Dem Herzen ein Leben lang folgen
Kardiale MR-Diagnostik im Follow-up von kongenitalen Herzfehlern
Jedes Herz ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Entsprechend individuell fällt auch die Vielzahl angeborener Herzfehler (AHF) aus, von denen manche ohne korrigierende oder palliative Operationen schon früh zum Tod führen können, andere vielleicht erst im Erwachsenenalter symptomatisch werden.
Doch weil immer mehr Patienten mit kongenitalen Herzfehlbildungen bereits im Kindesalter mit innovativen Operationsverfahren geholfen werden kann, erreicht eine immer größer werdende Anzahl Betroffener das Erwachsenenalter und bedarf damit einer lebenslangen Nachbeobachtung. Das Toronto General Hospital in Kanada zählt zu den größten Zentren Nordamerikas, die auf AHF im Erwachsenenalter spezialisiert sind. Hier hat Assistenzärztin Dr. Kerstin Bauner vom Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München ein Jahr in der Abteilung für kardiale Bildgebung zu diesem Thema intensiv gearbeitet und geforscht.
In Toronto hat die Radiologin, die im Juni 2012 an ihren Arbeitsplatz in der bayerischen Landeshauptstadt zurückgekehrt ist, die gesamte Bandbreite der AHF kennengelernt. Die Pathologien reichen von Shunts, sprich Kurzschlussverbindungen auf Vorhof- oder Ventrikelebene, über Stenosen im Bereich der Aorta bis hin zu komplexeren Fällen, wie zum Beispiel die Fallot-Tetralogie oder univentrikuläre Herzfehler. Des Weiteren ist die Transposition der großen Gefäße (TGA) zu erwähnen, die eine fehlerhafte Anbindung der Arterien an die Ventrikel beschreibt. Dabei entspringt die Aorta dem rechten Ventrikel, während die Pulmonalarterie mit Blut aus dem linken Ventrikel versorgt wird.
Korrekturverfahren erhöhen Lebenserwartung
„Die TGA ist ein gutes Beispiel dafür, welche großen Fortschritte die chirurgischen Verfahren zur Behandlung von AHF in den vergangenen Jahren durchlaufen haben“, sagt Dr. Bauner. „Früher hat man noch auf Vorhofebene operiert, sodass das Blut aus den Lungenvenen zum rechten Ventrikel umgeleitet wurde. Der rechte Ventrikel, weiterhin systemischer Ventrikel, war dadurch einer hohen Druckbelastung ausgesetzt, der er auf lange Sicht nicht standhalten konnte. Solche Vorhofumkehroperationen waren daher eher als palliative Maßnahmen anzusehen.“ Heute kämen dagegen Korrekturverfahren zum Einsatz, die wieder eine fast normale Anatomie herstellen. Dazu werde die Pulmonalarterie an den rechten Ventrikel und die Aorta an den linken Ventrikel angeschlossen, sodass es zum arteriellen Switch kommt, berichtet Bauner.
