Die falsche Angst vor zu viel Strahlung

Prof. Dr. Andreas Mahnken erlebt bei seinen Vorlesungen immer wieder Medizinstudenten, die regelrecht Angst vor einer CT- oder Röntgenuntersuchung haben. Völlig unbegründet, wie er meint, denn bei einer kritischen Untersuchungsindikation stelle ein CT-Scan, der nach State-of-the-Art-Methoden durchgeführt werde, eine absolut sichere und aussagekräftige Untersuchungsmethode dar.

Durch den Einsatz eines schellen CT-Scanners und die gleichzeitige Reduktion...
Durch den Einsatz eines schellen CT-Scanners und die gleichzeitige Reduktion der Röhrenspannung mit nur 65 ml Kontrastmittel angefertigt

„Die Patientensicherheit im CT mag für jüngere Patienten (bis etwa 55 Jahre) vor allem von der Höhe der Strahlenexposition abhängen. Für ältere Patienten vor allem mit Diabetes mellitus und nachfolgenden Gefäßproblemen ist allerdings die Kontrastmittelgabe das sehr viel akutere und oftmals limitierende Problem“, weiß Prof. Mahnken.

Noch immer profitiert die CT-Diagnostik von zwei Entwicklungen, die Ende des vergangenen Jahrtausends eingesetzt haben: Zum einen ist das der ungebrochene Trend zu immer schnelleren Scannern, zum anderen sind das neue Rekonstruktionstechniken, die deutlich weniger Signal benötigen, um ein gutes Bild zu erzeugen. Faktisch basieren diese Techniken bei allen Herstellern auf der iterativen Bildrekonstruktion, die derzeit in der vierten Generation unter – je nach Hersteller – verschiedenen Bezeichnungen genutzt wird. Bei der Scangeschwindigkeit hält Mahnken die Dual-Source-CT für das effektivste Verfahren. Insgesamt steht und fällt die Dosiseffizienz mit dem Detektor, seiner Materialbeschaffenheit und der Integration der Elektronik. Das größte Einsparpotenzial liegt aber nach wie vor bei den Rekonstruktionstechniken. „Das Kunststück ist, nicht nur all diese Techniken zur Verfügung zu haben, sondern sie auch clever einzusetzen und ständig zu aktualisieren. Es nützt dem Patienten nichts, den neuesten Rekonstruktionsalgorithmus zu nutzen und gleichzeitig die Untersuchung weiterhin nach einem Protokoll von 1995 zu fahren. Der Clou besteht ja gerade darin, dass man heute sehr gute Bilder mit einem Bruchteil der Strahlung von vor zehn oder 15 Jahren erhalten kann“, schildert der Marburger Professor.

Strahlenakzeptanz national und international sehr unterschiedlich
Laut aktueller Untersuchungen variiert die Strahlenexposition bei der gleichen Untersuchung und der gleichen Hardware zwischen unterschiedlichen Zentren in Deutschland um bis zu Faktor 10. Auch international gibt es große Unterschiede. Deutschland mag zwar nach Japan die meisten Röntgen- und CT-Untersuchungen weltweit durchführen, das wird aber in zahlreichen Zentren durch eine sehr niedrige Strahlendosis aufgewogen. Das betrifft besonders CT-Untersuchungen, die dank der iterativen Rekonstruktion auch noch zu Bildern mit einer guten Qualität ohne Bildrauschen führen. Mahnken geht davon aus, dass Deutschland bei einer auf die Gesamtbevölkerung hochgerechneten Strahlendosis auf ähnliche Größenordnungen wie andere Nationen kommt. „Langfristig muss es dennoch unser Ziel sein, auch in der Fläche die Reduzierung der Strahlen- und Kontrastmitteldosis, wie sie heute in wenigen Exzellenzzentren erreicht wird, zu erzielen. Realistisch kann dieses Ziel frühestens in zehn Jahren umgesetzt werden, wenn alle Praxen über die heute aktuellsten Geräte verfügen“, schätzt der Radiologe kritisch ein.
Mahnken hofft, dass in diesem Zeitraum auch das Bewusstsein für die konsequente Umsetzung der Strahlenreduktion anwächst und das ALARA-Prinzip sowohl bei der Strahlen- als auch bei der Kontrastmitteldosis mehr Beachtung findet. Die Aktualisierung der Strahlenschutzkunde alle fünf Jahre sei hierfür nicht ausreichend. Theoretisches Wissen allein helfe nicht, sondern allein der kontinuierliche Anpassungs- und Verbesserungsprozess – ähnlich wie in der Automobilindustrie –, zumal die Geräte herstellerbedingt sehr unterschiedlich sind. Der Radiologe hält hierbei ökonomische Anreize für ein probates Mittel; Untersuchungen, die eine niedrigere Dosis als der Durchschnitt aufweisen, sollten eine Aufschlagzahlung bekommen.

Schnellere Scanner und niedrige Röhrenspannung senken Kontrastmitteldosis
Schnellere Scanner erfordern weniger Kontrastmittel, zumindest bei der Gefäßdarstellung. „Aufgrund der höheren Geschwindigkeit der Scanner kann bei der CT-Angiographie die Kontrastmitteldosis linear zur Zunahme der Scangeschwindigkeit reduziert werden. Wenn man die Hauptschlagadern sehen will, etwa bei Verdacht auf Lungenembolie oder Aortenaneurysma, geht das absolut linear mit der Scangeschwindigkeit – und die nimmt weiterhin drastisch zu. Heute kann man eine Ganzkörper-CT mit 50 ml Kontrastmittel durchführen, rund ein Drittel der Dosis, die vor zehn Jahren nötig war“, erklärt der Professor. Bei kontrastangehobenen Untersuchungen kann über die Röhrenspannung die Strahlendosis reduziert werden, was vor allem in der Pädiatrie von Belang ist. Mit den heute klinisch verfügbaren Scannern kann der Untersucher bis auf 70 kV heruntergehen, gleichzeitig wird das Kontrastmittel bei der niedrigeren Röhrenspannung besser sichtbar. Alle diese Maßnahmen ermöglichen Bereiche, die durchaus mit dem konventionellen Röntgen des Abdomens vergleichbar sind. „Für die Dosisreduktion gibt es also eine ganze Reihe von Stellschrauben, die man synergistisch nutzen muss. Das Problem: Wenn ich nur das eine tue und das andere nicht lasse, werden vielleicht die Bilder noch etwas schöner, aber ich habe dem Patienten nichts Gutes getan. Es ist also wichtig, dass der Untersucher seine Technik einsetzt und dabei den Strahlenschutz optimal ausreizt. Denn Arzt und Scanner sollten eine Einheit im besten Sinne des Wortes darstellen“, resümiert Prof. Mahnken.

IM PROFIL:
Nach dem Studium der Humanmedizin in Würzburg, Graz und Bonn kam Prof. Dr. Andreas Mahnken als Assistenzarzt an die Klinik für Radiologische Diagnostik des Universitätsklinikums der RWTH Aachen. Nach seiner Anerkennung als Facharzt für Diagnostische Radiologie übernahm er die CT-Bereichsleitung und wurde Leiter der Arbeitsgruppe „Interventionelle Therapietechnik“ am Lehrstuhl für Angewandte Medizintechnik des Helmholtz-Instituts der RWTH. Nachdem der Radiologe bereits 2008 zum außerplanmäßigen Professor ernannt wurde, folgte er im November 2012 dem Ruf auf die W3-Professur für Radiologie an die Philipps-Universität Marburg. Dort wurde er gleichzeitig Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Marburg.

22.01.2014

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