Artikel • Zum Tod von Alexander R. Margulis

Ein echter Visionär der MRT

Prof. Alexander R. Margulis, einer der Vordenker der medizinischen Magnetresonanz­­tomo­graphie (MRT), ist am 7. September 2018 im Alter von 97 Jahren verstorben. Prof. Dr. ­Maximilian Reiser, langjähriger Weggefährte von Margulis, spricht über Leben und ­Wir­ken des MRT-Pioniers und den Einfluss seiner Arbeit auf die moderne Radiologie.

portrait of alexander margulis
Der Vordenker der modernen medizinischen MRT: Professor Alexander Margulis

Geboren wurde Alexander Margulis am 31. März 1921 im damals noch jugoslawischen Belgrad. Er absolvierte gerade sein Medizinstudium, als im April 1941 die Soldaten der deutschen Wehrmacht in Jugoslawien einmarschierten. Da er zum Teil jüdischer Abstammung war, brachte der Einmarsch der ­Nazis Margulis unmittelbar in ­Gefahr. Rettung kam 1944 in ­Gestalt des damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der außerhalb des ­regulären Einreisekontingents 1000 Flüchtlingen die Emigration in die Vereinigten Staaten erlaubte – da­runter auch Alexander Margulis. In den USA schloss Margulis sein Medizinstudium ab und machte eine schnelle und eindrucksvolle Karriere. Als gastrointestinaler Radiologe trug er mit zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen erheblich zum Fortschritt seines Fachbereichs bei. In den 1960er Jahren zählte die gastrointestinale Radiologie mit Innovationen wie der Doppelkontrastuntersuchung von Magen sowie Dünn- und Dickdarm zu den viel beachteten Entwicklungen des Faches – ein Umfeld, in dem Margulis einen nachhaltigen Einfluss ausübte.

Grundstein zum „Mekka der Radiologie“

Ein weiterer bedeutender Schritt in der Karriere des hoch geschätzten Radiologen war seine Ernennung zum Chairman der radiologischen Abteilung der University of California in San Francisco (UCSF) im Jahr 1963. In den 26 Jahren, in denen er diese Position bekleidete, verhalf Margulis der UCSF zu erheblichem Renommee und machte sie zu einer der führenden Institutionen in Krankenversorgung, Forschung und Lehre in den USA und zu einem regelrechten Mekka der klinischen Radiologie. So wurde unter anderem in San Francisco der klinische Einsatz der MRT erprobt, entwickelt und verfeinert. Kein Wunder, dass Alexander Margulis auch zahlreiche Wissenschaftler aus Europa anzog, von denen viele unter seiner Leitung zu Wegbereitern der modernen Radiologie in ihrer Heimat wurden.

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Ein Vordenker und guter Freund

Eine besondere Bedeutung hat Margulis auch für das MR-Symposium in Garmisch. Zusammen mit Prof. Dr. Josef Lissner war er seit den 1980er Jahren als Co-Organisator maßgeblich am Erfolg der Veranstaltungsreihe beteiligt. Auch noch lange, nachdem er Mitte der 1990er Jahre offiziell seinen Ruhestand antrat, gestaltete der Experte als Berater das Symposium mit. Zusammen mit Prof. Dr. John Doppman, seiner Ehefrau Prof. Dr. Hedvig Hricak und mir zählt er zu den Gründervätern des Garmisch-Symposiums.

Alexander R. Margulis war ein Visionär – ein Begriff, der heute häufig gebraucht und nicht selten überstrapaziert wird, aber in seinem Fall eindeutig berechtigt ist. Er hat viele wichtige Entwicklungen in der Radiologie angestoßen und früh die Trends des Fachgebiets erkannt. Seine weitreichenden Kontakte zu bedeutenden US-amerikanischen Radiologen nutzte er, um einen fruchtbaren fachlichen Austausch mit den deutschsprachigen Kollegen anzuregen. Darüber hinaus war er ein sehr bescheidener, freundlicher, charmanter und gebildeter Mensch. Ungeachtet seiner Erfahrungen in jungen Jahren mit Deutschland war bei ihm nie auch nur die Spur eines Ressentiments zu spüren. Die visionäre Kraft, mit der er seine Kollegen stets unterstützte, war bis kurz vor seinem Tod zu spüren und hat zahllose bleibende Spuren hinterlassen.

