit, die Tageszeit oder den Status der Medikamenteneinnahme. Wenn nun ein Mensch mit Demenz von seinem gewohnten Bewegungsprofil abweicht, ein schweres Gewitter ansteht oder dringend Insulin eingenommen werden muss, wird automatisch das SCP alarmiert. Dieses kann somit noch vor einer schweren Notsituation rechtzeitig geeignete Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen einleiten.

So kann das SCP beispielsweise auf das ins Projekt QuartrBack integrierte Helfernetzwerk aus Angehörigen, professionell Pflegenden und Freiwilligen zurückgreifen. So registriert die SCP-Software bei einer drohenden Notsituation, welche potentiellen Helfer sich in der Nähe befinden. Diese können dann mithilfe einer WebApplication auf dem Mobiltelefon alarmiert und zu den betroffenen Menschen mit Demenz dirigiert werden.

Technologie mit sozialem Engagement verbinden

Damit schafft QuartrBack eine intelligente Notfallkette, die weit über ein herkömmliches Hausnotrufsystem hinausreicht. Menschen mit Demenz erhalten die Möglichkeit, sich in ihrem bisher gewohnten Lebensumfeld weiter frei bewegen zu können und selbstständig etwa zum Bäcker an der Ecke oder ins Lieblingscafé zu gehen. Einem drohenden sozialen Rückzug und damit auch weniger Bewegung und Aktivität in Folge der Demenz wird somit vorgebeugt. Weil die SCP-Software vorausschauend arbeitet, können eventuelle Notsituationen bereits im Vorfeld erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Die WebApp stellt zudem sicher, dass im Falle einer drohenden Gefährdung potenzielle Helfer in der Nähe schnell eingreifen können. Durch die Einbindung eines ehrenamtlichen Helfernetzwerks in das klassische Notfallmanagement mit Pflegediensten, Sanitätern und Krankenhäusern wird so bürgerschaftliches Engagement für Menschen mit Demenz im Stadtviertel gefördert.


Quelle: Karlsruher Institut für Technologie

24.08.2015

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