Die eine oder keine

Oder: eine diffuse Diagnose im Findungsprozess

Diffuse Lungenerkrankungen machen ihrem Namen alle Ehre: Sie sind recht schwer zu greifen.

Typischer Befund eines pulmonalen Befalls bei einer Sarkoidose
Typischer Befund eines pulmonalen Befalls bei einer Sarkoidose

Einzige Gemeinsamkeit: Im Unterschied zu den fokalen Erkrankungen manifestieren sie sich im ganzen Lungenparenchym. Doch wo die Radiologie im diagnostischen Suchprozess ins Spiel kommt, lichtet sich der Wald allmählich. Denn anhand typischer Bildmuster kann der Kreis der infrage kommenden Erkrankungen meist auf höchstens drei Kandidaten eingegrenzt werden; einige Befunde sind sogar pathognomonisch. PD Dr. Dag Wormanns, Chefarzt des Radiologischen Instituts und Ärztlicher Direktor der Evangelischen Lungenklinik Berlin, beschreibt, wie man den diffusen Lungenerkrankungen auf die Schliche kommt.

 

In den meisten Fällen beginnt die Krankengeschichte von Patienten mit diffuser Lungenerkrankung mit unspezifischen Symptomen wie Atemwegsbeschwerden oder Abgeschlagenheit. Ein erster Verdacht erhärtet sich dann im auffälligen Röntgenbild, in dem diffuse Veränderungen beider Lungen zu sehen sind. Zufallsbefunde sind jedoch auch nicht selten. „In der Regel liegen den diffusen Lungenerkrankungen systemische Ursachen zugrunde, die zum Teil medizinisch bekannt sind, zum Teil aber auch nicht“, erläutert der Berliner Klinikdirektor. Ein Beispiel für ein Krankheitsbild, bei dem die Ursachen sehr gut erforscht sind, ist die exogene allergische Alveolitis. Dabei handelt es sich um eine allergische Entzündung, die durch Feinstaub ausgelöst wird. Zu den Allergie-Auslösern zählen unter anderem Federn und Kot von Vögeln (Vogelzüchterlunge) oder Schimmelpilzsporen in Heu und Getreide (Farmerlunge). Ein Rätsel ist der Wissenschaft dagegen bis heute die Sarkoidose (Morbus Boeck). Dabei bilden sich aus ungeklärten Gründen Gewebeknötchen – meistens in der Lunge, aber auch an den unterschiedlichsten anderen Körperstellen.

„Es gibt charakteristische Bildmerkmale, nach denen wir die diffusen Lungenerkrankungen klassifizieren“, erklärt Wormanns, „entscheidend ist dabei die Information: Wo sitzt die Veränderung? Denn jedes Krankheitsbild zeigt ein anderes Verteilungsmuster. Und als nächste Frage: Wie weit ist der Befall fortgeschritten?“ Für die Blickdiagnostik wird neben der Röntgenuntersuchung in der Regel eine zusätzliche Schnittbildgebung in Form einer HRCT hinzugezogen. Aber wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen der konventionellen und der hochauflösenden CT? „Den gibt es heute eigentlich nicht mehr, aber der Begriff flößt immer noch Respekt ein“, schmunzelt der Berliner Radiologe, „er stammt noch aus Zeiten, als CT-Aufnahmen in Einzelschichten generiert wurden.“

Ende der 1980er-Jahre begann man, die Lunge mit einem hochauflösenden Rekonstruktionsalgorithmus in hauchdünnen 1-Millimeter-Schichten aufzunehmen. Weil die Bildakquise in den 1-Zeilen-Scannern jedoch viel Zeit in Anspruch nahm, wurde infolgedessen nicht mehr die ganze Lunge abgebildet, sondern nur noch stichprobenartige Ausschnitte. Denn da es sich um diffuse Erkrankungen handelte, ging man davon aus, dass sich die Veränderungen in der gesamten Lunge ähnlich verteilen müssten. Dadurch erhielt man aber nur eine makroskopische Detailinformation wie etwa auch der Pathologe. Erst Ende der 1990er-Jahre gelang es mithilfe der Mehrzeilentechnologie, die komplette Lunge innerhalb eines Atemstillstands in Millimeterschichten aufzunehmen.

Leider, so Dr. Wormanns, werden die Mehrzeilen-CTs der Lunge jedoch bis heute nicht immer so gehandhabt, dass man auch wirklich von einer HRCT sprechen kann: „Entscheidend ist die Schichtdicke. Die werden an den Geräten häufig zu großzügig eingestellt. Optimal ist ein Wert von 1 Millimeter Schichtdicke.“

Wenn auch nur selten mithilfe der radiologischen Blickdiagnostik definitive Diagnosen gestellt werden können, so lässt sich zumindest ein Verdacht äußern, auf den sich die weitere Diagnostik ausrichtet. In der Regel sind die Radiologen also auf einen zusätzlichen Befund angewiesen, der gezielt den Nachweis führt, dass sie mit ihrer Vermutung richtig liegen. Diesen Nachweis erbringt der Pneumologe mithilfe einer Bronchoskopie, bei der er entweder eine Gewebeprobe entnimmt oder Spülflüssigkeit (bronchoalveoläre Lavage) gewinnt, um die Zellzusammensetzung zu untersuchen. „Es geht also nicht bloß darum, dass der Radiologe eine Diagnose stellt oder diese zumindest auf einige wenige Differenzialdiagnosen eingrenzt, sondern darum, dem Pneumologen auch eine Zielvorgabe zu liefern, wo genau er suchen soll und wie weit fortgeschritten der Befall ist“, erörtert Dr. Wormanns.

Darüber hinaus stellt der Radiologe nicht nur die Weichen für eine zielgerichtete invasive Untersuchungsstrategie, seine Meinung ist auch im weiteren Findungsprozess gefragt, wenn alle Befunde vorliegen und es darum geht, sich auf eine Diagnose festzulegen. „Im Englischen spricht man hier von einer CRP Diagnosis. Die Abkürzung CRP steht dabei für Clinician Radiologist Pathologist“, so Wormanns weiter, „jeder Facharzt steuert seine Information wie ein Puzzleteil bei, bis man die eine gemeinsame Diagnose gefunden hat.“

IM PROFIL

Dag Wormanns wurde 1967 in Halle (Saale) geboren und studierte Humanmedizin in Berlin und Münster. Seine berufliche Laufbahn begann er am Institut für Klinische Radiologie des Uniklinikums Münster, seit 2002 war er dort als Oberarzt tätig. 2006 wechselte er ans Radiologische Institut der Evangelischen Lungenklinik Berlin, die er seit sechs Jahren als Ärztlicher Direktor leitet. Seine wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf die praxisnahe computerunterstützte Diagnostik pulmonaler Rundherde mittels Computertomographie. Seit 2003 ist der 46-Jährige im Vorstand der AG Thorax der Deutschen Röntgengesellschaft.

Veranstaltungshinweis:

Do., 07.11.2013

11:30–12:00 Uhr

Blickdiagnosen im HRCT

Session: Diffuse Lungenerkrankungen/HRCT 2

Congress-Saal

04.11.2013

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