Eine Frage von Tradition und Handwerk

Ein Plädoyer Interventionen in den Händen der Radiologie

Mehr als 100.000 Interventionen bundesweit hat die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie (DeGIR) in ihrem zentralen Qualitätsregister für das Jahr 2012 festgehalten.

Prof. Dr. Dierk Vorwerk
Prof. Dr. Dierk Vorwerk
Prof. Dr. Dierk Vorwerk
Prof. Dr. Dierk Vorwerk

Eine große Zahl, die die Interventionelle Radiologie als echtes Schwergewicht unter den Teilgebieten der medizinischen Bildgebung ausweist. Doch ihre hohe Attraktivität weckt auch Begehrlichkeiten unter anderen Fachdisziplinen, die Anspruch auf die Durchführung radiologischer Interventionen erheben. Eine Tendenz, die ökonomische vor medizinische Interessen stellt, kritisiert der DeGIR-Vorsitzende Prof. Dr. Dierk Vorwerk, Chefarzt am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Ingolstadt.

Besonders heiß diskutiert wird die Vaskulärmedizin. Einige Gefäßchirurgen in Deutschland verstehen die Interventionen als ihr eigenes Hoheitsgebiet, das sie erobern möchten. Mit dieser Taktik seien die Kollegen jedoch schlecht beraten, warnt Vorwerk: „Obwohl die Gefäßchirurgie in vielen Häusern eine Hauptabteilung darstellt, ist sie in vielen Fällen personell unterbesetzt. Wenn also nicht länger der Radiologe einspringt, dann werden an ihre Stelle bereitwillig die Kardiologen treten. Denn diese verfügen nicht nur über die erforderlichen Systeme, sondern auch über entsprechende Betten, die sie dann mit den Gefäßpatienten belegen können. Aber so weit denken viele Operateure leider nicht.“

Tatsächlich ist es aber eine weit über die Gefäßinterventionen hinausgehende Aufgabe, die die Interventionelle Radiologie generell als zentrale Einheit im Krankenhauskosmos zu erfüllen hat. Als Allroundwaffe reicht ihr Einsatzgebiet von den typischen Gefäßinterventionen über die interventionelle Onkologie bis zu Notfalleingriffen, etwa beim Schlaganfall. Dementsprechend stellt sie ihre Dienstleistungen innerhalb des Klinikumfelds rund um die Uhr für alle anderen Abteilungen zur Verfügung. Sie garantiert alle Interventionstechniken in Gänze und konstanter Qualität. „Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Interventionelle Radiologie essenziell für den Workflow eines Krankenhauses ist“, so Prof. Vorwerk, „und dennoch fehlt häufig das nötige Bewusstsein beziehungsweise die Anerkennung ihres wichtigen Beitrags in der Patientenversorgungskette.“

Dabei ist es auch wirtschaftlich sehr sinnvoll, die Interventionen zentral in der radiologischen Abteilung zu bündeln, so der Experte weiter. Denn die Anlagentechnik verschlingt erhebliche Gelder. Nur wenn die kostspieligen Geräte durchgehend in Betrieb und somit optimal ausgelastet sind, können sie sich amortisieren.

Hauptargument für den Ingolstädter Chefarzt bleibt jedoch das Können der Radiologen auf dem Gebiet der Interventionen: „Keine andere Facharztgruppe bringt von Haus aus so viel Tradition und Handwerk mit, was die Interventionen betrifft, wie die Radiologie.“ So machen minimalinvasive Verfahren bereits während der Ausbildung einen wichtigen Teil des Lehrplans aus. Im direkten Vergleich beispielsweise zu den Gefäßchirurgen, die für ihr Facharztzeugnis nur 25 endovaskuläre Eingriffe absolvieren müssen, fordert der Facharztkatalog der allgemeinen Radiologie 300 durchgeführte Interventionen. Einen weiteren Vorteil sieht der Interventionsspezialist zudem im sensibilisierten Umgang mit Strahlenschutzmaßnahmen und strahlenreduzierenden Techniken, die sozusagen zum Kerngeschäft der Radiologie gehören: „Die wenigsten fachfremden Ärzte erlangen die interventionelle Fachkunde. Die meisten hören nach dem Erwerb der intraoperativen Fachkunde auf.“

Wie also sieht eine ideale Behandlungssituation aus? „Der Patient hat das Recht auf eine neutrale und gut erwogene Entscheidungsfindung. Diese kann nur nach dem Mehraugenprinzip stattfinden, indem ein interdisziplinäres Team aus Klinikern, Operateuren und Interventionellen Radiologen gemeinsam die beste Therapiewahl erörtert“, so Vorwerk.

IM PROFIL

Prof. Dr. Dierk Vorwerk ist Präsident und Mitbegründer der 2008 ins Leben gerufenen Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimalinvasive Therapie (DeGIR). Er leitet seit 15 Jahren das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum Ingolstadt. Vorwerk ist Autor von über 200 wissenschaftlichen Arbeiten und Buchbeiträgen und Mitglied sowie Ehrenmitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Fachgesellschaften. Er ist darüber hinaus Herausgeber, Mitherausgeber und Gutachter bei zahlreichen renommierten Fachzeitschriften. Im Jahr 2008 übernahm er die Präsidentschaft des Deutschen Röntgenkongresses. Außerdem wurde der Professor 1993 mit dem Wilhelm-Conrad-Röntgen-Preis und 1996 mit dem Hermann-Holthusen-Ring der Deutschen Röntgengesellschaft ausgezeichnet.

Veranstaltungshinweis

Raum Porstmann

Do, 30.05., 13:45 - 15:25 Uhr

Session: Interventionelle Radiologie I - Neue interventionelle Techniken

Vorwerk D / Ingolstadt (Vorsitz)

 

29.05.2013

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