Wir werden ihn sehr vermissen – als Kollegen, als Wegbereiter der Radiologie und als Freund.

Von der NMR zur MRT

Alexander Margulis hat auf viele Arten dazu beigetragen, die MR-­Bildgebung voranzubringen – nicht zuletzt durch eine kluge Umbe­nennung: „Früher hieß die MRI ja NMR – nuklearmagnetische Resonanz, eine Bezeichnung, die mir zu eindimensional und negativ besetzt für diese großartige Technik schien“, rekapitulierte Margulis anlässlich eines Interviews für die Kongresszeitung für das MR-Symposium in Garmisch 2011.  „Da half es, als in den USA in den 1980er Jahren von der Cleveland Clinic das Nuclear Resonance Imaging Center eröffnet wurde, und es Proteste in der Nachbarschaft gab, weil die Menschen sich vor den zu Unrecht vermuteten radioaktiven Strahlen fürchteten. Dieser Zwischenfall sorgte dafür, dass wir den Begriff Magnetic Resonance Imaging durchzusetzen konnten – das klang nicht so gefährlich und betonte die Bildgebung, um die es bei diesem Verfahren ja vor allen anderen Dingen geht.“ Diese Entscheidung hat das Image der MRT nachhaltig verbessert.

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Fünf Freunde in der Radiologie

Sie sind nicht nur die Gründerväter des MRT-Symposiums Garmisch, sondern vielmehr die drei Musketiere der Magnetresonanztomographie – John Doppman, Joseph Lissner und Alexander Margulis. Mit außerordentlicher Sachkenntnis, Engagement und vor allem mit Visionen bewaffnet fochten sie für „ihre“ bahnbrechende Technologie.

portrait of christopher hess
Prof. Christopher Hess

In seiner außergewöhnlichen Laufbahn hat Alexander Margulis bei vielen seiner Kollegen einen tiefen Eindruck hinterlassen. So schreibt Prof. Christopher Hess, Leiter der Abteilung für Radiologie und Biomedizinische Bildgebung am UCSF: „Alexander – oder Alex, wie er lieber genannt werden wollte – hatte ein einzigartiges Gespür dafür, wie die Zukunft der Bildgebung und bildgestützten Behandlung aussehen würde und wie sie Forschung und klinische Praxis voranbringen würde.“ „Er ging Risiken ein und unterstützte die Mitarbeiter seiner Fakultät im Umgang mit neuen bildgebenden Modalitäten wie CT, MRT, Ultraschall, Ultrafast-CT, PET/CT und SPECT/CT.“

„Vor allen Dingen war Alex ein wichtiges Vorbild für seine zahlreichen Schüler, die ihn als Freund und Mentor wertschätzten. Für sie war er eine Art Vaterfigur, immer zur Stelle, um sie bei ihrem Bestreben zu unterstützen – während ihrer Zeit an der UCSF und oft noch weit darüber hinaus. Er war stets fürsorglich und man konnte ihn jederzeit um Rat fragen, egal ob in fachlichen oder persönlichen Dingen.“

„Wir werden ihn als brillanten, visionären, großzügigen und warmherzigen Leiter in Erinnerung behalten.“

Zitiert aus einem Brief vom 8. September 2018 von Christopher P. Hess, M.D., Ph.D. Professor and Chair, Department of Radiology and Biomedical Imaging, Alexander R. Margulis Distinguished Professor, University of California, San Francisco

portrait of maximilian reiser
Prof. Dr. Maximillian Reiser

Profil:

Prof. Dr. Maximillian Reiser ist einer der Gründerväter des MR Symposiums. Neben ihm haben Prof. Margulis und Prof. Lissner für den Aufbau der Ver­anstaltung zu einem großen Event auf diesem Gebiet gesorgt. Der international renommierte Radiologe war 14 Jahre lang Leiter des Instituts für Klinische Radiologie am Klinikum Großhadern der LMU München. Von 2008 bis 2015 hatte er zudem das Amt des Dekans der traditionsreichen Medizinischen Fakultät der LMU inne. Während seiner beruflichen Laufbahn war der gebürtige Bayer Präsident der European Society of Musculosceletal Radiology, der Deutschen Röntgengesellschaft und des European Congress of Radiology. Reiser ist Ehrenmitglied in zahlreichen radiologischen Gesellschaften und nahm unter anderem Gastprofessuren an den Universitäten Wien und Stanford wahr.

16.01.2019

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