Alexander R. Baasner (links) und Stefan Spieren präsentieren das Projekt DIHVA.
Alexander R. Baasner (links) und Stefan Spieren präsentieren das Projekt DIHVA.

© A.R. Baasner

Artikel • Digitales Ausbildungskonzept

Mangel an Hausärzten: Unterstützung von der DIHVA

Die Sicherstellung einer flächendeckenden hausärztlichen Versorgung ist in vielen Regionen Deutschlands zunehmend herausfordernd. Der Mangel an Hausärzten, insbesondere in ländlichen Gebieten, verlangt nach innovativen Lösungen. Eine Antwort darauf könnten digitale hausärztliche Versorgungsassistenten (DIHVA) sein – ein Konzept, das technologische Fortschritte mit neuen Versorgungsmodellen verbindet, um die Gesundheitsversorgung effizienter und zugänglicher zu gestalten.

Artikel: Sonja Buske

Die Grundidee der DIHVA basiert auf der Unterstützung überlasteter Ärzte und der Nutzung technischer Hilfsmittel, um grundlegende Untersuchungen und administrative Aufgaben auszulagern. Das Konzept sieht vor, dass Personen ohne medizinisches Studium, jedoch mit einer gezielten Ausbildung, durch den Einsatz moderner Geräte und künstlicher Intelligenz (KI) Routineaufgaben übernehmen. „Dadurch wird das medizinische Fachpersonal entlastet und der Zugang der Patienten zur Grundversorgung verbessert“, erklärt Stefan Spieren, einer der beiden Initiatoren des DIHVA-Projekts.

Ausbildungszeit: nur 3,5 Monate

Ein oder eine DIHVA ist nach einer dreieinhalbmonatigen Ausbildung in der Lage, mithilfe eines standardisierten Diagnostik-Sets Untersuchungen wie zum Beispiel Blutdruckmessungen, Untersuchung der Ohren mit einem Otoskop, Aufnahme von Hautveränderungen mit einem Dermatoskop sowie EKGs, Blutentnahmen und eine Reihe weiterer diagnostischer Tests durchzuführen. Die dabei erhobenen Daten werden in einer digitalen Patientenakte dokumentiert und stehen einem zugeordneten Arzt für die Diagnose zur Verfügung. „Dieser Ansatz ermöglicht es, die knappen Ressourcen an medizinischem Personal gezielt dort einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden, ohne Kompromisse bei der Qualität der Versorgung“, führt Alexander R. Baasner, DIHVA-Initiator und Forschungsleiter, aus. 

Die DIHVA kann von einem Arzt angestellt werden und in einem eigenen Raum innerhalb dessen Praxis sitzen, sie kann aber auch zum Beispiel von einem Bürgermeister, der in seiner Stadt eine besondere Notwendigkeit sieht, eingestellt werden, und die Untersuchungen in einem Gemeindezentrum durchführen. Auch ein mobiler Einsatz – zum Beispiel im Rahmen der ambulanten Pflege oder als Alternative zu Hausbesuchen – ist möglich. Die Terminbuchung erfolgt online. Vor Ort findet dann immer eine KI-gestützte Triagierung, gemeinsam mit dem Versorgungsassistenten, statt: „Legen die angegebenen Symptome nahe, dass der Patient besser in ein Krankenhaus gehen sollte oder unverzüglich einen Arzt aufsuchen müsste, wird eine Warnung ausgegeben und die Aufnahme weiterer Daten sofort abgebrochen“, erklärt Spieren.

Modulares Curriculum

Das Projekt DIHVA ist eine direkte Antwort auf die multifaktoriellen Probleme, die das Gesundheitssystem belasten. Ein zentraler Punkt ist der Mangel an Nachfolgern für Arztpraxen. „Die Ausbildung zur DIHVA ist ein Paradebeispiel für einen pragmatischen Ansatz. Statt einer langjährigen Ausbildung ermöglicht ein modulares Curriculum den niederschwelligen Zugang zu einem spannenden Berufsfeld“, erläutert Baasner das Konzept. Die Schulung umfasst grundlegende medizinische Kompetenzen, den Umgang mit digitalen Geräten sowie Kommunikationsfähigkeiten. Praktische Module und Notfallszenarien stellen sicher, dass die ausgebildeten Kräfte auf die Realität vorbereitet sind. Durch die Verwendung einheitlicher Geräte wird zudem eine hohe Qualität und Standardisierung der erhobenen Daten gewährleistet.

Entscheidend ist, dass die DIHVA nicht den Arzt ersetzt, sondern dessen Arbeit ergänzt und bestmöglich vorbereitet

Stefan Spieren

Ein zentraler Aspekt des Konzepts ist die Integration von KI-basierten Systemen, die den diagnostischen Prozess unterstützen. Diese Systeme analysieren die Beschwerden der Patienten und leiten die Assistenten durch die notwendigen Untersuchungen. „Entscheidend ist jedoch, dass die DIHVA nicht den Arzt ersetzt, sondern dessen Arbeit ergänzt und bestmöglich vorbereitet“, macht Spieren deutlich. Durch die Vorarbeit kann sich der Arzt auf die Diagnose und Therapie konzentrieren. Dies verkürzt nicht nur die Wartezeiten für Patienten, sondern verbessert auch die Effizienz der gesamten Versorgungskette. Gleichzeitig bleiben rechtliche und ethische Standards gewahrt, da die endgültige Entscheidung stets in ärztlicher Hand bleibt.

Förderung der Akzeptanz

Die Einführung eines solchen Modells stößt auf unterschiedliche Herausforderungen. Neben technischen Aspekten wie der Entwicklung einer datenschutzkonformen Software sind auch kulturelle Hürden zu überwinden. Die Akzeptanz neuer Arbeitsweisen und Technologien seitens des medizinischen Fachpersonals ist genauso entscheidend wie die Bereitschaft der Patienten, sich auf solche Modelle einzulassen. „Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt jedoch, dass eine kluge Kombination aus Digitalisierung und persönlicher Betreuung die Akzeptanz fördern“, betont Spieren. 

Abgerechnet wird das Modell zunächst noch über Selektivverträge mit einzelnen Krankenkassen. Ziel ist es jedoch, die DIHVA langfristig in die Regelversorgung aufzunehmen, um die Reichweite und den Nutzen des Modells zu maximieren. Die ersten Pilotregionen sollen im 2. Quartal 2025 starten. 


Profile:

Alexander R. Baasner ist Hochschuldozent, Digitalisierungsexperte sowie Psychologe am Digitalen Facharzt- und Gesundheitszentrum in Olpe und leitet zusammen mit Stefan Spieren das Projekt DIHVA. 

Stefan Spieren ist Inhaber der Arztpraxis Spieren & Kollegen in Wenden, Lehrarzt verschiedener deutscher Universitätskliniken, und leitet zusammen mit Alexander R. Baasner das Projekt DIHVA.


27.01.2025

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