Gelenkinfektion

Frühzeitige Verlegung Betroffener in Zentren für Septische Chirurgie

Patienten mit Gelenkinfektionen werden oft viel zu spät fachgerecht behandelt. Dabei kann es bei ausbleibender Therapie zu irreversiblen Schädigungen kommen. Gefürchtet ist die Infektion insbesondere als Komplikation beim Einsatz eines künstlichen Gelenks: Sie verzögert den Heilungsprozess und erfordert oft sogar eine neue Prothese. „Je zügiger eine chirurgische als auch antibiotische Behandlung erfolgt, umso besser“, sagt Dr. Ulf-Joachim Gerlach vom Unfallkrankenhaus Hamburg. Das gilt auch für Gelenkinfektionen ohne einliegende Endoprothese.

Dr. Ulf-Joachim Gerlach vom Unfallkrankenhaus Hamburg.
Dr. Ulf-Joachim Gerlach vom Unfallkrankenhaus Hamburg.
Quelle: Unfallkrankenhaus Hamburg

„Eine Behandlung muss vor allem rasch erfolgen“, betont Gerlach. Denn die Infektabwehr sorgt dafür, dass bereits nach 24 Stunden Enzyme eingeschwemmt werden, die ohne Therapie zu irreparablen Schäden führen können. Gelangen Keime auf die Oberfläche von Endoprothesen, also künstlichen Gelenken, bilden sie innerhalb kurzer Zeit einen Biofilm. Bakterien, die sich dort befinden, sind vor dem Angriff durch Antibiotika und des Immunsystems geschützt. Eine ausschließlich medikamentöse Therapie reicht also nicht mehr aus.  

Dass bis zu einer fachgerechten Behandlung oft viel zu viel Zeit vergeht, zeigen Daten, die Gerlach, Chefarzt der Abteilung für Septische Unfallchirurgie und Orthopädie am Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus in Hamburg, gesammelt hat: Demnach wurden Patienten mit einer Entzündung im Kniegelenk erst nach im Durchschnitt 90 Tagen in die Abteilung für Septische Chirurgie verlegt, bei Menschen mit einer Infektion im Schultergelenk waren es sogar 123 Tage. Die insgesamt 84 Patienten mit Kniegelenkinfektion hatten durchschnittlich 4,5 operative Eingriffe hinter sich, die 90 mit einer Entzündung des Schultergelenks 5,5. „Derartig lange Behandlungszeiten ohne das Erreichen einer Infektberuhigung sind nicht hinnehmbar“, kritisiert der Experte. „Die Infektion ist dann oft so weit fortgeschritten, dass irreversible Schäden an Knorpel und Knochen vorliegen. Auch die Haut ist durch die mehrmaligen Voroperationen geschädigt, was die Wundheilung beeinträchtigt.“ Die Betroffenen hätten viel früher in ein Zentrum für Septische Chirurgie gebracht werden müssen, betont er.

Hier erfolgt als Erstes eine sorgfältige Reinigung der Wunde (Débridement) und eine lokale antibiotische Behandlung. Eine OP ist notwendig, wenn das Gelenk länger als sieben Tage entzündet war – in diesem Fall ist eine Arthroskopie nicht mehr sinnvoll. Bei Patienten mit Endoprothese kann das einliegende Implantat erhalten werden, sofern es sich nicht gelockert und die Infektion sich nicht chronifiziert hat – das gilt für Entzündungen bei einliegenden Kunstgelenken in den ersten vier Wochen. Andernfalls entfernt es der Chirurg, und sobald sich der Infekt beruhigt hat – etwa nach sechs bis acht Wochen -, wird ein neues Implantat eingelegt.

Der Einsatz künstlicher Gelenke ist in Deutschland an der Tagesordnung. 2014 implantierten Chirurgen dem Statistischen Bundesamt zufolge allein knapp 220 000 Hüftgelenke – damit zählt die Hüft-OP zu den zehn häufigsten Eingriffen, die im vergangenen Jahr vollstationär durchgeführt wurden. Verbreitet sind auch Schultergelenk- und vor allem Kniegelenkprothesen. Infektionen können nicht nur bei der OP zum Einsatz der Gelenke auftreten, sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt. Risikofaktoren sind unter anderem Vorerkrankungen wie Diabetes oder andere Infektionen im Körper, zum Beispiel im Mund- oder Kieferbereich.

„Patienten mit Gelenkinfektion, unabhängig davon, ob mit oder ohne Endoprothese, sollten zeitnah in ein Zentrum für Septische Chirurgie verlegt werden“, bekräftigt Gerlach seine Forderung. Septische Zentren gibt es vor allem an den BG-Kliniken. Aufgrund der langjährigen Erfahrung wird dort durch radikales Débridement zur Keim-Elimination die Infektion an Knochen und Gelenken behandelt. Dies setzt voraus, dass entfernte Teile dann auch wiederhergestellt werden können. „In den Zentren, in denen Fachleute von Chirurgen bis hin zu Krankengymnasten interdisziplinär zusammenarbeiten, sind Betroffene gut aufgehoben“, erklärt Gerlach.


Quelle: DGIM/MEDICA EDUCATION CONFERENCE

04.11.2015

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