News • Hippocampus-Forschung
Gute Blutversorgung bringt Gedächtnis auf Trab
Wird das Gehirn gut mit Blut versorgt, profitieren davon die Gedächtnisleistung und weitere kognitive Fähigkeiten. Das gilt besonders für Menschen mit einer Erkrankung der Hirngefäße in Form einer Mikroangiopathie.
Im Inneren des menschlichen Gehirns liegt eine kleine, nur wenige Kubikzentimeter große Struktur, die aufgrund ihrer an ein Seepferdchen erinnernde Gestalt als Hippocampus bezeichnet wird. Genau genommen gibt es den Hippocampus doppelt: jeweils einmal in jeder Gehirnhälfte. Er gilt als Schaltzentrale des Gedächtnisses. Schädigungen des Hippocampus, wie sie bei Alzheimer und anderen Hirnerkrankungen auftreten, beeinträchtigen bekanntermaßen das Erinnerungsvermögen. Doch welche Rolle spielt speziell die Blutversorgung?
Ein Team von Wissenschaftlern um Prof. Stefanie Schreiber und Prof. Emrah Düzel, die am DZNE und an der Universitätsmedizin Magdeburg tätig sind, ist dieser Frage nachgegangen. Die Forschenden untersuchten mittels hochauflösender Magnetresonanztomographie die Blutversorgung des Hippocampus von 47 Frauen und Männern im Alter von 45 bis 89 Jahren. Die Probanden beteiligten sich außerdem an einer neuropsychologischen Testreihe: Unter anderem wurden Gedächtnisleistung, Sprachverständnis und Konzentrationsvermögen erfasst.
„Es ist schon länger bekannt, dass der Hippocampus entweder von einer oder von zwei Arterien versorgt wird. Es kann auch sein, dass nur einer der beiden Hippocampi, die in jedem Gehirn vorkommen, doppelt versorgt wird. Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Warum das so ist, weiß man nicht“, erläutert Schreiber. „Vielleicht gibt es dafür eine genetische Veranlagung. Es ist aber auch möglich, dass sich die individuelle Struktur der Blutversorgung durch die Lebensumstände entwickelt. Dann hätte der persönliche Lebensstil Einfluss auf die Blutversorgung des Hippocampus.“ In den Kognitionstests schnitten jene Studienteilnehmer, bei denen mindestens ein Hippocampus zweifach versorgt wurde, generell besser ab. „Dass die Blutversorgung für das Gehirn grundsätzlich wichtig ist, ist sicherlich trivial und umfangreich belegt. Uns ging es daher speziell um den Hippocampus und die Situation, dass eine Erkrankung der Hirngefäße vorliegt. Darüber weiß man tatsächlich wenig.“
Unter den Probanden mit Mikroangiopathie waren wiederum jene geistig fitter, bei denen mindestens ein Hippocampus von zwei Blutgefäßen versorgt wurde. Sie haben von der doppelten Versorgung besonders profitiert
Valentina Perosa
Von den Studienteilnehmern waren 27 kognitiv unauffällig. Die übrigen zwanzig Probanden wiesen an den Blutgefäßen des Gehirns krankhafte Veränderungen auf, die mit Mikroblutungen einhergingen. „Bei diesen Personen war bereits im Vorfeld unserer Untersuchungen eine zerebrale Mikroangiopathie festgestellt worden“, sagt Dr. Valentina Perosa, Erstautorin der aktuellen Studie, die derzeit als Postdoc im US-amerikanischen Boston forscht. Diese Probanden zeigten ein breites Spektrum an neurologischen Auffälligkeiten, wie etwa leichte kognitive Einschränkungen. „Die gesunden Probanden haben in den Kognitionstests allgemein bessere Ergebnisse erreicht, als die Studienteilnehmer mit Mikroangiopathie. Unter den Probanden mit Mikroangiopathie waren wiederum jene geistig fitter, bei denen mindestens ein Hippocampus von zwei Blutgefäßen versorgt wurde. Sie haben von der doppelten Versorgung besonders profitiert. Möglichweise liegt das an einer besseren Versorgung nicht nur mit Blut, sondern auch mit Sauerstoff. Das ist aber nur eine Vermutung“, so Perosa.
„Unsere Studie zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Blutversorgung des Hippocampus und kognitiver Leistung“, fasst Schreiber die Ergebnisse zusammen. „Das deutet darauf hin, dass bei nachlassender Gedächtnisleistung, sei es alters- oder krankheitsbedingt, die Hirndurchblutung eine Schlüsselrolle spielen könnte.“ Solche Erkenntnisse helfen, Krankheitsmechanismen zu verstehen. Sie können zudem für die Entwicklung neuer Behandlungsoptionen von Nutzen sein, meint die Neurowissenschaftlerin: „Derzeit kann man darüber nur spekulieren, denn wir wissen es nicht, aber möglicherweise hat der Lebensstil einen Einfluss auf die Ausbildung der Blutgefäße, die den Hippocampus versorgen. Das wäre dann ein Faktor, den man beeinflussen kann, und somit ein möglicher Ansatzpunkt für Therapien und auch für Vorsorgemaßnahmen. Das ist eine Fragestellung, der wir nachgehen wollen.“
Quelle: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
17.02.2020