Hyperpolarisations-MRT
„Dem Leben bei der Arbeit zugucken“
Mittels Hyperpolarisations-MRT, die um ein Vielfaches sensitiver ist als die klassische Kernspintomographie, lassen sich Stoffwechselvorgänge im Organismus abbilden. Ein Forschungsteam aus Deutschland hat das Verfahren nun wesentlich vereinfacht.
„Vereinfacht ausgedrückt, will es eine Laune der Natur, dass sich manche Atomkerne so verhalten, als hätten sie eine kleine Kompassnadel. Aufgrund ihres Kernspins gibt es Vorzugsrichtungen in einem Magnetfeld, ähnlich einer Kompassnadel im Erdmagnetfeld. Durch eine Anregung von außen können diese ausgelenkt werden. Nachdem die Anregung vorüber ist, werden durch die Kernspin wiederum schwache Radiosignale ausgesendet, die gemessen werden können“: Mit diesen Worten erklärt PD Dr. Jan-Bernd Hövener, Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter in der Klinik für Radiologie – Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg, das Prinzip der Magnetresonanztomographie (MRT). Das Problem dabei: „Diese atomaren Kompassnadeln sind so schwach, dass sie von der Wärme hin- und hergeworfen werden. Die Ausrichtung in eine Vorzugsrichtung ist so schwach, dass wir im Magnetfeld der Erde nur wenige Milliardstel beobachten können. Das ist in etwa so, als würden Sie von allen Menschen auf der Erde nur einen sehen“, wie Hövener betont. „Da steckt noch ein gewaltiges Potential, das wir für die Diagnostik nutzbar machen wollen. Selbst moderne MRTs „sehen“ nur wenige Millionstel, von dem was da eigentlich ist“. Er und seine Gruppe gehören zu den Forschern, die daran arbeiten, die MRT um ein Vielfaches empfindlicher zu machen. Dieses neue Verfahren nennt sich Hyperpolarisations-MRT.
Neues Verfahren detektiert molekulare Vorgänge in Echtzeit
Bei der Hyperpolarisations-MRT wird die Ausrichtung der Kernmagnete künstlich so stark erhöht, dass eine vieltausendfache Signalverstärkung entsteht. Dieses magnetisch markierte (hyperpolarisierte) Kontrastmittel wird in den Körper eingebracht und sendet von dort Signale aus, die wesentlich stärker sind, als sie bei einer klassischen MRT möglich wären. Auf diese Weise lassen sich in Echtzeit molekulare Vorgänge detektieren. Den Weg von Molekülen in vivo nachzuverfolgen bedeutet nichts anderes, als Stoffwechselvorgänge abzubilden. „Das Versprechen der Hyperpolarisierung ist, dass man dem Leben an sich beim Arbeiten zugucken kann“, erklärt Hövener. Natürlich können auch krankhafte Stoffwechselvorgänge abgebildet werden, etwa bei Krebserkrankungen.
Bislang werden flüssige hyperpolarisierte Kontrastmittel vornehmlich mit der sogenannten dynamischen nuklearen Polarisierung (DNP) hergestellt. Den Doktoranden Berner und Schmidt in der Hövener-Gruppe ist es gelungen, diese sehr aufwändige Herstellung von Kontrastmitteln – so ist ein teures externes Gerät vonnöten – extrem zu vereinfachen. In dem sogenannten SAMBADENA-Verfahren werden Biomoleküle – genauer gesagt: das im Molekül enthaltene Kohlenstoffisotop C13 – in einer kleinen Reaktionskammer direkt im MRT-Gerät mit Parawasserstoff zusammengeführt und auf diese Weise hyperpolarisiert. So ist es möglich, die Injektionslösung mit dem Kontrastmittel innerhalb weniger Sekunden direkt am Einsatzort zu produzieren.
„Wir arbeiten nun intensiv daran, SAMBADENA auf Biomoleküle anzuwenden, die natürlicherweise im Körper vorkommen, um deren Ab- oder Umbau in Echtzeit beobachten zu können“, berichtet der Experte. Da Krebszellen häufig einen veränderten Stoffwechsel aufweisen, könnte ein verstärkter oder verminderter Abbau des Kontrastmittels auf Tumorgewebe hindeuten. Dadurch ließen sich Metastasen früher detektieren und Tumore genauer charakterisieren. Ebenso möglich scheint es, anhand der Veränderung des Krebsstoffwechsels frühzeitig zu erkennen, ob eine Therapie anschlägt oder nicht. Als Anwendungsbeispiel nennt Hövener Pyruvat: Dieses Biomolekül wird zu Lactat verstoffwechselt. Dazu braucht es das Enzym Lactat-Dehydrogenase, das sich oft in erhöhten Mengen in Tumoren findet. Hyperpolarisiert man also Pyruvat und führt es dem Organismus zu, wird dies im Tumor verstärkt in Laktat umgewandelt. So kommt man Konzentrationen von Lactat-Dehydrogenase, und damit möglichen Tumoren, auf die Spur.
„Das ist wie eine visuelle Biopsie.“
„Dieses Verfahren ist um viele Tausend mal sensitiver als die klassische MRT“, schwärmt Hönever: „Das ist wie eine visuelle Biopsie.“ Zwar ist die Halbwertszeit der polarisierten Kontrastmittel – sie liegt im Bereich von mehreren zehn Sekunden – eher gering, doch glücklicherweise sind ausgerechnet Tumoren besonders schnell beim Verstoffwechseln. „Deshalb scheint die Hyperpolarisations-MRT eine geeignete Diagnosemethode für Tumoren zu sein“, bekräftigt der Freiburger Wissenschaftler.
Eigentlich ist ja die Stoffwechselbildgebung die Domäne der Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Doch ein Konkurrenzverhältnis zwischen diesen beiden Untersuchungsmethoden besteht nicht, wie Hövener betont: „Hyperpolarisations-MRT und PET schauen beide auf den Stoffwechsel, aber von verschiedenen Seiten.“ Tatsächlich gibt es bereits erste Versuche, die beiden Verfahren miteinander zu kombinieren, um einen noch genaueren Blick auf Stoffwechselvorgänge werfen zu können. Hier arbeitet Hövener mit dem Rigshospital in Copenhagen und der Technischen Universität München zusammen. Ziel ist die Anwendung dieser Methode im Menschen. Doch dies sei noch Zukunftsmusik, sagt der Freiburger Forscher.
Die Originalarbeit wurde veröffentlicht in nature communications und ist frei verfügbar: https://www.nature.com/articles/ncomms14535
Arbeitsgruppe Freiburg: www.hyperpolarization.net
PROFIL:
PD Dr. Jan-Bernd Hövener ist Emmy-Noether-Forschungsgruppenleiter in der Klinik für Radiologie – Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg. Der Physiker mit den Schwerpunkten Metabolische und Molekulare MRT, biomedizinische und dentale Anwendungen der Magnetresonanz sowie Hyperpolarisierung ist auch Forscher im EU-gefördertem International Training Network EUROPOL und im Programm Radiotherapie und Bildgebung des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK). Hövenener, der 2014 mit dem Young Scientist Award in Medical Physics der International Union for Pure and Applied Physics ausgezeichnet wurde, tritt demnächst eine Professur für translationale MRT an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel an. Andreas Schmidt und Stephan Berner sind wissenschaftliche Mitarbeiter in seiner Gruppe und Physikdoktoranden an der Universität Freiburg.
Text mit freundlicher Genehmigung der Bender Gruppe
16.05.2017