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News • Work-Life-Balance vs. hohes Gehalt

Geld ist nicht alles (sagen die Oberärzte)

Die Mehrheit der Oberärzte an deutschen Universitätskliniken nimmt ihre aktuelle Position oder die einer dauerhaften universitären Sektionsleitung als attraktive Karrierestufe wahr. Verhältnismäßig wenig reizvoll erscheinen die Niederlassung als Arzt oder nicht kurative Managementtätigkeiten.

Als wichtigstes Kriterium für die Klinikwahl außerhalb der Universitätsklinika geben Ärzte ein hochwertiges medizinisches Leistungsangebot an, großen Wert legen sie außerdem auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie, für die Rochus Mummert 450 Oberärzte an zwölf Universitätskliniken nach ihren Präferenzen bei der Karriereplanung und Stellenauswahl befragt hat. 

Knapp 64 Prozent der Studienteilnehmer bezeichnen eine unbefristete universitäre Sektionsleitungsposition als attraktiv oder sehr attraktiv, annähernd gleich beliebt ist die Oberarztposition (bei rund 63 Prozent). Die Chefarztposition außerhalb der Universität sehen knapp 52 Prozent als erstrebenswert an. Im Ansehen folgt erst dann das universitäre Ordinariat, allerdings mit deutlich geringerem Wert: Knapp 39 Prozent der Befragten finden diese Positionen attraktiv oder sehr attraktiv. Die Niederlassung als Arzt sehen nur rund 32 Prozent der Befragten als reizvolle Alternative, nicht kurative Managementpositionen 22 Prozent. Am geringsten fällt die Präferenz für eine Juniorprofessur aus: Sie ist lediglich für rund 11 Prozent der Oberärzte attraktiv oder sehr attraktiv.

Unzufriedenheit bei Mitarbeiterführung

Kliniken sind gut beraten, ihren Oberärzten eine bessere Unterstützung auf dem Weg in Führungspositionen zu bieten

Florian Liberatore

„Die Mehrheit der Oberärzte an Universitätsklinika will gern weiter kurativ tätig sein und sieht auf diesem Feld ihre größten Kompetenzen“, sagt Dr. Henrik Räwer, Rochus Mummert-Partner und Studienleiter. „Überraschend ist allerdings, dass das Ordinariat für die meisten nicht mehr das primäre Karriereziel ist. Bei besseren Arbeitsbedingungen können sich die meisten Ärzte eine Tätigkeit an einem Versorgungshaus vorstellen. Bei ihnen können Kliniken punkten, die geregelte Arbeitszeiten und Vertragssicherheit bieten.“

Die Studie zeigt ein weiteres Handlungsfeld für Arbeitgeber auf: Nur rund ein Viertel der Befragten fühlt sich von ihrer Klinik auf die Chefarztposition gut oder sehr gut vorbereitet; mehr als 43 Prozent hingegen verteilen hier schlechte Noten. Ähnlich fallen die Antworten bei der Frage nach der Vorbereitung auf eine universitäre Karriere aus: Rund 21 Prozent sind zufrieden, aber fast die Hälfte bescheinigt den Kliniken bei diesem Punkt eine schlechte Arbeit. „Die Befragung hat eine latente Unzufriedenheit der Oberärzte mit der Mitarbeiterführung und der Karrierevorbereitung aufgedeckt. Kliniken sind daher gut beraten, ihren Oberärzten eine bessere Unterstützung auf dem Weg in Führungspositionen zu bieten“, sagt Dr. Florian Liberatore, Privatdozent an der Universität Freiburg und wissenschaftlicher Leiter der Studie. Vor allem bei betriebswirtschaftlichen Fragestellungen sehen die Befragten größeren Nachholbedarf: Nur knapp 40 Prozent fühlen sich hier nach eigenen Angaben kompetent. Sehr viel besser beurteilt eine größere Mehrheit die eigene Führungskompetenz (fast 90 Prozent „kompetent“ oder „sehr kompetent“) und die Fähigkeit zur Prozessoptimierung (77 Prozent „kompetent“ oder „sehr kompetent“).

Ausgeglichene Work-Life-Balance wichtiger als hohes Gehalt Die Studie an den Universitätsklinika hat auch untersucht, was die entscheidenden Faktoren für die Wahl des künftigen Arbeitgebers für die begehrten Fachärztinnen und Fachärzte der Einrichtungen sind. Welche Erwartungen haben sie an Kliniken? An erster Stelle steht – bei Frauen wie Männern – ein hochwertiges medizinisches Leistungsspektrum. Auch der Mitarbeiterorientierung und der Gleichbehandlung von gesetzlich und privat versicherten Patienten messen die befragten Ärzte eine hohe Bedeutung bei. Weit hinten steht für die Studienteilnehmer die Berücksichtigung christlicher Werte: Konfessionelle Krankenhäuser haben offenbar im Wettbewerb um die kompetentesten Köpfe in dieser Hinsicht keinen entscheidenden Arbeitgebervorteil.

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Dr. Henrik Räwer
Quelle: Rochus Mummert

Bei den persönlichen Präferenzen gibt es zum Teil deutliche Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Universitätsklinikern. Bei beiden rangiert eine ausgeglichene Work-Life-Balance ganz vorne. Als zweitwichtigsten Faktor nennen Frauen die Wohnortnähe zum bisherigen Standort, für Männer ist ein hohes Gehalt besonders wichtig. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die Bedeutung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer weiter zunimmt. Weitgehend irrelevant – oder noch unbekannt – erscheinen die sogenannten Dual-Career-Angebote, mit denen die Wirtschaft inzwischen hochqualifizierten Paaren Angebote in gesuchten Fachbereichen bietet.

„Die Tätigkeit an einer Universitätsklinik ist für viele Ärzte grundsätzlich immer noch attraktiv“, so Räwer. „Aber unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Nachwuchskräften auch hier – ganz anders als in der Vergangenheit – zunehmend eine ausgeglichene Work-Life-Balance wichtiger ist als ein hohes Gehalt. Für die Gewinnung von hochqualifizierten Ärztinnen und Ärzten für leitende Positionen müssen vielerorts die Perspektiven verbessert werden. Zudem steigen die Erwartungen an flexible Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in Führungsverantwortung.“

Zur Studie

Für die Studie hat Rochus Mummert im Sommer 2017 insgesamt 450 Oberärzte an zwölf deutschen Universitätskliniken befragt. Gut zwei Drittel der Teilnehmer waren Männer, ein Drittel Frauen. 46 Prozent sind in operativen Fachgebieten tätig, 54 Prozent arbeiten im konservativen Fachbereich.


Quelle: Rochus Mummert Healthcare Consulting

17.05.2018

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