Ärzte in der Pflicht

GfV fordert breiteren Einsatz auch von neuen Impfstoffen

Die Masernwelle in Berlin ebbt nicht ab. Zu gering ist der Anteil der Menschen, die die vollständige Impfung erhalten haben. Die Verantwortung dafür tragen nach Meinung der Gesellschaft für Virologie (GfV) nicht nur die Bürger. Vor allem Hausärzte müssten ihre Patienten öfter an notwendige Impfungen erinnern. Die Fachgesellschaft begrüßt daher die verpflichtende Impfberatung vor dem Kindergarten, die das neue Präventionsgesetz vorsieht. Es dürfe aber nicht nur die Masern-Impfung im Fokus stehen.

Ärzte sollten in der Pflicht stehen, ihre Patienten öfter an notwendige...
Ärzte sollten in der Pflicht stehen, ihre Patienten öfter an notwendige Impfungen zu erinnern.
Quelle: panthermedia.net/Alexander Raths

Auch beispielsweise die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs bei Jugendlichen oder gegen Pneumokokken bei älteren Menschen würden noch viel zu selten eingesetzt. „Wir brauchen zudem ein langfristiges Impfkonzept für die kommenden Jahrzehnte“, so die GfV-Experten.

Auch in der 16ten Kalenderwoche Mitte April erkrankten erneut mehr als hundert Menschen in Deutschland an Masern – die meisten in Berlin, gefolgt von Sachsen und Thüringen. „Dabei könnte das Masernvirus bereits ausgerottet sein“, so Professor Dr. med. Thomas Mertens, Präsident der GfV vom Uniklinikum Ulm. Dafür sei jedoch eine sehr hohe Impfquote erforderlich. Diese hohe Beteiligung für die zweite Impfung habe bisher nur Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erreicht. Am schlechtesten mit weniger als 90 Prozent zum Zeitpunkt der Schuleingangsuntersuchung schneiden Sachsen und Baden Württemberg ab. Aber auch unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen bestehen erhebliche Impflücken. Mehr als die Hälfte aller Masern-Erkrankten sind in den aktuellen Ausbrüchen älter als 14 Jahre alt.

„Die Impfberatung vor dem Besuch einer Kindertagesstätte, vor allem aber die Kontrolle des Impfstatus bei jedem Arztbesuch seien wichtige Maßnahmen, um Impflücken etwa bei Masern, Röteln oder Mumps zu schließen“, so Mertens hinsichtlich des Präventionsgesetzes, das derzeit in der parlamentarischen Beratung steht. Laut einer an der Universität Erfurt durchgeführten Studie würden sich mehr Menschen impfen lassen, wenn ihnen der Vorteil des Impfens für den Einzelnen und die Gesellschaft besser vermittelt würde. „Es ist bedauerlich, dass genau diese Beratung häufig nicht stattfindet“, so der GfV-Experte. Deshalb müsse das Thema Impfen mit allen Aspekten viel besser in die Ausbildung der Medizinstudenten eingebunden werden. Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die der Medizin zur Verfügung stehen. „Eine grundsätzliche Lösung der Probleme, vor die uns altbekannte und regelmäßig neu auftretende Viren stellen, ist ohne Impfstoffe nicht denkbar“, so Mertens.

Die Gesellschaft für Virologie fordert Ärzte zudem auf, ihre Patienten besser über neue, weniger bekannte Impfstoffe zu informieren. Für Teenager stünde beispielsweise die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs zur Verfügung, bei älteren Menschen empfiehlt sich eine Impfung gegen Pneumokokken. „Diese Impfstoffe haben sich bereits als wirkungsvoll erwiesen. Dennoch werden sie in Deutschland zu selten eingesetzt“, kritisiert Professor Dr. med. Hartmut Hengel, Vizepräsident der GfV von der Universität Freiburg.

Ein anderes Problem, das Politiker und Experten im Präventionsgesetz berücksichtigen sollten, sei die langfristige Impfplanung. „Zwar impfen wir schon Säuglinge erfolgreich etwa gegen Hepatitis B, Mumps oder Windpocken“, so Hengel. Wichtig sei zu erforschen und zu planen, wie diese Impfungen im Erwachsenenalter weitergeführt werden müssen, um einen langfristigen Schutz der Menschen zu gewährleisten. Dafür fehle jedoch die finanzielle Unterstützung der zuständigen staatlichen Stellen. Die Forschungsnotwendigkeit thematisiert auch der Nationale Impfplan. Nur mit unabhängiger Forschung und einer guten Aufklärung seitens der Ärzteschaft können Erreger dauerhaft in Schach gehalten werden.

 

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

30.04.2015

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