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Der Ellenbogen – Kein Gassenhauer, aber komplex

„Im Vergleich zu den ,Gassenhauern‘ Knie- und Schultergelenk bekommen wir Radiologen meistens nur relativ wenige Ellenbogengelenke zu Gesicht“, berichtet Prof. Dr. Mike Notohamiprodjo von der Gemeinschaftspraxis „Die RADIOLOGIE“ in München.

Bericht: Michael Krassnitzer

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Prof. Dr. Mike Notohamiprodjo.

„Daher sind die Kenntnisse betreffend Anatomie und Pathologie häufig gar nicht so groß.“ Die komplexe Anatomie des Ellenbogens zu kennen, sei jedoch sehr wichtig – vor allem die komplexen Bandstrukturen. Auch eine gewisse Expertise in Sachen Pathophysiologie, also an welchen Stellen des Ellenbogens es bei chronischen Belastungen zu entsprechenden morphologischen Veränderungen kommen kann, ist bei der Bildgebung des Ellenbogens vonnöten. Der Radiologe wünscht sich daher, dass in Fortbildungen darauf mehr Wert gelegt werden sollte. „Insofern freut es mich besonders, wenn auf dem Bayerischen Röntgenkongress die Bildgebung des Ellenbogens Platz eingeräumt wird“, sagt Notohamiprodjo, der auch DFG-Gruppenleiter an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen und Ausbilder der Deutschen Gesellschaft für Muskuloskelettale Radiologie (DGMSR) ist.

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Klassische Epikondylitis mit Partialruptur der tiefen Extensorensehne.
Quelle: Mike Notohamiprodjo

Am vergleichsweise häufigsten werden MRT-Untersuchungen des Ellenbogengelenks bei Verdacht auf Epicondylitis angefordert, also Fragestellungen betreffend den Tennisellenbogen (Epicondylitis radialis) und seltener den Golferellenbogen (Epicondylitis ulnaris). „Hierbei kommt es zu einer chronischen Tendopathie des Ursprungs der Extensoren bzw. der Flexorensehne“, beschreibt der Münchner Radiologe diese Pathologie: „Mit der MRT können wir hier das Ausmaß der Entzündung darstellen und die Mitbeteiligung der ligamentären Strukturen besser beurteilen.“ Eine weitere häufige Pathologie am Ellenbogen ist der Abriss der Bizepssehne am Radius. „Das ist eine offensichtliche und einfache Diagnose, da die Bizepssehne normalerweise gut darstellbar ist“, erläutert Notohamiprodjo.

Eine der weniger häufigen, aber wichtigen Indikationen für eine MRT des Ellenbogengelenks ist der Zustand nach einer Dislokation bzw. Luxation. „Hier ist die Bildgebung wichtig, um das Ausmaß des Bandschadens darzustellen, damit der orthopädische Chirurg die Operation besser planen kann“, sagt Notohamiprodjo. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Kollateralbänder entscheidend. Das ulnare und vor allem das radiale Kollateralband zeichnen sich durch eine komplexere Anatomie aus, die mit der MRT schwierig in einer Ebene darzustellen ist. Schäden an diesen Bandstrukturen können auch im Rahmen von chronischen Belastungen, zum Beispiel bei Leistungssportlern wie Tennisspielern oder Speerwerfern, auftreten. Notohamiprodjo: „Dabei ist vor allem auf die posterolaterale Rotations-Instabilität und das Valgus-Overload-Syndrom zu achten, da hier vor allem bei letzterem diskrete degenerative Veränderungen vorliegen können, die bei der extremen Ausholbewegung entstehen, die diese Sportler im Rahmen der Wurf- oder Schlagbewegung machen.“

Subtotale Ruptur anteriores ulnares Kollateralband und laterales ulnares...
Subtotale Ruptur anteriores ulnares Kollateralband und laterales ulnares Kollateralband.
Mike Notohamiprodjo

Nicht zuletzt ist die MRT auch sehr hilfreich, um bei Kindern und Jugendlichen das Ausmaß der Knorpelschädigung von osteochondralen Defekten bzw. Osteonekrose (beim Kind: Morbus Panner, beim Jugendlichen: Osteochondrosis dissecans) darzustellen. Um sich Expertise auf diesem Gebiet zu erarbeiten, empfiehlt Notohamiprodjo den Austausch mit Kollegen und den Besuch einschlägiger Fortbildungsveranstaltungen. Einen Tipp hat der Münchner Radiologe in petto: „Wichtig ist die möglichst gestreckte Lagerung des Ellenbogens, da man nur so eine durchgehende Darstellung der Bänder erreicht. In Flexions-Haltung ist die Diagnostik der ligamentären Strukturen deutlich erschwert.“ Außerdem weist er darauf hin, dass nur Bilder mit hoher Bildqualität genügend Aussagekraft besitzen: „Man braucht eine hohe Auflösung, am besten mit Hochfeld-MRT, um die doch relativ kleinen Strukturen des Ellbogengelenks genau darzustellen.“ MRTs mit niedriger Feldstärke seien für eine exakte Diagnostik kaum brauchbar.


Profil:

Prof. Dr. Mike Notohamiprodjo ist seit Juli 2017 Mitglied der Münchner radiologischen Gemeinschaftspraxis „Die RADIOLOGIE“ und leitet den Standort in Starnberg. Er ist außerdem außerplanmäßiger Professor und DFG-Gruppenleiter an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen, wo er zuletzt Leitender Oberarzt war. Die Schwerpunkte des Radiologen, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München studierte und seine Facharztausbildung am Universitätsklinikum Großhadern absolvierte, sind muskuloskelettale Diagnostik, Kernspintomographie Onkologische Diagnostik, Ganzkörper-Untersuchung und Prostata-Diagnostik. Notohamiprodjo, der bereits auf über 100 Publikationen verweisen kann, ist auch Ausbilder der Deutschen Gesellschaft für Muskuloskelettale Radiologie (DGMSR).


Veranstaltungshinweis:

Raum: Audimax-W.C-Roentgen-Saal

Freitag, 29. September 2017, 15:00 - 16:00

FFF-MSK 4 -Ellenbogen und Hüfte

Vorsitz: Thomas Grieser (Augsburg), Mike Notohamiprodjo (Tübingen)

28.09.2017

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