Nuklearmedizin

Die Gretchenfrage der molekularen Bildgebung

Die Evolution der Bildgebung zeigt über die vergangenen Jahre eine zunehmende Integration von funktionellen und molekularen Parametern in die etablierten, primär morphologischen Verfahren. Wesentlich für die Entwicklung ist die Entwicklung und Etablierung neuer, spezifischer Tracer und Kontrastmittel, die eine nicht-invasive Charakterisierung funktioneller und molekularer Gewebeprozesse in vivo erlauben. Dabei ist „die enge Kooperation zwischen Nuklearmedizin und Radiologie von ganz großer Bedeutung“, weiß PD Dr. Clemens Cyran, Oberarzt PET/CT am Institut für Klinische Radiologie des Klinikums der Universität München.

Report: Sascha Keutel

PD Dr. Clemens Cyran
PD Dr. Clemens Cyran
Quelle: PD Dr. Clemens Cyran

Die Bildgebung entwickelt sich in den letzten Jahren mit Siebenmeilenstiefeln weiter von der rein morphologischen Darstellung anatomischer Strukturen zur nicht-invasiven Charakterisierung funktioneller und molekularer Gewebeeigenschaften in vivo. Ermöglicht wird dies durch die Entwicklung innovativer Tracer und Kontrastmittel, die in der Lage sind pathophysiologische Prozesse und Eigenschaften auf zellulärer Ebene nicht-invasiv darzustellen. Soweit die Theorie. Nach präklinischer Erforschung in vitro und im Tiermodell stellt sich die klinische Translation häufig problematisch dar und die wenigsten der experimentell entwickelten Konzepte zur molekularen Bildgebung erreichen den Patienten in der Klinik. Neben pharmakologischen Schwierigkeiten im Hinblick auf Spezifität und Verteilungsvolumen spielen auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine wichtige Rolle, da die Entwicklung und Zulassung neuer Kontrastmittel in der Regel mit sehr hohen Investitionskosten verbunden ist.

Grundsätzlich ist funktionelle und molekulare Bildgebung mit verschiedenen Modalitäten möglich. Für die Magnetresonanztomographie, die Computertomographie, den kontrastverstärkter Ultraschall, die optische Fluoreszenzbildgebung und die Positronenemissionstomographie wurden spezifische Kontrastmittel und Tracer zur funktionellen und molekularen Bildgebung mit stark variierendem Erfolg entwickelt. Gemessen an der Vielzahl der präklinisch entwickelten Substanzen hat die klinische Translation innovativer Imaging Compounds in den vergangenen Jahren modalitätenabhängig jedoch nur im Einzelfall funktioniert. „Die große Aufgabe ist, die Vielzahl der innovativen Ansätze bei der Entwicklung spezifischer Kontrastmittel zu kanalisieren und dann die Anstrengungen auf die klinische Translation zur richten, wo die Substanzen in der Diagnostik den Patienten tatsächlich Nutzen bringen“ erklärt Cyran.  Eine Vielzahl innovativer Kontrastmittel ist in der präklinischen Entwicklung zur klinischen Applikation stecken geblieben ohne je in der Klinik angekommen zu sein.

Mit zunehmender Verfügbarkeit hochspezifischer Tracer stellt klinisch momentan die PET, insbesondere als Hybridgerät in Kombination mit leistungsstarken CT und MRT-Komponenten, die translational aktivste Modalität für die funktionelle und molekulare Bildgebung dar. Auch die deutlich niedrigeren Hürden für die klinische Einführung neu entwickelter Tracer spielt nicht nur aus Kostengründen, sondern auch für eine deutlich schnellere klinische Verfügbarkeit eine wichtige Rolle, wie zuletzt bei der Implementierung der PSMA-PET zur Bildgebung beim Prostatakarzinom gezeigt. Optionen für eine personalisierte Therapie in Kombination mit Beta-Strahlern wie Lutetium oder Yttrium bieten darüber hinaus einen viel versprechenden Ansatz, um Diagnostik und Therapie enger zu verknüpfen, einerseits für die Evaluation von Patienten für Peptid-Radio-Rezeptor-Therapien, aber auch um ein dediziertes Therapiemonitoring zu ermöglichen. Im internationalen Vergleich stellt in Deutschland jedoch die weiterhin schwierige und heterogene Kostenübernahme der Krankenkassen für die kostenintensivere PET/CT trotz guter Datenlage eine wesentliche Hürde auf dem Weg zur breiten klinischen Etablierung dieses zukunftsorientierten Verfahrens dar.

Cyran bringt das Dilemma abschließend auf den Punkt: „ Die Gretchenfrage für jedes innovative Konzept der molekularen Bildgebung ist schon in der präklinischen Entwicklungsphase, ob eine klinische Translation aus pharmakologischer und pharmakokinetischer, aber auch aus wirtschaftlicher Sicht realistisch ist.“


PROFIL:
PD Dr. Clemens Cyran ist seit Dezember 2012 Oberarzt PET/CT am Institut für Klinische Radiologie des Klinikums der Universität München. Dort legte er mit Studium und Promotion auch die Grundlagen für seine klinische und wissenschaftliche Laufbahn. Als Research Fellow forschte er von 2006 bis 2007 am Center for Pharmaceutical and Molecular Imaging der University of California San Francisco. Seit 2012 ist Cyran als Facharzt für Radiologie anerkannt und seit 2013 an der Ludwig-Maximilians-Universität München habilitiert. Er ist mehrfach mit dem ‚RSNA Award for Young Investigators in Molecular Imaging‘ ausgezeichnet worden und hat 2010 den Preis des Deutschen Netzwerks Molekulare Bildgebung erhalten.

13.08.2015

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