Anne-Sophie Biesalski und Helge Topka
Anne-Sophie Biesalski und Helge Topka

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Artikel • Notfallmedizin

Drei Millionen Deutsche ohne schnelle Schlaganfall-Hilfe

Experten fordern effiziente Strukturen und klare Entscheidungswege für die prähospitale Schlaganfall-Versorgung

Noch immer können rund drei Millionen Menschen in Deutschland mit einem Schlaganfall nicht innerhalb der angestrebten 30 Minuten nach Alarmierung des Rettungsdienstes einer geeigneten Versorgungsstufe zugeführt werden. „Mit der geplanten Konzentration der Gesundheitsversorgung in zentralen Krankenhäusern werden die Herausforderungen nicht kleiner, sondern eher komplexer", zeigte Prof. Helge Topka, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Stroke Unit der Münchner Klinik Bogenhausen in einem viel beachteten Symposium im Rahmen des 1. Deutschen Schlaganfallkongresses Anfang des Monats auf.

Mit der geplanten Konzentration der Gesundheitsversorgung in zentralen Krankenhäusern werden die Herausforderungen nicht kleiner, sondern eher komplexer

Prof. Helge Topka

 Angesichts steigender neurologischer Notfälle müsse zukünftig zudem differenzierter entschieden werden, ob ein Notarzt beziehungsweise eine Notärztin vor Ort erforderlich sei. „Bei vital stabilen Patienten, bei denen es vor allem um den schnellen Transport geht, ist das nicht zwingend erforderlich", erklärte Dr. Anne-Sophie Biesalski, Fachärztin für Neurologie an den Knappschaft Kliniken Universitätsklinikum Bochum, in diesem Zusammenhang.


In Fällen unspezifischer Schlaganfall-Symptome, etwa bei Bewusstseins- oder Sehstörungen, seien Notärzte mit ihrer Expertise jedoch unverzichtbar, differenzierte Anne-Sophie Biesalski, die selbst in ihrer Region als Notärztin im Einsatz ist. Auch hier werden die Situationen also komplexer und nichtärztliches Personal muss immer mehr Entscheidungen fällen. So fordern Topka wie Biesalski, die enge Vernetzung von Kliniken und Rettungsdiensten stärker zu fördern und eine bundesweit standardisierte Aus- und Weiterbildung für den Rettungsdienst zu etablieren.


Beide Experten verwiesen zudem auf das Potenzial mobiler Stroke Units in manchen Regionen Deutschlands, der telemedizinischen Schlaganfall-Einheiten und auch der telemedizinischen Unterstützung auf dem Rettungswagen.


Wenn die Ärztin oder der Arzt zum Patienten kommt


Mobile Stroke Units sind über Stroke-Einsatz-Mobile (STEMO) derzeit in Berlin und Mannheim für Betroffene verfügbar. Diese Spezialfahrzeuge verfügen über Computertomografen wie auch Labordiagnostik und bringen damit die notwendige Infrastruktur direkt zu den Patienten. „Das STEMO kann die Zeit bis zur Lysetherapie erheblich verkürzen – und dadurch das Behandlungsergebnis verbessern", so Biesalski.


Das schwere Einsatzfahrzeug ist aber nur eine Möglichkeit, konkreten regionalen Herausforderungen zu begegnen. „Ganz pragmatisch gesprochen: In den Alpen brauchen wir eher einen Hubschrauber, in Hamburg hingegen erreicht man in zehn Minuten immer eine Klinik mit Stroke Unit", zeichnet Helge Topka ein plakatives Bild. „Beispiele, die zeigen, wie komplex die prähospitale Versorgung ist und wie viele einzelne Bereiche bedacht werden müssen."


Gefordert: Effiziente Strukturen, klare Entscheidungswege und innovative Konzepte


Gilt die stationäre Schlaganfall-Versorgung in Deutschland europaweit mit 354 zertifizierten Stroke Units, 20 Neurovaskulären Zentren und 31 telemedizinisch vernetzten Einheiten als vorbildlich, gibt es in der prähospitalen Schlaganfall-Versorgung in Deutschland noch großen Handlungsbedarf. „Es ist immer noch entscheidend, dass die Patienten wirklich schnell in einer geeigneten Klinik ankommen," legt Anne-Sophie Biesalski den Finger in die Wunde.


So warte man immer noch auf die – bereits vor der Wahl der neuen Bundesregierung – ausgesetzte Reform des Rettungsdienstes. Diese soll helfen, den Rettungsdienst überregional zu organisieren sowie Rettungsdienst, Kliniknotaufnahmen und Notdienste der Kassenärzte zuverlässig zu vernetzen und bundesweite Standards für die Aus- und Weiterbildung der Rettungsdienste vorzubereiten. „Dass die Reform unverzichtbar ist, haben wir während des 1. Deutschen Schlaganfallkongresses unmissverständlich aufgezeigt", so Topka.


Quelle: Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft

26.09.2025

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