Herzen auf dem Prüfstand
Einen angeborenen Herzfehler kann man meist nur korrigieren, aber nicht heilen. AHF-Patienten sind auch nach erfolgreicher operativer Behandlung meist ein Leben lang auf medizinische Verlaufskontrollen angewiesen. Diese finden in Intervallen von drei bis fünf Jahren statt. Maßgeblich daran beteiligt ist die bildgebende Kardiodiagnostik. Aber worauf genau muss der Radiologe bei der Nachkontrolle achten? „Das anzukommt auf die zugrunde liegende Pathologie an und hängt davon ab, ob es sich um eine MR-Erstuntersuchung oder um eine Kontrolle handelt“, wägt Dr. Bauner ab. „In vielen Fällen ist die Funktions- und Größenbestimmung des rechten Ventrikels ein zentrales Thema, wie zum Beispiel bei Fallot-Patienten. Darüber hinaus richten wir das Augenmerk auf mögliche Klappeninsuffizienzen, den Fluss in Conduits und in den Lungenarterien mit besonderem Fokus auf potenziellen Stenosen. Auch die Quantifizierung von Shunts anhand von Flussmessungen in der Aorta und im pulmonalarteriellen Hauptstamm ist ein zentrales Thema.“
Hoheitsgebiete der kardialen MRT
Als primäre Bilddiagnostik wird bei AHF die Echokardiographie eingesetzt. Die MRT wird häufig dann zu Rate gezogen, wenn es um spezifische Fragestellungen geht, die mit der Echokardiographie oft nur unzureichend beantwortet werden können, wie zum Beispiel der Ausschluss pulmonalvenöser Fehlmündungen, die genaue Quantifizierung des rechten Ventrikels oder die Darstellung des rechtsventrikulären Ausflusstrakts. Eine weitere Alternative in der kardialen Diagnostik bietet die CT, die vor allem bei Patienten mit Herzschrittmachern oder bei Patienten, deren MR-Untersuchung durch Metallartefakte stark beeinträchtigt ist, eingesetzt wird. Nach Möglichkeit versuchen wir aber, Strahlenexposition – besonders bei Kindern – zu vermeiden.“ Wenn sich die Radiologin nicht sicher ist, wie viel Metall ein AHF-Patient an seinem Herzen trägt, entscheidet sie sich im Zweifelsfall für ein MR-Gerät mit niedrigerer Feldstärke (1,5 Tesla), um das Ausmaß der Metallartefakte zu minimieren.
Damit keine Frage offenbleibt
Zunächst gilt es, sich bei einer kardialen MRT-Untersuchung einen anatomischen Überblick zu verschaffen. Besonders hilfreich sind kurze, sogenannte Bright-Blood- Sequenzen, die den gesamten Thorax in drei Raumrichtungen darstellen. Einen ausgezeichneten Eindruck über Anatomie, Lagebeziehungen und Herzbewegungen liefern EKG-getriggerte CINESSFP- Sequenzen, die während Atemanhaltephasen akquiriert werden. Sie geben die einzelnen Aufnahmen als Videofilm wider und können in jede beliebige Raumrichtung ausgerichtet werden, zum Beispiel entlang der langen Herzachse, sodass man einen Vierkammerblick erhält. „Man kann natürlich auch mehrere solcher Schichten aneinanderreichen, um das gesamte Herz abzudecken. Standardmäßig wird diese Technik für die Evaluation des linken Ventrikels in der Kurzachsenschnittführung eingesetzt“, fährt die Assistenzärztin fort, „bei komplexen Herzfehlern ist es aber immer hilfreich, den gesamten Thorax auch in transversaler Orientierung abzubilden.“ Die kardiale MR-Diagnostik ist zwar ein besonders zeitintensives, aber auch ein aufschlussreiches Verfahren bei AHF. Eine gute Vorbereitung ist alles, schließt Dr. Bauner: „Es gilt abzuwägen, wie viele Informationen sich in welchem Zeitrahmen gewinnen lassen. Wenn man sich im Vorhinein auf bestimmte Fragestellungen bei den Untersuchungsprotokollen festlegt, lässt sich die Untersuchung innerhalb von einer Dreiviertelstunde bis zu anderthalb Stunden realisieren.“
IM PROFIL
Dr. Kerstin Bauner studierte Jura, bevor sie sich für ein Medizinstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität in ihrer Heimatstadt München entschied. Seit acht Jahren gehört sie zum Team des Instituts für Klinische Radiologie am Klinikum Großhadern. Dort ist sie Mitglied der Arbeitsgruppe „Kardiale und pulmonale MRT“. Die 36-jährige Assistenzärztin reiste im Rahmen eines Clinical Fellowships von Juli 2011 bis Juni 2012 an die Cardiac Imaging University of Toronto in Kanada, wo sie sich der Arbeit an Patienten mit angeborenen Herzfehlern im Erwachsenenalter widmete.
30.01.2013